Exkursion nach Kloster Lorch und Schwäbisch-Gmünd
am 29. Juni 1874.
Auf einen schauerlichen Regensonntag folgte der ebenso reg
nerische Montag (Peter und Paul) der 29. Juni und dennoch
trafen von 17 hiesigen für die Betheiligung unterzeichneten Mit
gliedern 9 auf dem Bahnhof Vormittags 10 Uhr ein, von denen
6 sich trotz strömenden Regens uud anschwellenden Flüssen sich auf
das Sprüchwort: „Auf Regen folgt Sonnenschein" verlassend, zur
Abfahrt entschlossen, weitere 3 sagten ein Nachkommen mit näch
stem Zuge zu.
In ©anstatt kam ein Eßlinger Mitglied dazu und in Lorch
wurden wir bei Regenguß von den Gmünder Kollegen, den
Herren Diesch und Dillenius, sowie von dem Stadtschult
heißen Kohn von Gm.md empfangen. Nach eingenommenem
Gabelfrühstück stiegen wir trotz Regen in einer wahren Wasser
straße hinauf zu dem auf dem Liebfrauenberge stehenden früheren
Benediktiner-Kloster. Der Weg dahin bietet ein prächtiges land
schaftliches Bild, des zwar nicht günstig beleuchtet, dagegen durch
die überfluthende Rems und die massenhaft zuströmenden Wasser
interessant war. Oben angekommen begrüßt den Besucher vor der
Klostermauer eine große alte ehrwürdige Linde, die — durch das
hohe Alter in ihrer Zweitheiligkeit gebrechlich — mit Holzzangen
zusammengehalten und ihre hohlen Theile voriges Jahr zu ihrer
weiteren Erhaltung mit Cement ausgegossen wurde.
Das Kloster — an Stelle eines Schlosses der Edeln von
Wäschenbeuren — zugleich als Grabstätte der Hohenstaufen be
rühmt, wurde von dem Hohenstaufen Friedrich I. Herzog von
Schwaben und Gemahl der Kaisertochter Agnes im Jahre 1102
gestiftet und unter den nachherigen Kaisern zu großer Macht ge
bracht, bis es gegen das 14. Jahrhundert in Noth gerieth, im
Bauernkriege 1824 stark mitgenommen, von 1556 an bald von
protestantischen bald von katholischen Achten regiert, 1727 aber
als solches aufgelöst wurde.
„Nach einer Mittheilung des Landes-Conservators vr. Pau
lus hat sich von der ursprünglichen, in den Beginn des zwölften
Jahrhunderts fallenden Anlage der Klosterkirche viel mehr er
halten, als man beim ersten Blick erkennt. Es steht nämlich noch
die ganze frühromanische Kirche, mit Ausnahme des östlichen (jetzt
spätgothischen) Abschlusses; sie bildet eine dreischiffige gegen Osten
mit breitem Querschiff versehene Pfeilerbasilika, deren kleine Rund
bogenfenster am Oberschiff noch alle, an den Seitenschiffen zwischen
großen spätgothischen Spitzbogenfenstern noch zum Theil sich erhal
ten haben, während im Innern die zumeist ihrer schlichten Käm
pfergesimse beraubten und mit dicker Tünche bedeckten Arkadenpfei
ler, die an ihrer inneren Seite jetzt die bekannten Hohmstaufen-
bilder tragen, ihr hohes Alter kaum mehr ahnen lasten. Im Westen
der Kirche erhebt sich ferner, ähnlich wie in den uralten sächsischen
Kirchen, ein hoher Vorbau, ein sog. Westbau, und an dessen Süd
seite steht der schon viel besprochene, innen mit herrlicher Wendel
treppe aufgebaute runde Thurm, wegen seiner vortrefflichen Aus-
führui g lange Zeit für einen Römerthurm gehalten. Mit Unrecht
wohl aber ist über dem Westeingang der Kirche ein großer echt
römischer Architrav eingemauert; — der runde Thurm jedoch ist
nichts anderes, als einer jener flankirenden Treppenthürme, wie sie,
immer zu zwei, an bedeutenden frühromanischen Kirchen nicht selten
vorkommen. Es lag daher die Vermuthung sehr nahe, daß an
der Nordwestecke der Lorcher Kirche sich einst ebenfalls ein dem
noch stehenden Südthurm entsprechender runder Thurm erhoben
habe, außerdem ist urkundlich bezeugt, daß ein zweiter Seitenthurm
vorhanden, aber schon im Jahre 1488 zerstört gewesen sei. Die
jüngsten Nachgrabungen haben nun die gegen Osten gekehrten Fun
damente des zweiten runden Thurmes sammt dem Fundament des
Treppenantritts, und zwar von denselben Maßen wie der südliche
Thurm, zu Tage gefördert und hiedurch wichtige Anhaltspunkte
für eine künftige Restauration geboten. Heutzutage ist nämsich
über den hohen Westbau und den oben zertrümmerten südlichen
Thurm quer herüber ein großes Dach gelegt, was der ganzen
Westfront der Kirche das Aussehen einer Scheune gibt, wogegen
durch eine Wiederherstellung der Fayade in ihrer ursprünglichen
Gestalt, mit hohem, von einer Rundbogenarkatur belebtem Mittel
bau, gefaßt von zwei runden Flankenthürmen, ein die ganze so
reizende Gegend schmückendes Bauwerk entstünde.
Außerdem ergaben die Nachgrabungen die aus schönen Sand
steinquadern errichteten Grundmauern einer Vorhalle (narthex),
die sich in gleicher Breite mit der 63 Württembergische Fuß breiten
Kirche und in einer Tiefe von 44 württemb. F. vor die Westfront
der Kirche legte.
Hundert Jahre etwa nach der Gründung der Lorcher Kirche,
nachdem die Hohenstaufen längst Kaiser geworden waren, mochten
die einfachen Formen der alten Basilika für eine so erlauchte
Grabstätte nicht mehr genügen, — damals wurden in der Kreu
zung zwischen dem Haupt- und dem Querschiff vier mächtige Bün
delpfeiler eingesetzt, die mit phantastischen spätromanischen Löwen-
und Drachen-Kapitelen bekrönt sind und schon öfter für das älteste
der ganzen Kirche erklärt wurden. In gewaltiger Masse über die
schwächeren Pfeiler der alten flachgedeckten Basilika hergedrängt,
trugen sie wohl einst einen Kuppelthurm, jetzt tragen sie eine
schöne spätgothische Sterngewölbekuppel. Der Thurm ist verschwun
den, aber urkundlich läßt Abt Nikolaus Schenk von Arberg (1460
—1477) die umgegossenen Glocken »in majori turre Chori« auf
hängen.
Ganz gleichzeitig mit diesen prächtigen spätromanischen Vie
rungspfeilern wurde an der Westseite der aus großen Sandstein
quadern aufgeführten Klostermauer, genau in der Mittelaxe der
Klosterkirche, ein großes Rundbogenportal in ähnlichem prächtigem