Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1874)

der Wiener Ausstellung, daß hierin die deutsche Kunst die Eben 
bürtigkeit erreicht hat. 
So hoch diese Kunst sich entwickelte, so wenig wollte es der 
kleinen Broncewaaren-Jndustrie gelingen, eine höhere Entwicklung 
zu erreichen; nicht nur die Ausbildung des Geschmacks, sondern 
auch die erforderliche Technik, welche nach ihrem Untergange Zeit 
zur Erholung bedurfte, mußte sich fast ganz an Paris anlehnen. 
Um allmälig eine gewisse Selbstständigkeit zu gewinnen, war 
ein größerer allgemein verbreiteter Wohlstand nothwendig, den 
Handel und Industrie erst zu erwerben hatten. 
Dagegen wurde die Eisengießerei auf's Eifrigste gepflegt und 
entwickelte sich rasch über ganz Deutschland. Neben dem Nützlichen 
wurde besonderer Fleiß auch auf billige Darstellung der sogenann 
ten Eisenbijouterie und kleiner figürlicher Gegenstände verwendet, 
welche die theueren Broncen ersetzen mußten. Einzelne deutsche 
Firmen haben hierin Tüchtiges geleistet und verdient besonders die 
gräflich Wernigerode'sche Eisengießerei von Jlsenburg wegen der 
hohen Vollendung ihrer Arbeiten in der Specialität der Imitation 
antiker Gegenstände aller Art besondere Erwähnung. 
Die Zinkgießerei wurde ebenso fleißig, besonders in Berlin 
gepflegt, und führte zu bedeutenden Etablissements, welche in Wien 
auch ihre wohlverdiente Auszeichnung erhielten. 
Nebenher wurde zwar auch die Broncewaaren-Jndustrie 
besonders durch die Pflege der Lampenfabrikation in's Auge gefaßt, 
die sich durch die Einführung des Leuchtgases auf die Fabrikation 
von Lustres und verwandter Artikel warf. Ebenfalls von Berlin 
ausgehend führte sie zu bedeutenden Unternehmungen auch in Süd 
deutschland und es entstanden so das Mainzer Geschäft von Krause 
und das Augsburger von Ried in ger, welche Anfangs nach eng 
lischen und französischen Mustern arbeiteten, jetzt aber durch selbst 
ständige tüchtige Künstler eine größere künstlerische Vollendung ihrer 
Formen erzielen. 
Nicht ohne Erfolg treten Einzelne bereits mit Hebung der 
Broncewaarenfabrikation hervor und wird hierauf die Wiener Aus 
stellung von hohem Einfluß sein. 
Werfen wir schließlich noch einen Blick auf unser engeres 
Vaterland, dessen Industrie und Kunsterzeugnisse in der Aus 
stellung des deutschen Reichs einverleibt waren und in Vorstehendem 
nicht besonders erwähnt werden konnten. 
Die energische Entwicklung unserer Industrie hat kaum mehr 
als einen Zeitraum von 25 Jahren hinter sich. 
Was speciell die Gießerei-Industrie vor und in dieser Zeit 
leistete, gipfelt sich wohl in den Erzeugnissen des Königl. Hütten 
werks Wasseralfingen. 
Die ersten bedeutenderen Arbeiten bilden die beiden den hie 
sigen Schloßhofeingang zierenden Wappenthiere, welche nach den 
Modellen von Isvpi trefflich gegossen sind. 
Durch den genialen, aus Bruckmann's Atelier in Heilbronn 
hervorgegangenen späteren Professor am Königl. Polytechnikum, 
C. Weitbrecht, erhielt dann Wasseralfingen einen äußerst thäti 
gen Künstler, dem, wenn auch seine meisterhaften, figürlichen und 
ornamentalen, naturalistisch durchgeführten Arbeiten der neueren 
Kunstrichtung weichen mußten, das große Verdienst bleibt, die 
künstlerische Ausstattung der Gießereierzeugnisse in der bedeutendsten 
Weise gefördert zu haben. 
Durch das Relief „die vier Jahreszeiten" in dem 
großen Saale des K. Landhauses Rosenstein bleibt sein Name der 
Nachwelt erhalten. 
Unter seinem Schüler Christian Plock und seinem Nach 
folger am Polytechnikum Professor Mauch bildete sich eine tüchtige 
Modellirschule, welche besonders auch durch die bedeutenden Auf 
träge Sr. Maj. des Königs Wilhelm für die Wilhelma und 
des damaligen Kronprinzen für die Villa und deren Baumeister 
Zanth und Leins mächtig gefördert wurde. 
Zu gleicher Zeit gab die Ausführung der Broncegüsse für 
die Jubiläumssäule Veranlassung, auch diesen Zweig der Kunst 
industrie zu pflegen, welches Feld aber bald den größeren An 
forderungen an die Eisenindustrie weichen mußte. 
In größeren Zink- und Broncegußarbeiten, wenn auch in 
wenig ausgedehnter Weise, hat sich W. Pelargus in Stuttgart 
einen guten Namen erworben. 
Von allen Seiten angeregt entwickelte sich zu gleicher Zeit 
in der alten Goldschmiedestadt Gmünd ebenfalls ein reges Streben 
nach höherer Ausbildung ihrer Erzeugnisse, und trug hiezu die 
von Erhard und Söhne in's Leben gerufene Bronce- und Sil- 
berwaarenindustrie, in Verbindung mit auf galvanoplastischem Wege 
erzeugten Kunstgegenstünl»-, welche auch die vollste Anerkennung in 
Wien erhielten, außerordentlich viel bei. Das Bedürfniß tüchtiger 
Arbeiter führte in neuester Zeit zur Errichtung einer Modelleur-, 
Ciseleur- und Graveurschule, die bereits fleißig besucht, die gün 
stigsten Erfolge verspricht. 
Im Allgemeinen war für die Hebung unserer ganzen vater 
ländischen Industrie die Errichtung der K. Centralstelle für, Ge 
werbe und Handel in den Jahren 1848/49 vom höchsten Werthe, 
wie sie auch mit Hülfe der Fortbildungsschulen auf's Günstigste 
den kunstindustriellen Bestrebungen leitend und fördernd zur Seite 
stand. 
Zur Ausbildung technisch und künstlerisch erzogener Schüler 
wird die mit dem K. Polytechnikum seit einigen Jahren verbun 
dene „Kunstgewerbeschule" gewiß wesentlich beitragen, und bliebe 
nur noch ein Wunsch unerfüllt, durch die Bildung eines Kunst 
gewerbe-Museums dem Studium musterhafte Originale an die 
Hand zu geben. 
Indem ich diese, leider etwas zu dürftig gehaltene Umschau 
auf der Wiener Weltausstellung und im engern Vaterlande schließe, 
kehre ich zu der Ihnen vorliegenden Sammlung meiner eigenen 
Fabrikate zurück. 
Nur durch Ihre thatkräftige Unterstützung wird es mir mög 
lich gemacht werden, diesen bei uns noch neuen Zweig der Kunst 
industrie in der begonnenen Weise fortzuführen und lebensfähig 
zu gestalten. 
Wollen Sie mir hiezu Ihre Mitwirkung nicht versagen.
	        
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