Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1876)

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dem Hauptstock durch kleinere innere Treppen vermittelt, deren 
eine bis auf die Kuppel und deren zuoberst angebrachtes Bel 
vedere führt. 
Der Umriß des Grundplans ist, wie es der Geschmacks 
richtung damaliger Zeit entsprach, keineswegs in strengen Linien 
gehalten, sondern das Geschweifte in unmuthiger Abwechselung 
mit den gradlinigen Theilen verflochten. In wirklich scharf 
sinniger Weise ist die innere Eintheilung combinirt und eine 
Verschiedenheit in der räumlichen Gestaltung erreicht, die den 
Eindruck des höchsten Behagens erzeugt. 
Da sämmtliche Oeffnungen der Außenwände als Thüren 
behandelt sind, also überall den Austritt auf die Terrasse er 
lauben, konnte die Grundrißanordnung auch ihre ungemeine 
Einfachheit erlangen, weil keine Vorhallen und die Zugänglichkeit 
vermittelnde Gänge und Vestibüle nöthig waren. 
Der Gedanke, den großen elliptischen mit einer Kuppel 
überdeckten Mittelsaal nach beiden Seiten gegen das Freie zu 
öffnen, verleiht demselben eine außerordentliche Helle und mit die 
sem sonnigen Effect contrastirt auf das Wohlthätigste der kleine 
ovale, über die Fayade halb vortretende Saal am westlichen 
Ende, dessen rückwärtiger viereckiger Theil, im Innern des Ge 
bäudes liegend und nur schwach von oben erhellt, in reizender 
Dämmerung bleibt. Die kleinen geschweiften Cabinete, deren 
eines für die Bibliothek diente, in deren stattlichen Bücher 
schränken jetzt übrigens anstatt der anderwärts aufbewahrten Pracht 
bände, zierliche Porzellangruppen der ehemaligen Ludwigsburger 
Fabrik aufbewahrt sind, gehören zu dem Unmuthigsten, was 
die Recoccozeit in Württemberg hervorgebracht hat. 
Die Wände des Conzertsaals, gleichwie des Versammlungs 
und Empfangsaals und die kleineren Eckräume, deren einer als 
Schlafzimmer mit Alkoven ausgebildet ist, sind meist mit Gold- 
leisten gefaßt, und in schlanke Felder abgetheilt, die an den obern 
und untern Endigungen in den bekannten Violinenformen auskaufen. 
Ist auch die Dekorationsweise der einzelnen Säle nicht 
von so großer Mannigfaltigkeit und Ueppigkeit wie z. B. in 
der weit kleineren Amalienburg bei Nymphcnburg, die eine sehr 
ähnliche Anlage hat, ebenfalls mit einem dort kreisförmigen 
gewölbten, von beiden Seiten beleuchteten Mittelsaal, der ein 
Meisterstück von Vertheilung und zierlicher Ausspinnung der 
Versilberung bis in die feinsten Ranken genannt werden muß, 
so ist in dem Hauptsaal der Solitude doch eine reichere Glieder 
ung der Umfaffungswände, und die Art wie die Wandflächen 
in die Wölbung der Decke übergeführt wurden, ist voll Schwung, 
die Einrahmung der Oeil-äeboeuk Fenster, die dem Saale von 
oben Helle geben, höchst sinnreich, und das große Deckenbild 
mit den kleinen Bildern über dem Hauptgesimse ringsum, geben 
dem Raum etwas wahrhaft festliches. Denkt man sich noch 
das reiche Ameublement hinzu, das nicht mehr oder nur in 
spärlichen Resten noch vorhanden ist, so muß der Gesammt- 
eindruck zur Zeit des ehemaligen Glanzes vor 100 Jahren ein 
wahrhaft prächtiger gewesen sein. 
Die äußere Erscheinung in behaglicher Breite sich aus 
dehnend, wirkt sehr anmuthend, freilich ist von den Blumen- 
Parterres, den geschnittenen Hecken, Lorbeer- und Pomeranzen 
bäumen, den Balustraden, Vasen, Statuen, Hermen und Büsten, 
die den Platz vor dem Gebäude zierten, nichts mehr zu sehen, 
und die Fläche ist öde, wie sie unsere Abbildung, Blatt 2 
wiedergiebt. 
Aber die hohe prächtige Lage, von der aus man eine 
weite fruchtbare Landstrecke bis in große Ferne überblickt, 
geradeaus die langgezogene Straße, die in schnurgerader Linie 
bis Ludwigsburg führt, und bekanntlich zur Basis der württemb. 
Landesvermessung diente, im Mittelgrunde der hoch aufragende 
Aspcrg, dahinter die Höhenzüge vom Strombcrg bis rechts in 
langer Reihe zu den Bergen der Alb, der rückwärts und zu 
beiden Seiten sich ausdehnende schattige Wald machen heute noch 
diesen Punkt zu einem der schönsten in Württemberg, und seine 
Wahl, sowie die Art wie er ausgenützt wurde, geben ein beredtes 
Zeugniß für den hohen Kunstsinn des einstigen Erbauers, selbst 
wenn Hohenheim und die anderen Schöpfungen dieses pracht 
liebenden Fürsten nicht bestünden. 
Im Hintergründe ziehen sich, wie es der kleine Situations 
plan, Blatt 1 verdeutlicht, in angemessenem Abstande zwei nie- 
derige Gebäude mit Mansardendächern für den Hofstaat und 
das Gefolge hin, deren jedes eine Wiederkehr nach rückwärts 
hat, und wovon der linke Flügel als Kapelle, der rechte als 
Theater diente. Von dem ersteren hat sich noch die schöne 
Stuckdecke erhalten. Eine Anzahl kleiner isolirter, fast würfel 
förmiger Gebäudchen sind zu beiden Seiten dieser Flügel noch 
in gerader Verlängerung von deren Vorderfront nach auswärts 
angefügt, in denen die niedere Dienerschaft, das Balletpersonal re. 
wohnte. Mehrfach dienten diese Gebäudchen sammt dem recht 
seitigen gekrümmten Rückbau nach den großen Kriegen als ge 
sunde luftige Lazarethe für die Verwundeten, aber die einstige 
Wohnung des Herzogs, der in eigenthümlicher Selbstbeschränkung 
den Hauptbau nur für festliche Gelegenheiten oder seine hohen 
Gäste aufsparte, war im Vordertheil des linken Flügels, der heute 
als Wirthschaftsgelaß dient. 
In dem Saale desselben ließ sich nach genommener Ein 
sicht des Schlosses unsere Gesellschaft zu heiterem Mahle nieder, 
erfreute sich bei Spiel und Tanz und spät erst erfolgte der Rück 
weg durch den prächtigen Wald in sternheller Nacht. 
C. L. 
Ausschußsihung vom 16. Juni 1876. 
Anwesend die Herren Binder, v. Egle, v. Hänel, Knoll, v. Leins, 
Silber, Teichmann, später v. Schlierholz. 
Vorsitzender: v. Egle, Schriftführer: Teichmann. 
Es ist ein Antrag des Vorstands des mittelrheinischen 
Architekten- und Ingenieur-Vereins zu behandeln, welcher 
lautet: 
Es möge der Kanzler des deutschen Reichs seitens des 
Vorortes des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur- 
Vereine, unter Bezugnahme auf Nr. 5 der vom Verbände heraus 
gegebenen Denkschrift über Ausbildung der Bautechniker ersucht 
werden, die Einführung eines in ganz Deutschland im Wesentlichen 
übereinstimmenden Verfahrens bei der Prüfung höherer Bau 
techniker und die hierdurch bedingten Annäherungen in der 
Organisation und den Studienplänen der technischen Hoch 
schulen des deutschen Reiches dadurch anzubahnen, daß die 
einschlägigen Detailfragen seitens einer von Reichswegen zu 
berufenden Commission eingehend geprüft werden. 
Nachdem der Antrag und die zugehörigen Motive ver 
lesen, erhebt sich die Frage: 
Ob die Sache mittelst schriftlicher Abstimmung zu erledigen? 
oder ob die bevorstehende Delegirtenversammlung abzuwartensei ? 
Nach einer allgemeinen Debatte, in welcher man sich 
schließlich dahin einigte, daß eine einheitliche Behandlung der 
Prüfungen zwar in mancher Hinsicht erwünscht, aber namentlich 
für Württemberg, dessen Polytechnikum eben in einer erfreu 
lichen Reorganisation begriffen, nicht dringlich sei, wird be 
schlossen die Delegirtenversammlung abzuwarten. 
Auf die Frage ob und welche Instruktion dem oder den 
Delegirten gegeben werden solle, erwiedert 
Herr v. Leins: Eine Reichskommission wird jedenfalls das 
Gute haben, daß die Verschiedenheiten in der Behandlung 
der Prüfungen ermittelt werden, wodurch schon die erwünschte 
Einigung vorbereitet und angebahnt wird. Eine solche Einigung 
ist erwünscht, um den Lehranstalten und den Studirenden 
einen Anhaltspunkt bezüglich der anzustrebenden Ziele zu geben. 
Dagegen soll den einzelnen Schulen überlassen bleiben, auf 
welchem Wege sie dieses Ziel erreichen wollen. Es wären 
demnach in dem Antrag des Verbandsvorstands die Worte: 
„und die hiedurch bedingten Annäherungen in der Organisation 
und den Studienplänen der technischen Hochschulen des deutschen 
Reichs dadurch anzubahnen" zu streichen. 
Der Ausschuß pflichtet dieser Ansicht bei und beschließt, 
den Delegirten zu beauftragen, daß er dieselbe nach Thun- 
lichkeit vertrete, indeß aber wird der Beschluß in nachstehender 
Fassung dem Vororte mitgetheilt:
	        

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