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ins »Nichts« aufsteigende Treppe schön beschreibt, so machen die lyrischen
Valeurs dieser Schilderung das historische Aussagesubjekt dieses — eben
mitteilenwollenden — Briefschreibers gleichfalls nicht zu einem lyrischen.
Die Sprache steht auch hier im Dienste der informierenden Mitteilung.
Diese Feststellungen sind nun freilich Selbstverständlichkeiten; sie tragen
noch nichts zur Erkenntnis des lyrischen Ich und damit der lyrischen Dich
tungsgattung bei. Aber es gibt eine Erscheinung, bei der es nicht so selbst
verständlich und so leicht ersichtlich ist, wie es sich mit dem Aussagesubjekt
verhält. Die Gebets- und Gesangbücher weisen sie auf, was an einigen Bei
spielen veranschaulicht werden soll, die hergesetzt seien:
Nach dir, Herr verlanget mich.
Mein Gott, ich hoffe auf dich. Laß mich nicht zu Schanden werden, daß sich meine Feinde
nicht freuen über mich.
Wende dich zu mir und sei mir gnädig; denn ich bin einsam und elend.
Die Angst meines Herzens ist groß; führe mich aus meinen Nöten.
(25. Psalm, 1, 2, 16, 17)
Wie der Hirsch schreiet nach frischem Wasser, so schreiet meine Seele, Gott, zu dir.
Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann werde ich dahin kommen,
daß ich Gottes Angesicht schaue? (42. Psalm, 2, 3)
In allen meinen Taten
Laß ich den Höchsten raten,
Der alles kann und hat;
Er muß zu allen Dingen,
Soll’s andern wohl gelingen
Selbst geben guten Rat.
So sei nun, Seele, seine
Und traue dem alleine
Der dich geschaffen hat.
Es gehe wie es gehe,
Dein Vater in der Höhe
Weiß allen Sachen Rat.
(Paul Fleming, Gesangbuch für die evangelische Kirche in Württemberg, Nr. 324)
Wenn ich ihn nur habe
Wenn er mein nur ist,
Wenn mein Herz bis hin zum Grabe
Seine Treue nie vergißt;
Weiß ich nichts von Leide,
Fühle nichts als Andacht, Lieb’ und Freude.