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dem Hauptstock durch kleinere innere Treppen vermittelt, deren
eine bis auf die Kuppel und deren zuoberst angebrachtes Bel
vedere führt.
Der Umriß des Grundplans ist, wie es der Geschmacks
richtung damaliger Zeit entsprach, keineswegs in strengen Linien
gehalten, sondern das Geschweifte in unmuthiger Abwechselung
mit den gradlinigen Theilen verflochten. In wirklich scharf
sinniger Weise ist die innere Eintheilung combinirt und eine
Verschiedenheit in der räumlichen Gestaltung erreicht, die den
Eindruck des höchsten Behagens erzeugt.
Da sämmtliche Oeffnungen der Außenwände als Thüren
behandelt sind, also überall den Austritt auf die Terrasse er
lauben, konnte die Grundrißanordnung auch ihre ungemeine
Einfachheit erlangen, weil keine Vorhallen und die Zugänglichkeit
vermittelnde Gänge und Vestibüle nöthig waren.
Der Gedanke, den großen elliptischen mit einer Kuppel
überdeckten Mittelsaal nach beiden Seiten gegen das Freie zu
öffnen, verleiht demselben eine außerordentliche Helle und mit die
sem sonnigen Effect contrastirt auf das Wohlthätigste der kleine
ovale, über die Fayade halb vortretende Saal am westlichen
Ende, dessen rückwärtiger viereckiger Theil, im Innern des Ge
bäudes liegend und nur schwach von oben erhellt, in reizender
Dämmerung bleibt. Die kleinen geschweiften Cabinete, deren
eines für die Bibliothek diente, in deren stattlichen Bücher
schränken jetzt übrigens anstatt der anderwärts aufbewahrten Pracht
bände, zierliche Porzellangruppen der ehemaligen Ludwigsburger
Fabrik aufbewahrt sind, gehören zu dem Unmuthigsten, was
die Recoccozeit in Württemberg hervorgebracht hat.
Die Wände des Conzertsaals, gleichwie des Versammlungs
und Empfangsaals und die kleineren Eckräume, deren einer als
Schlafzimmer mit Alkoven ausgebildet ist, sind meist mit Gold-
leisten gefaßt, und in schlanke Felder abgetheilt, die an den obern
und untern Endigungen in den bekannten Violinenformen auskaufen.
Ist auch die Dekorationsweise der einzelnen Säle nicht
von so großer Mannigfaltigkeit und Ueppigkeit wie z. B. in
der weit kleineren Amalienburg bei Nymphcnburg, die eine sehr
ähnliche Anlage hat, ebenfalls mit einem dort kreisförmigen
gewölbten, von beiden Seiten beleuchteten Mittelsaal, der ein
Meisterstück von Vertheilung und zierlicher Ausspinnung der
Versilberung bis in die feinsten Ranken genannt werden muß,
so ist in dem Hauptsaal der Solitude doch eine reichere Glieder
ung der Umfaffungswände, und die Art wie die Wandflächen
in die Wölbung der Decke übergeführt wurden, ist voll Schwung,
die Einrahmung der Oeil-äeboeuk Fenster, die dem Saale von
oben Helle geben, höchst sinnreich, und das große Deckenbild
mit den kleinen Bildern über dem Hauptgesimse ringsum, geben
dem Raum etwas wahrhaft festliches. Denkt man sich noch
das reiche Ameublement hinzu, das nicht mehr oder nur in
spärlichen Resten noch vorhanden ist, so muß der Gesammt-
eindruck zur Zeit des ehemaligen Glanzes vor 100 Jahren ein
wahrhaft prächtiger gewesen sein.
Die äußere Erscheinung in behaglicher Breite sich aus
dehnend, wirkt sehr anmuthend, freilich ist von den Blumen-
Parterres, den geschnittenen Hecken, Lorbeer- und Pomeranzen
bäumen, den Balustraden, Vasen, Statuen, Hermen und Büsten,
die den Platz vor dem Gebäude zierten, nichts mehr zu sehen,
und die Fläche ist öde, wie sie unsere Abbildung, Blatt 2
wiedergiebt.
Aber die hohe prächtige Lage, von der aus man eine
weite fruchtbare Landstrecke bis in große Ferne überblickt,
geradeaus die langgezogene Straße, die in schnurgerader Linie
bis Ludwigsburg führt, und bekanntlich zur Basis der württemb.
Landesvermessung diente, im Mittelgrunde der hoch aufragende
Aspcrg, dahinter die Höhenzüge vom Strombcrg bis rechts in
langer Reihe zu den Bergen der Alb, der rückwärts und zu
beiden Seiten sich ausdehnende schattige Wald machen heute noch
diesen Punkt zu einem der schönsten in Württemberg, und seine
Wahl, sowie die Art wie er ausgenützt wurde, geben ein beredtes
Zeugniß für den hohen Kunstsinn des einstigen Erbauers, selbst
wenn Hohenheim und die anderen Schöpfungen dieses pracht
liebenden Fürsten nicht bestünden.
Im Hintergründe ziehen sich, wie es der kleine Situations
plan, Blatt 1 verdeutlicht, in angemessenem Abstande zwei nie-
derige Gebäude mit Mansardendächern für den Hofstaat und
das Gefolge hin, deren jedes eine Wiederkehr nach rückwärts
hat, und wovon der linke Flügel als Kapelle, der rechte als
Theater diente. Von dem ersteren hat sich noch die schöne
Stuckdecke erhalten. Eine Anzahl kleiner isolirter, fast würfel
förmiger Gebäudchen sind zu beiden Seiten dieser Flügel noch
in gerader Verlängerung von deren Vorderfront nach auswärts
angefügt, in denen die niedere Dienerschaft, das Balletpersonal re.
wohnte. Mehrfach dienten diese Gebäudchen sammt dem recht
seitigen gekrümmten Rückbau nach den großen Kriegen als ge
sunde luftige Lazarethe für die Verwundeten, aber die einstige
Wohnung des Herzogs, der in eigenthümlicher Selbstbeschränkung
den Hauptbau nur für festliche Gelegenheiten oder seine hohen
Gäste aufsparte, war im Vordertheil des linken Flügels, der heute
als Wirthschaftsgelaß dient.
In dem Saale desselben ließ sich nach genommener Ein
sicht des Schlosses unsere Gesellschaft zu heiterem Mahle nieder,
erfreute sich bei Spiel und Tanz und spät erst erfolgte der Rück
weg durch den prächtigen Wald in sternheller Nacht.
C. L.
Ausschußsihung vom 16. Juni 1876.
Anwesend die Herren Binder, v. Egle, v. Hänel, Knoll, v. Leins,
Silber, Teichmann, später v. Schlierholz.
Vorsitzender: v. Egle, Schriftführer: Teichmann.
Es ist ein Antrag des Vorstands des mittelrheinischen
Architekten- und Ingenieur-Vereins zu behandeln, welcher
lautet:
Es möge der Kanzler des deutschen Reichs seitens des
Vorortes des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-
Vereine, unter Bezugnahme auf Nr. 5 der vom Verbände heraus
gegebenen Denkschrift über Ausbildung der Bautechniker ersucht
werden, die Einführung eines in ganz Deutschland im Wesentlichen
übereinstimmenden Verfahrens bei der Prüfung höherer Bau
techniker und die hierdurch bedingten Annäherungen in der
Organisation und den Studienplänen der technischen Hoch
schulen des deutschen Reiches dadurch anzubahnen, daß die
einschlägigen Detailfragen seitens einer von Reichswegen zu
berufenden Commission eingehend geprüft werden.
Nachdem der Antrag und die zugehörigen Motive ver
lesen, erhebt sich die Frage:
Ob die Sache mittelst schriftlicher Abstimmung zu erledigen?
oder ob die bevorstehende Delegirtenversammlung abzuwartensei ?
Nach einer allgemeinen Debatte, in welcher man sich
schließlich dahin einigte, daß eine einheitliche Behandlung der
Prüfungen zwar in mancher Hinsicht erwünscht, aber namentlich
für Württemberg, dessen Polytechnikum eben in einer erfreu
lichen Reorganisation begriffen, nicht dringlich sei, wird be
schlossen die Delegirtenversammlung abzuwarten.
Auf die Frage ob und welche Instruktion dem oder den
Delegirten gegeben werden solle, erwiedert
Herr v. Leins: Eine Reichskommission wird jedenfalls das
Gute haben, daß die Verschiedenheiten in der Behandlung
der Prüfungen ermittelt werden, wodurch schon die erwünschte
Einigung vorbereitet und angebahnt wird. Eine solche Einigung
ist erwünscht, um den Lehranstalten und den Studirenden
einen Anhaltspunkt bezüglich der anzustrebenden Ziele zu geben.
Dagegen soll den einzelnen Schulen überlassen bleiben, auf
welchem Wege sie dieses Ziel erreichen wollen. Es wären
demnach in dem Antrag des Verbandsvorstands die Worte:
„und die hiedurch bedingten Annäherungen in der Organisation
und den Studienplänen der technischen Hochschulen des deutschen
Reichs dadurch anzubahnen" zu streichen.
Der Ausschuß pflichtet dieser Ansicht bei und beschließt,
den Delegirten zu beauftragen, daß er dieselbe nach Thun-
lichkeit vertrete, indeß aber wird der Beschluß in nachstehender
Fassung dem Vororte mitgetheilt: