Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1876)

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Knoll einige Ergänzungen in Betreff der Berücksichtigung 
der Horizontalkräfte, insbesondere bei höheren Pfeilern bean 
tragt worden sind. Der Verein erklärt sich mit diesen Nach 
trägen einverstanden und ist das Referat, welches dem auf 
der Generalversammlung referirenden Architekten- und Jn- 
genieurverein zu Straßburg mitgetheilt werden wird, in Beil. 2 
enthalten. 
Herr Baurath Wolfs referirt Namens der hiezu auf 
gestellten Kommission über die Fortschritte der Ziegelfabrikation 
und des Rohbaues in Württemberg. Hieran knüpft sich 
eine längere Debatte, bei welcher sich vorzugsweise die Herrn 
v. Egle, v. Schlierholz, Bok und Rheinhard bethei 
ligten, und es wird sodann beschlossen in dem Referat zwar 
die Fortschritte der Ziegelfabrikation — namentlich in Ober 
schwaben — zu betonen, den betreffenden Passus aber dahin 
abzuändern, daß die Verwendung des Thons zur Nachahmung 
von Formen, welche sich naturgemäß nur für Hausteine eignen, 
nicht als Fortschritt dargestellt erscheinen könne, was nach der 
Erklärung des Herrn Bok auch keineswegs die Absicht der 
Kommission war. Der Vorsitzende erkundigt sich nach den mit 
inländischen Falzziegeln gemachten Erfahrungen, worauf Herr 
v. Landauer ganz günstige Resultate mit Falzziegeln aus 
der Fabrik von Mack in Schrozberg mittheilt, wogegen Herr 
Köhler weniger günstige Erfahrungen gemacht hat, während 
Herr Bok der Ansicht ist, daß der nicht unerhebliche Absatz 
der Bihl'schen Fabrik in Waiblingen jedenfalls als ein gün 
stiges Zeugniß für die Falzziegel zu betrachten sei, übrigens 
sei es nothwendig, bei Anwendung derselben Kehlen und Gräte 
möglichst zu vermeiden. Herr Silber geht zur Backstein 
fabrikation im Allgemeinen über und ist der Ansicht, daß 
durch die Maschinenziegelei zwar ein schöneres Aussehen aber 
keineswegs eine bessere Beschaffenheit der Backsteine erzielt 
werde und, daß die früheren Handziegel wesentlich besser ge 
wesen seien. 
Bei der folgenden längeren Diskussion kommt schließlich 
die Ansicht zur Geltung, daß durch die Einführuug der 
Maschinenziegelei zwar die Produktion erheblich größerer 
Quantitäten möglich geworden sei, daß aber die Qualität sich 
im großen Ganzen nicht wesentlich gehoben habe. 
Das rectificirte Referat findet sich Beil. 3. 
Herr Köhler bringt zur Sprache, daß an der Berliner 
Versammlung des Verbands außer den Vereinsmitgliedern 
eine größere Zahl von Gäste, darunter auch Württemberger, 
Theil genommen habe, welche hiezu offenbar gar nicht berechtigt 
gewesen seien. Der Vorsitzende bestätigt dies und erklärt, daß 
der hiesige Verein von seinem Einführungsrechte nur einen 
ganz beschränkten Gebrauch gemacht habe. Herr v. Egle 
glaubt, daß in Berlin gar nicht nach der erforderlichen Legi 
timation gefragt worden sei, weßhalb sich Unberechtigte leicht 
Karten verschaffen konnten. Eine Regelung dieser Frage durch 
den Vereinsverband und die Unterscheidung zwischen Mit 
gliedern und Gästen durch besondere Abzeichen und Karten sei 
nothwendig. Es wird beschlossen, die Vororte zu ersuchen 
für die nächste Generalversammlung dahin zu wirken, daß: 
1) Die Einzel-Vereine resp. ihre Vorstände, wie das Local- 
Comite von dem Einführungsrechte nur sparsam Gebrauch 
machen möchte, und zwar nur solchen Technikern die 
Gastfreundschaft verleihen, die vermöge ihrer wissenschaft 
lichen und sachlichen Ausbildung zur Aufnahme in einen 
Verbandsverein befähigt wären und 
2) daß Gästen andere Abzeichen gegeben werden als den 
Verbandsvereins-Mitgliedern. 
Dem Antrage des Vorsitzenden entsprechend wird der 
Vereinsausschuß ermächtigt, während des Sommers bis zur 
Wiederaufnahme der Sitzungen die einlaufenden Fragen im 
Namen des Vereins zu erledigen; auch die Wahl der Dele- 
girten zur Münchener Versammlung wird dem Ausschuß an 
heimgestellt. 
Schließlich werden auf Antrag des Herrn Silber die 
Herren: 
Architekt Zwißler und Stadtbaumeister Bleich in 
Reutlingen als auswärtige Mitglieder in den Verein auf 
genommen. 
Hl e f e r a t 
über die am 28. Mai stattgehabte Excurston des Vereins 
für Baukunde nach der Solitude. 
«Mit 2 Zeichnungsbeilagen.) 
Am 28. Mai begab sich eine große Zahl der Vereins 
mitglieder in Begleitung ihrer Familien nach der Solitude, 
einem Landsitz, den bekanntlich der prachtliebende Herzog Karl 
Eugen von Württemberg auf einem Höhenrücken in der Nähe 
Leonbergs in den Jahren 1763 bis 1767 errichten ließ. 
Der Weg führte in nächster Nähe der Stadt bei der 
Steigung des Hasenbergs an den von Oberbaurath v. Ehmann 
ausgeführten Wasserreservoirs und Druck-Regulirvorrichtungen 
vorbei, welche Bestandtheile der neuen Wasserversorgung der 
Stadt von südwestlicher Richtung her bilden. 
Mit großem Interesse folgten die Anwesenden den Er 
läuterungen, welche über dieses interessante Werk von dem 
Herrn Ingenieur Zobel ertheilt wurden, der bei der Instand 
setzung desselben thätig war. 
Die weitere Fortsetzung des Wegs durch den schattigen 
Wald fiihrte an einem Theil der großen Sammelbecken vorbei, 
durch welche dieses Wasserwerk in weitem Umkreis gespeist wird; 
ein kurzer Halt an dem sogenannten Bärcnschlößchen im K. Park 
wurde zur Erfrischung der wandernden Gesellschaft benutzt. 
Es ist dieser mäßig große Jagdpavillon dicht an einem 
der Seen gelegen, der den Namen Bärcnsee trägt, ein auf 
hoher Terrasse gelegener mäßig großer Saal, an den sich beider 
seits etliche Cabinete anschließen. Im Unterbau sind Dienst 
räume, Küche rc., so daß dadurch ein anmuthiges Uenäeri-vous 
de chasse geschaffen war. 
Von der Vorder- und Rückseite führen bequeme Freitreppen 
auf die Höhe der Terrasse, die einen Umgang um den Pavillon 
bildet. Nach der Seeseite zu sind am Fuße der Treppe zwei 
überlebensgroße Bärengestalten diesseits und jenseits auf hohen 
Postamenten errichtet und verdeutlichen so die Bezeichnung als 
Bärenschlößchcn. 
Das Aeußere dieses einstöckigen Gebäudes war früher ganz 
mit Eichenrinde bekleidet, und stimmte in seiner einfachen kunst 
losen Erscheinung ganz zu der Waldeinsamkeit, die nach keiner 
Seite einen Ausblick in die umliegenden Thäler gestattet. In 
neuer Zeit hat die Rindenbekleidung einer Verblendung weichen 
müssen, und nur das Hauptgesimse hat noch sein altes Aus 
sehen behalten. 
Dieser Halt auf dem Bärenschlößchen war insofern ein 
zweckmäßiger, als die darauf erfolgte Ankunft auf der Solitude 
recht auffällig die Aehnlichkeit der Grundanlage beider Bau 
werke anschaulich machte. Was im Bärenschlößchen gleichsam 
als einfachster Ausdruck der räumlichen Disposition gegeben 
war, kommt in der Bauanlage der Solitude zur reichsten Ent 
faltung. 
Das langgestreckte Schloß, nur aus einem Stockwerk be 
stehend, ist auf einen hohen Unterbau gestellt, der von einer 
äußern Bogenreihe umgeben eine ringsum laufende geräumige 
Halle bildet, deren Wölbungen eine breite,, an ihrem Rande 
mit einer Balustrade gefaßte Terrasse tragen. Die Zugäng 
lichkeit derselben wird durch vier Treppenaufgänge vermittelt, 
wovon das eine Paar ganz ähnlich wie bei dem Bärenschlößchen 
von der Vorderseite, das andere auf der Rückseite in weit aus 
ladenden doppelt gekrümmten Bogenlinien in die Höhe führen. 
Das Herausrücken des Wohngeschosses, wie es unser Grundriß 
Blatt 1 gibt, über die Höhe der Terrasse war eine höchst zweck 
mäßige Anordnung, um von den Gemächern aus über die Baum 
kronen hinweg soviel als möglich von der herrlichen Landschaft, 
die sich fernhin ausbreitet, in den Gesichtskreis zu bringen. 
Das Innere des Unterbaues, durch eine in der Mittclaxe lie 
gende geräumige Durchfahrt in zwei Hälften getheilt, ist für 
die ökonomischen Zwecke ausgenützt und die Verbindung mit
	        

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