DIE KATHOLISCHE HOFKIRCHE ZU DRESDEN.
fr
Obwohl Dresdens gegenwärtiger baulicher Charakter zum geringsten in
der Architektur früherer Jahrhunderte wurzelt, so sind es doch drei Werke,
welche ihm vor allen anderen deutschen Städten den Stempel architektonischer
Eigenartigkeit verleihen; ich meine den von dem genialen Pöppelmann von
1711—1722 erbauten originellen Zwinger, die von Bär in der Zeit von 1726
bis 1736 errichtete imposante Frauenkirche und endlich die von Chiaveri
ausgeführte katholische Hofkirche.
Die Gründe für die Errichtung einer katholischen Hofkirche in Dresden
liegen sowohl in dem Bedürfnisse eines der Würde des Königshauses ent
sprechenden Andachtsstätte, als in dem thatsächlichen Mangel an Raum in
der alten Kapelle am Taschenberge für die seit dem Rücktritt des Herrscher
hauses zur römischen Kirche immer zahlreicher werdende katholische Gemeinde,
wie dies auch der Conferenzminister Geh. Rath Graf von Schönberg in einem
Schreiben an den in Regensburg beim Reichstage accreditirten Residenten
von Ponikau zur Beruhigung der über den neuen Bau missgestimmten evange
lischen Unterthanen in Sachsen hervorhebt.
Man braucht nur das Innere des gegenwärtigen Hauptstaatsarchivs, des
ehemaligen von Johann Georg II. im Jahre 1664 erbauten Opernhauses, in
welchem seit dem 7. April 1708 der katholische Gottesdienst abgehalten wurde,
anzusehen, um den Wunsch Friedrich August III. nach einer geräumigeren
und, wer mag es ihm verargen, zugleich künstlerisch hervorragenden Hof
kirche, wie sie vielleicht schon August der Starke projectirt hatte, gerecht
fertigt zu finden.
Das vom Grafen Brühl Unterzeichnete königliche Dekret, durch welches
die Leitung des Baues der neuen katholischen Hofkirche dem im Jahre 1689
in Rom geborenen und 1770 in Folgino gestorbenen talentvollen Architekten
Gaetano Chiaveri übertragen wird, ist vom 18. September 1738 datirt und
lautet wörtlich:
„Da wir unter der Direction Unseres Architekten Gaetano Chiaveri
einen gewissen Bau in unserer Residenz allhir nahe an der Vestung, zu
welchem auch ein Stück vor dem Bollwerk, der Mond genannt, mitzuziehen
und zu demoliren vollführen lassen, in Gnaden resolviret, und hierzu vor
ietzo eine Summe von 50,000 Thalern ausgesetzet haben; So ist hiermit
Unser gnädigstes Begehren: ihr wollet dieses Quantum der 50,000 Thaler bei
Unserer Rent Cammer aus dem zu Unserer freien Disposition bestimmten
Fond anweisen und dafür sorgen, dass es bald angeschaffet und daferne die
baaren Gelder dazu nicht sogleich beyhanden, solche inmittelst gegen Aus
stellung zinsbarer, wo nicht ehr, doch längstens im Jahre 1742 zahlbaren
Cammerscheine aufgenommen und an einem, zu diesem Bau besonders von
Euch mit einem jährlichen Gehalt von 100 Thalern zu bestellenden auch zu
ordentlicher und richtiger Berechnung dererselben anzuweisenden Rechnungs
führer nach und nach bald bezahlet werde. Wann sothane 50,000 Thaler
bald consumirt, habt ihr in Zeiten an Uns deshalb unterthänigsten Bericht
zu erstatten, und über die Anschaffung derer fernem Kosten Unsere gnädigste
Resolution einzuholen, übrigens auch eures Orths vor die Beschleunigung
sothanen Bau’s möglichste Sorgfalt zu tragen, bemelden Architecte Chiaveri
dabei alle erforderliche assistenz zu leisten, und w'as sonst, nach Unserer
Euch, Unserm Würcklichen Geheimen Rath und Vice Cammer Präsidenten
von Hennicke besonders bekannten gnädigsten Intension hierbei allenthalben
nöthig sein möchte, zu beobachten, auch mit Unsern Cabinets-Minister,
General und Gouverneur Grafen von Friesen, an welchen wir beygefugter
Abschrift unter heutigem dato gleichfalls gemessenen Befehl ertheilet, iedesmal
dienliche Communication zu pflegen. — Dem Architecte Chiaveri sind über
die bereits aus der Ober -Bau- Amts -Casse percipirten 300 Thaler annoch
500 Thaler und denen ihm zugegebenen beiden Conducteurs Francesco Flacidi
400 Thaler und Antonio Zucchi 300 Thaler ä 1. October a. c. an, ferner
denen Bauschreibern Giocomo BuratowsU und Dominico Guidice, ingleichen
dem Dolmetscher Pietro Antonio Greppo jedem 200 Thaler von der Zeit, da
der Bau seinen Anfang nehmen wird, von denen darzu ausgesetzten Geldern,
zu ihrem jährlichen Gehalt, gegen Quittung zu reichen und in Rechnung
klafft dieses passirlich zu verschreiben u. s. w. Datum Dresden den 18. Sep
tember 1738. Augustus Rex. Graf von Brühl. Mentzel.“
Ein an den Cabinets-Minister Grafen von Friesen gleichzeitig erlassener
Befehl befiehlt diesem, dafür Sorge zu tragen, „damit Architecte Chiaveri an
sothanem Bau im geringsten nicht gehindert, vielmehr ihm hierunter nöthigen
falls alle assistenz geleistet werde“. Eine gleiche Anweisung erhielt das Ober
bauamt bezüglich der vorräthigen Baugeräthschaften, welche Chiaveri jedesmal
auf sein Verlangen „ohnweigerlich abgefolget und zum nöthigen Gebrauch über
lassen werden sollen“, während Graf von Friesen zugleich dafür aufzukommen
hat, dass zur Beschleunigung des Baues von der Garnison „ein Bataillon oder
soviel Mannschafft“ commandirt wird, „als ohne Versäumniss der Wach- und
andrer Dienste zu entrathen“ sind und „dass jedem Manne wenigstens ein
Groschen täglich zur Ergötzlichkeit über ihre ordentliche Löhnung gereicht
werde“; ausser ihnen sei auch eine Anzahl Baugefangener zur Arbeit heran
zuziehen.
Mit welchem Eifer der „gewisse Bau“*) sofort in Angriff genommen
wurde, bezeugen mehrere im Königl. Staatsarchive befindliche, „die Erbauung
einer neuen Kirche bey dem Königl. Schloss zu Dressden“, betr. Aktenstücke
der Geh. Cab.-Canzlei (ao. 1738 sq. Loc. No. 20. 774), aus denen jedoch nicht
zu ersehen ist, um welche Zeit der König Chiaveri mit der Anfertigung der
dazu nöthigen Pläne betraute. Wir wissen nur, dass Chiaveri, der sich des
höchsten Vertrauens Friedrich August III. seit längerer Zeit ei’freute und den
Aufbau des Katafalks für den in Warschau verstorbenen König Friedrich
August II. leitete, bereits am 22. September 1738 dem Gouverneur Grafen
von Friesen die sämmtlichen Pläne zu der katholischen Hofkirche vorlegte,
ein Beweis, dass der Bau der Kirche längst vorbereitet war und die obige
Verfügung erst erlassen wurde, nachdem die künstlerische Ausführung des
selben in aller Stille die Zustimmung des Königs erlangt hatte.
Aller Wahrscheinlichkeit nach fasste der König den Entschluss zum
Bau der Kirche schon vor dem Jahre 1736, denn seit dem 1. April desselben
Jahres bezieht, wie in den Rechnungen verzeichnet steht, Chiaveri bereits
seinen Gehalt als Leiter des „gewissen Baues“. Zum mindesten kann das
Jahr 1736 als dasjenige angesehen werden, in welchem der Bau definitiv be
schlossen und Chiaveri mit der Anfertigung der Pläne und des in einer
Tischlerrechnung vom November 1738 erwähnten „grossen Modells“ betraut
wurde.
Die zunächst vorzunehmenden Arbeiten bestanden in der Freilegung des
angewiesenen Bauplatzes zwischen dem alten Schlosse und der Elbe, zu welchem
Zwecke das Komödienhaus, die alte Münze mit dem Schmelzofen, die Galerie
wache und die das Elbufer schützenden Festungtwälle mit dem „Mond“ und
der „Katze“**) vom gegenwärtigen Hotel Bellevue bis zur Brühl’schen
Terrasse abgetragen und ein Bogen der Augustusbrücke zugeschüttet werden
*) Das Königl. Rescript, in welchem zuerst von der „neuen Kirche“ gesprochen wird,
wurde in Leipzig am 10. October 1743 erlassen.
**) So hiess ein über dem Elbthore erbautes Lusthaus.
1