Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1874)

Beilage 1. 
zur Exkursion nach Schwäbisch Gmünd. 
so 
kWk geschichtliche llotip W WllmKim 
der 
h. Kreuzkirche, jetzt Stadttzfurrkirchc. sowie der Iahanniskirchc 
beide zu Schwäbisch Gmünd. 
Mitgetheilt von Zerrn Kaplan Mtzer daselbst. 
1) Zur Restauration der hl. Kreuzkirche. 
Die ersten Anfänge der Restauration am Aeußeren der h. 
Kreuz- oder Stadtpfarrkirche zu Gmünd fallen in die bewegten 
Tage des Frühjahres 1848. Dieselbe in die Hand zu nehmen 
und zu leiten wurde Ferdinand Rieß, ein geborner Gmünder, 
dazumal Bildhauer in München von den bürgerlichen Kollegien 
berufen. Rieß ist gestorben den 11. Juni 1871. 
Den 16. August 1851 feierte die Kirche das 500jährige 
Jubiläum der Grundsteinlegung. Dieser Tag gab Veranlassung, 
auch dem durch vielartige fremde Zuthaten entstellten Innern der 
Kirche einige Aufmerksamkeit zu schenken. Am meisten beleidigte 
das Auge des Beschauers die weißquadrirte Ockertünche der herr 
lichen Hallen. Daß dieselbe nicht mit einer anderen Farbe über 
zogen, sondern abgerieben und auf diese Weise den Säulen und 
Wandflächen der Naturton des Bausteines, Keupers, gegeben wurde, 
dieses Verdienst gebührt Herrn Hofmaler v. Gegenbaur. „Ihr 
wollet malen", sprach er beim Anblick der bereits angebrachten 
Farbenscizze, „wenn ihr malen wollet, meinen Namen dürft ihr 
nicht nennen". Dieses Wort fand die ihm gebührende Beachtung. 
Ohne die Zustimmung dieses „Farbenmeisters" sollte auch nicht 
gemalt werden. Aus Dankbarkeit aber sei sein hochverehrter Name 
auch hier verzeichnet! 
Aus Dankbarkeit sei aber auch der Name der Herren Ge 
brüder Josef und Rupert Walter genannt, welche die ersten 
waren, welche zum Beginn des Werkes edelmüthig die Hand boten. 
Statt eines größeren Monumentes auf dem Grabe ihrer verstor 
benen Frau Mutter selig erboten sie sich nemlich einen Altar und 
zwar den Hochaltar auf ihre Kosten erbauen zu lassen. 
Dieß war eigentlich der erste Baustein zur projektirten Wie 
derherstellung des so herrlichen Gotteshauses; an ihn reihten sich 
die vielen andern, kleinern und größern alsbald an. Wie die Lei 
tung der Restauration am Aeußern, so wurde auch die im Innern 
dem Bildhauer Rieß übertragen. Zu diesem Zwecke wußte sich 
letzterer mit drei jungen Kräften zu unterstützen: 1) Josef 
Marggraff, jetzt noch lebend in München, als Zeichner; 
2) Pauly, ein geborner Tyroler, aus der Schule Sickingers, 
in München am Typhus gestorben, und 3) Carl Fl ein er aus 
Neckarsulm als Vergolder und Faßmaler, gestorben in Gmünd 
28. April 1861. 
Sämmtliche alte Altäre, neunzehn an der Zahl, wurden ent 
fernt. Alles was bei Aufhebung der sechs Klöster in der Stadt 
nicht in Privathände gelangte, besonders alles, was auf Kunst- 
und Geschichtswerth keinen Anspruch hatte, scheint in den herr 
lichen Räumen dieses prachtvollen Gotteshauses untergebracht wor 
den zu sein. Unter dem bunten Durcheinander befanden sich aller 
dings auch einige nette sog. Zopfaltäre, welche als Produkte ihrer 
Zeit noch einige historische Berechtigung hatten. Allein nicht aus 
unklarem, puristischem Eifer fanden sie keine Schonung, sondern 
weil sie durch ihre Situation der Schönheit der Kirche Eintrag 
thaten. 
Der Flur des Chorumgangs war nemlich, um dem Niveau 
des Bodens außerhalb der Kirche gleich zu liegen, mit mehreren 
hundert Wagen Flußsand aus- und aufgefüllt, so daß die fest- 
basirten Füße der Säulen und die so reich profilirten Sockel der 
Wandpfeiler im fußtiefen Sand standen, resp. unsichtbar waren. 
Durch diese unnatürliche Erhöhung des Flures waren die Altäre 
in ihrer Situation nothwendigerweise so in die Höhe geschoben, 
daß das Suppedaneum mit seinen drei Treppen schon höher stand, 
als jetzt die Platte der Mensa. Diese bis an das Gewölbe der 
Kapellen reichende Zopfaltäre waren aber überdieß nicht flach an 
die Waudfläche angelehnt, sondern zwischen diese und die Fenster 
mit ihren zierlichen Maßwerken sozusagen über Eck gestellt, so daß 
sie bis zu einem Drittheil die Schönheit der Fenster verdeckten. 
Dieß hat ihrer „historischen Berechtigung" den Nacken gebrochen 
und war sonach ihre Entfernung gewiß eine berechtigte. Das von 
1550 stammende Chorgestühl mit seinen zwölf Aposteln und zwölf 
Propheten und deren nach Innen und Außen schauenden höchst 
originellen Doppelgesichtern, die Kanzel mit ihrem unschönen, aber 
praktischen Schalldeckel, sowie mit ihren in der Linear- und Lust 
perspektive sich bewegenden, jedenfalls eine fremde Hand verrathen 
den Ietarsien, die Empore mit ihren aus gewaltigen Eichklötzen 
geschnitzten Atlanten und der von 1688 stammenden Orgel, in 
Nördlingen gefertigt, — sie wurden nicht Fingers breit verrückt 
und wenn sie dürfen an ihrer Stelle bleiben, bis unsere Technik 
und Kunst sie wird übertroffen haben, dann haben sie wohl noch 
Hoffnung auf manch' Neujahr! 
In früheren Zeiten konnte man öfters hören und auch lesen: 
Der Erbauer des Mailänder Domes und der Gmünder Kreuzkirche j
	        
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