Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1876)

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Als Material für Abtrittsschläucye werden der Reihe nach 
aufgeführt: 
1) Thonröhren 
a. nur innen glasirt, 
b. beiderseits glasirt, 
2) Steingutröhren (vom Rhein, Nassau), 
3) Gußeisen, 
4) Asphalt. 
Referent citirt hier eine Mittheilung aus Nr. 104 des 
Jahrgangs der deutschen Bauzeitung von 1875, wonach, wie es 
scheint, in Berlin, oder überhaupt im Norden von Deutschland, 
am häufigsten Gußeisen, aber auch Kupfer und Blei verwendet 
werden. Gußeiserne Schläuche werden dort warm getheert mit 
einer Mischung von 2 / 3 Steinkohlentheer mit ‘/ 3 Asphalt. 
ad la. ist zu bemerken, daß solche nicht empfehlenswcrth 
sind, weil man gefunden hat, daß sie nicht dicht genug sind 
und auf der unglasirten Seite sich Salpeter bildet; ad 1 b. ist 
bei guter Qualität nur das einzuwenden, daß diese Masse sehr 
spröd ist und deshalb, namentlich bei Senkungen des betreffenden 
Gebäudes und insbesondere beim etwaigen Einfrieren selbst ein 
Springen oder Bersten zu gewärtigen ist. Noch mehr ist dieses 
zu befürchten bei 2) weil dieses Material Wohl noch spröder 
ist, obwohl es an Dauer und Undurchdringlichkeit nichts zu 
wünschen übrig läßt, ad 3 lehrt die Erfahrung, daß gußeiserne 
Röhren auch nicht dicht genug sind, selbst wenn sie getheert oder so 
gar emaillirt waren, sondern daß sie stark rosten und daun na 
mentlich auch sehr viel üblen Geruch verbreiten; dagegen haben 
sich Asphaltröhren, die hier von den Herren v. Seeg er und 
Duvernoy fabrizirt werden, und jetzt fast ganz allgemein in 
Aufnahme gekommen sind, in all den genannten Beziehungen 
als das beste Material erwiesen. Zudem haben sie auch den 
Vorzug der größeren Billigkeit, denn sowohl gußeiserne als 
thönerne — beiderseits glasirte — als auch diejenigen von 
Steingut kommen höher zu stehen. (Asphaltschläuche von 
29 ew. Lichtwcite kommen dermalen pro lausenden Meter auf 
M. 8. 50 und 1 Stock einzusetzen sammt Rohrschellen durch 
schnittlich aus di 5. 70 hier zu stehen.) 
Schließlich citirt und bespricht Referent noch Dasjenige, 
was das hiesige Ortsbaustatut Einschlägiges auf Tröge, 
Schläuche und Ventilation enthält. 
Bei eröffneter Debatte schildert zunächst Herr Baurath 
Bok, daß er den oben erwähnten Wintervcrschluß nach außen 
nicht für genügend halte, sondern daß er statt jenes Bretter 
kastens eine Anschüttung von Stroh oder Pferdedünger über 
dem äußern Theil des Troges für nöthig erachte, von solcher 
Ausdehnung, daß sie die Grube nicht nur ringsum, sondern 
auch nach der Höhe um 1 Meter überrage. Ferner empfiehlt 
er im Winter ein sorgfältiges Schließen der Abtrittssenstcr bei 
Tag und namentlich bei Nacht, ein Oeffnen dagegen der Ab 
trittsthüren bei Nacht, um Wärme aus Gang oder Oehren in 
die Abtritte gelangen zu lassen, und insbesondere verlangt er 
ein häufiges Eingicßen von heißem Wasser in die Gruben durch 
die Sitze. Betreffend diesen Wintervcrschluß wird erwidert, 
daß dieser doch in manchen Fällen oder vielmehr an manchen 
Orten, z. B. in sonst reinlichem Hof, gar zu unschön sein 
möchte und in Betreff seiner andern Präservativen gegen Ein 
frieren, daß diese Dinge theils ihr Anstößiges haben, theils 
kaum durchzuführen sein möchten. 
Herr Stotz will mit emaillirten eisernen Schläuchen, sowie 
auch mit oben gedachten eisernen Schüsseln gute Erfahrungen 
gemacht haben, oder wenigstens doch, so lange er diese Gegen 
stände selbst in Wasseralfingen producirtc, dafür eingenommen 
gewesen sein! 
Herr Ingenieur Wolf macht daraus aufmerksam, daß 
häufiges Desinficiren mit Eisenvitriol neben dem Hauptzweck 
auch noch den Vortheil biete, daß auf chemischem Wege Wärme 
entwickelt und dem Kloakeninhalt zugeführt werde. Dies be 
streitet indessen Herr Pros. Teich mann, indem er darauf 
hinweist, daß im Gegentheil eher Wärme gebunden, also Ab 
kühlung erzeugt werde, daß dagegen der Salzgehalt an und für 
sich ein Einfrieren des Kloakeninhalts verhindern könne, da no 
torisch Salzwasser erst bei niederer Temparatur gefriere, als die 
meisten übrigen in die Kloake gelangenden Stoffe. 
Herr Oberbaurath v. Binder weist auf eine in Frank 
furt übliche Einrichtung hin, welche gegen Einfrieren von Kloaken 
zugleich wirksam sein werde. Man Pflege nämlich dort die 
äußeren Abtrittswände soviel gegen innen zurückzusetzen, daß 
eine Art von Lichthof entstehe; cs geschehe dies zwar haupt 
sächlich, um den Abtritt nach außen nicht zur Anschauung zu 
bringen, aber es werde dies zugleich auch ein Schutz gegen 
Einwirkung der äußern Temperatur sein. Dagegen wurde in 
dessen eingewendet, baß, wenn besagter Lichthof oben offen ge 
lassen wird, die Kälte doch auch eindringt, und daß bei hohen 
Häusern es in demselben an Licht und Luft fehlen dürste. 
Gegen die Vorzüglichkeit und das Empfchlenswerthe der 
Asphaltschläuche wird schließlich eine Einwendung nicht erhoben. 
Der Vorstand, nachdem er dem Herrn Referenten den Dank 
des Vereins dargebracht, schließt nach 10 Uhr die Versammlung. 
Weftchtigrmg der Iohanneskirche rmd des Aestsaals der 
Liederhalke in Stuttgart. 
Sonntag, den 23. April 1876. 
Welch lebhaftes Interesse der Verein den Schöpfungen 
seiner Mitglieder zuwendet, davon gab die überaus zahlreiche 
Gesellschaft (Herren mit Damen), welche heute Nachmittag um 
5 Uhr sich versammelte, um unter Führung des Herrn Ober 
baurath v. Leins, zuerst die Iohanneskirche und hernach den 
Festsaal der Liederhalle zu besichtigen, ein deutliches Bild. 
Hatten wir bei unserem letzten Besuche, im Nov. 1874 
Gelegenheit, das im Rohbau nahezu vollendete Kirchengebäude 
nebst Thurm, eingehend zu betrachten und zu bewundern (vcrgl. 
Vereinsprotokolle von demselben Jahr), so durften wir heute 
der inneren Ausstattung, die nunmehr so weit vollendet ist, 
daß die Weihung der Kirche aus nächsten Sonntag festgesetzt 
werden konnte, unsere Aufmerksamkeit schenken. 
Vor dem Eintreten in die Kirche wurden die Thüren mit 
ihren von Eichberger & Comp, dahier, in meisterhafter Weise 
ausgeführten Beschlägen, besonderer Beachtung gewürdigt. 
Im Innern waren cs zunächst die einfachen, aber überaus 
wirkungsvollen in Cathcdralglas ausgeführten Teppichfenster, 
die uns mit ihrer Farbenpracht entgegenlcuchtetcn, ferner die 
Bemalung der Wölbungen, namentlich des Chors, sowie die 
reiche mit bunten Marmorsäulen geschmückte Kanzel und der 
zierliche in Eichenholz geschnitzte Schalldeckel, welche uns in 
hohem Grade intcressirten und erfreuten. 
Nicht minder wurden wir von der übrigen Ausstattung, 
den mit Mettlacher Plättchen belegten Fußböden in Schiff und 
Chor, der Stuhlung, Bcleuchtungseinrichtung re., die alle in 
eingehendster Weise betrachtet wurden, überrascht. 
Obgleich der letzte Nagel noch nicht geschlagen, Altar und 
Taufstein noch nicht an ihrem Platze, auch die Orgel noch nicht 
ganz ausgestellt war, so machte doch das Gesammtbild des 
Innern, auf welchem die Blicke der Besucher mit Bewunderung 
hasteten, den Eindruck einer harmonischen Zusammenwirkung und 
den einer zweckmäßigen Anordnung. — 
Die feierlich ernste Stimmung, die allenthalben hervor 
gerufen, wurde beim Zusammcnläutcn der prächtigen Glocken 
noch erhöht, und man mußte fiel) gestehen, daß cs dem genialen 
Baumeister bei der Lösung seiner großen Ausgabe vollkommen 
gelungen, nicht nur ein zweckmäßiges Gebäude zur Versammlung 
der Gläubigen geschaffen zu haben, sondern daß er auch der 
weiteren Anforderung — durch die Sinne auf die Einbildungs 
kraft der Zuhörer zu wirken — in hohem Maße gerecht ge 
worden ist. — 
Eine Besteigung des Thurms zu Besichtigung des schmied 
eisernen Glockcnstuhls, sowie der nach Rckter'schem System aus 
gehängten Glocken konnte wegen des frischen Anstrichs auf 
j Geländer und Thüren leider nicht ausgeführt werden.
	        

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