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Nach etwa 1'/- stündigem Aufenthalt in der Johannes-
kirche begab sich die Gesellschaft in die Liederhalle, um unter
der gleichen Führung den vor ca. einem halben Jahr eröffneten
Festsaal dieses Gebäudes einzusehen.
Es ist bekannt, welch großen Ruhmes sich dieser Saal,
nicht allein wegen seiner Größe, Schönheit und Zweckmäßigkeit,
sondern namentlich auch wegen seiner glücklichen Akustik, sowohl
von Seiten seines Besitzers, dem Liederkranz, als auch von allen
denen, die ihn näher kennen gelernt haben, zu erfreuen hatte.
Aber auch die heutigen Besucher und strengeren Richter,
welche ihn zum ersten Mal betraten, wurden bei dessen Anblick
— im Gegensatz zu der kurz vorausgegangenen ernsten kirch
lichen Stimmung, in eine festlich gehobene versetzt und von
freudigen Gefühlen durchdrungen.
Der Saal ist in die Formen der Renaissance gekleidet,
und gehört unter die größten der zu ähnlichen Zwecken errich
teten Räume in Deutschland. Seine Grundform bildet ein
längliches Rechteck mit einer gerade abgeschlossenen Nische an
der Schmalseite; er ist 60 Meter lang, 22 Meter breit, 13
Meter hoch und hat eine Grundfläche von 1320 □ Meter.
Längs den Umfassungswänden zieht sich eine Galerie hin, welche
auf Pfeilern ruht, die durch Segmentbögen mit einander ver
bunden sind. Den unteren Pfeilern entsprechen auf der Galerie
corinthische Säulen mit Kämpfergesims, welche durch Rund
bögen mit einander verbunden, das reich gegliederte Haupt
gesims tragen.
Die Decke des Saals ist horizontal, dabei sind die zur
Dachkonstruktion nöthig gewordenen, nach unten stark vortretenden
Durchzüge als Dekorationsmittel benützt, und damit die ganze
Decke in längliche Hauptfelder getheilt.
Seine Erhellung erhält derselbe durch Fenster in den Lang
wänden, sowie durch die großen Bogenöffnungen von der Saal
nische her.
Bei der coloristischen Ausstattung ist ein gelbbrauner
Grundton vorherrschend, der unten tief, nach oben in ein ge
brochenes warmes Gelb übergeht, das an den Decken durch
kältere Farben gedämpft und mit dem sparsam verwendeten
aber gut vertheilten Gold einen ganz belebenden wohlthuenden
Eindruck hervorbringt.
Während diesen hier in flüchtigen Umrissen angeführten
Betrachtungen ist es so nach und nach dunkel geworden, und
der größere Theil der Mitglieder findet sich in einem der an
den Festsaal angrenzenden Nebensäle zu geselliger Unterhaltung
bei einem Glase guten Bier ein, wobei der Vereinsvorstand,
Herr Oberbaurath v. Schlicrholz dem heutigen Führer und
Meister durch seine beiden so grundverschiedenen und doch in
allen Theilen so trefflich gelungenen Schöpfungen — dem Herrn
Oberbaurath v. Leins — in warmen und beredten Worten den
Dank der Versammlung für den genußreichen Nachmittag aus
sprach. Der herzlichen Erwiederung mit einem Hoch auf den
Verein, folgten abwechslungsweise mit Solo- und Chorgesang,
noch verschiedene andere Toaste, welche die Mitglieder in der
freudigsten Stimmung bis in die späteste Abendstunde bei
sammenhielten. Saut er.
Neunte ordentliche Versammlung vom 6. Mai 1876.
Vorsitzende: Oberbaurath v. Egle und v. Schlierholz.
Schriftführer: sin Vertretung) Bauinspector Rheiuhard.
Anwesend 23 Mitglieder.
In dienstlicher Abwesenheit des Vorstands funktionirt als
solcher Herr Oberbaurath v. Egle.
Das Protokoll über die letzte Sitzung wird verlesen und
angenommen.
Bauinspcctor Prcu von Leutkirch verliest eine Zuschrift
des Abgeordneten Dentler von Tettnang betr. die Pensions
verhältnisse der Staatstcchniker, wonach die Commission der
Kanimer der Abgeordneten sich damit einverstanden erklärt hat,
bei der bevorstehenden Berathung des Gesetzes über die dienst
lichen Verhältnisse der Staatsbeamten, einen Zusatzartikel zu
diesem Gesetz zur Annahme zu empfehlen, wonach diejenigen im
Staatsdienst stehenden Techniker, welche die beiden Staatsdienst-
prüfungen erstanden haben und vom 25. Jahr ab als Bau
führer und dergl. bei Staatsbauten verwendet wurden, berechtigt
sein sollen ihre Dicnstjahre von dem gedachten Zeitpunkt an zu
zählen.
Indeß haben die gesetzgebenden Factoren auch unsere Bitte
ins Gesetz vom 28. Juni 1876 aufgenommen und berücksichtigt.
Der Vorstand, Oberbaurath v. Schlier holz erscheint
und übernimmt den Vorsitz.
Ingenieur Baumeister Glock er von Stuttgart, sowie
Straßenbauinspcctor Förster in Ehingen, der erstere von Bau
inspcctor Knoll, der letztere von Oberbaurath v. Schlierholz
zur Aufnahme in den Verein vorgeschlagen, werden ersterer als
ortsanwesendes, letzterer als ortsabwesendes Mitglied des Ver
eins durch Abstimmung aufgenommen.
Hierauf verliest Baurath Professor v. Hünel das Referat
der zur Begutachtung über die von dem Jngenieurverein vom
Niederrhein und Westfalen gestellten Frage über die Bestimmung
der Minimalstärke von Brückenpfeilern eingesetzten Commission,
bestehend aus den Herren Oberbaurath Binder, Prof. Laißle,
Bauinspector Knoll und dem Referenten.
Nach einer längeren Discussion, namentlich über die
Wirkungen der Temperatur-Ausdehnung der eisernen Brücken,
werden die in dem gedachten Referat, welches in Beilage bei
gefügt ist, niedergelegten Ansichten von den anwesenden Mitgliedern
einstimmig gutgeheißen und wird dem Referenten wie den
übrigen Commissionsmitgliedern für ihren, den fraglichen Gegen
stand allseitig gründlich beleuchtenden Vortrag der Dank der
Versammlung ausgesprochen vid. Protokoll der zehnten Ver
sammlung.
Mit einer Besprechung über den beabsichtigten Frühlings-
Ausflug auf die Solitude, für welchen der 28. Mai in Vor
schlag gebracht wird, schließt die Sitzung.
Zehnte ordentliche Versammlung vom 20. Mai 1876.
Vorsitzender: Oberbaurach v. Schlierholz.
Schrififührer: Bauinspektor Knoll.
Anwesend 18 Mitglieder.
Der Vorsitzende begrüßt als neues Mitglied Herrn Bau
meister Glocker und macht dann folgende geschäftliche Mit
theilungen:
1) Von dem Verein für Niederrhein und Westphalen ist
dem hiesigen Verein eines seiner intereffanten Hefte zum
Geschenk gemacht worden, dasselbe wird unter den Mitgliedern
in Circulation gesetzt werden.
2) Die Verhandlungen mit der Museumsgesellschaft wegen
Ueberlassung eines geeigneten Lokales für die Versammlungen
des Bauvereines sind zu einem günstigen Abschluß gebracht,
so daß die Sitzungen des Vereins vom 1. Oktober an im
Museum stattfinden können.
3) Die diesjährige Versammlung des Verbandes deutscher
Architekten- und Jngenieurvereine wird neueren Mittheilungen
zufolge in der ersten Hälfte des Monats September stattfinden.
4) Herr Architekt Erath von Eßlingen ist nach Essen
übergesiedelt, bleibt aber Mitglied des Vereins.
Sodann wird in die Berathung über die im kommenden
Sommer auszuführenden Exkursionen eingetreten und auf den
Antrag des Vorsitzenden beschlossen mit Rücksicht auf die Mün
chener Versammlung nur eine Exkursion vorzunehmen. Nach
längerer Debatte wird die Dauer des Ausflugs auf 1'/, Tage
und von den verschiedenen in Vorschlag gebrachten Touren
nach Hall und Comburg, Weingarten und Schussenried, Bruch
sal und Maulbronn, die letztere zur Ausführung bestimmt.
Zur Vornahme der erforderlichen Vorbereitungen wird ein
Comite, bestehend aus den Herren v. Egle, v. Landauer
und Binder, gewählt.
Das Protokoll über die letzte Sitzung wird verlesen und
angenommen.
Herr v. Hänel trägt einen Nachtrag zu dem Referat
über die Stärke der Brückenpfeiler vor, wonach von Herrn