Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1876)

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Sorge, welche ihnen diese Ereignisse bereitet haben, künftig 
enthoben seien; für uns aber mögen sie ein neuer Beweis 
sein, wie nothwendig es ist, sich von den Bodenverhältnissen, 
mit denen man zu thun hat, im weitesten Umfang zu unter 
richten und sich davon nicht durch die oft zu karge Zuweisung 
der Mittel an Geld und namentlich an Zeit, abhalten zu lasten. 
Stuttgart, im April 1876. 
C. Binder. 
Beilage 2 
zur 9. ui 10. ordentl. Versammlung. 
IZerichl 
betreffend die Minimalstärke für steinerne Mittelpfeiler eiserner Balkenbrücken 
(insbesondere großer Strombrücken). 
Die vom Verein mit Bearbeitung der nebenbezeichneten 
Frage beauftragte Kommission besteht, nachdem Herr Ober 
baurath v. Abel seine Mitwirkung wegen Geschäftsüberhäufung 
abgelehnt und Herr Baurath v. Beckh erklärt hat, wegen 
Abwesenheit von Stuttgart der Berathung nicht anwohnen zu 
können, noch aus den unterzeichneten Mitgliedern, nämlich 
Oberbaurath Binder, 
Bauinspektor Knoll, 
Professor Laißle und 
Professor Baurath Hänel (Berichterstatter). 
Die einstimmig beschlostene Ansicht dieser Kommission ist 
folgende: 
1) Die Dicke der in Frage stehenden Mittelpfeiler hat 
sich in erster Linie nach der Belastung derselben und nach 
der von der Natur des Stein- und Mörtelmaterials, sowie 
von dem Grade der Sorgfalt der Ausführung abhängigen 
größten zulässigen Inanspruchnahme der Pfeilermasie pro 
[Dem. zu richten. 
Die meist beanspruchte Stelle des Steinwerks pflegt aber 
die Auflagsfläche der Lagerplatten für den Eisenoberbau zu 
sein und muß daher vor Allem für eine gehörige Ausdehnung 
dieser Fläche gesorgt werden. Der ungünstigste hiebei mög 
liche Fall ist der einer doppelspurigen Eisenbahnbrücke mit nur 
zwei Hauptträgern. Nimmt man das Gewicht einer solchen 
Brücke bei 100 Meter Tragweite der einzelnen Oeffnungen, 
im vollbelasteten Zustande zu 8 Tonnen pro laufenden Meter 
jedes Geleises an, was gewiß reichlich gerechnet ist, so erhält 
man für die beiden auf einem Mittelpfeiler in der Längen 
richtung der Brücke neben einander liegenden Platten (statt 
welcher im Falle continuirlicher Träger nur eine einzige 
größere vorhanden ist) eine Maximalbelastung von zusammen 
800 Tonnen, also z. B. bei einer zulässigen Inanspruchnahme 
des Steins von 25 Kil. pro [Hem. eine nothwendige Auflags 
fläche von 32,000 mein. — 3,2 Meter, somit, wenn man 
jede der beiden Platten quadratisch annimmt, für die Quadratseite 
v i~6 — 1,26 Meter. In den meisten Fällen, wenn näm 
lich entsprechend festere Steine vorhanden sind, wird aber eine 
noch größere Inanspruchnahme zulässig sein, wie denn z. B. 
die je 1 Meter im □ haltenden Platten der Mannheimer 
Eisenbahnbrücke über den Rhein auf die darunter liegenden 
Buntsandsteinquader, deren Festigkeit zu 450 Kil. pro (Dem. 
angegeben wird, bei unbelasteter Brücke mit 32 Kil., bei 
größter Belastung sogar mit ca. 60 Kil. pro [Hern. drücken. 
Aehnliche Drücke ergeben sich auch auf die, aus Basaltlava 
bestehenden Unterlagssteine der Kölner Rheinbrücke, nämlich 
35 Kil., beziehungsweise 58 Kil. pro dem. (vergl. Erbkam, 
1863). Außerdem ist zu beachten, daß man bei minder festem 
Stein, um mit Rücksicht hierauf die Pfeilerdicke nicht vermehren 
zu müssen, die größere Dimension der Unterlagsplatten auch 
nach der Pfeiler länge stellen, also in obigem Beispiel jede 
1,60 s^Meter große Platte in dieser Richtung etwa 1,60 Meter 
lang, folglich in der Richtung der Brückenlänge 1 Meter breit 
machen kann, was übrigens unter allen Umständen wegen der 
besseren Ausgleichung der Belastung nach der Pfeilerlänge zu 
empfehlen sein dürfte. 
Nach allem Vorhergehenden glauben wir, daß bis zu 
100 Meter Tragweite eine Auflagsbrejte von 1 Meter für 
jede der beiden Platten, also im Ganzen von 2 Meter vollauf 
genügen werde. Giebt man nun, um das Abspringen der 
Steine durch Ueberlastung der Außenränder zu verhindern, 
welches übrigens bei Anwendung von Kipplagern weit weniger 
zu fürchten ist, als bei den ftüher üblichen, ebenen Auflagern, 
beiderseits noch 25 bis 50 em. zu, so erhält man eine gesammte 
obere Pfeilerdicke von 2,50 Meter bis höchstens 
3 Meter als vollauf genügend bis zu 100 Meter Tragweite. 
Die Tragzapfen der beiden auf dem Pfeiler aufliegenden 
Theile des Eisenoberbaues haben unter der vorstehenden Vor 
aussetzung, wonach die Unterlagsplatten dicht an einander 
liegen, einen Abstand von 1 Meter, welcher bei rationeller 
Konstruktion des Oberbaues gewiß immer wird eingehalten 
werden können. 
Außerhalb Deutschland ist man schon mehrfach auf obiges 
Maß herabgegangen, wenn auch nicht bei ganz so großen 
Oeffnungen. So z. B. hat die neue Eisenbahnbrücke über 
Douro in Portugal (Engineering 1876) mit Oeffnungen von 
50 Meter und 80 Meter, eine obere Pfeilerdicke von 2,50 Meter; 
bei der Girard-Avenue-Brücke in Philadelphia (Engineering 
1875) mit Oeffnungen von circa 60 Meter beträgt sie 8" engl. 
— 2,44 Meter. 
2) Die vorstehend bestimmte Pfeilerdicke kann bei der, in 
weiten Flußthälern gewöhnlichen, durch das Hochwasser be 
dingten Pfeilerhöhe von nicht über etwa 10 Meter, 
bis zu den Fuudamentabsätzen hinab beibehalten werden, oder 
sie bedarf höchstens, nach Maßgabe des Materials und der 
Ausführung, einer geringen Zunahme durch einen beiderseitigen 
Anlauf von nicht über 1: 40. Der obere Theil solcher, durch 
die Unterlagsplatten auf kleine Flächen stark belasteter, im 
Uebrigen unbelasteter Pfeiler muß freilich unter allen Um 
ständen sorgfältig, und in solchem Verbände gemauert sein, 
daß der Druck in mäßiger Tiefe sich auf die ganze Grundfläche 
möglichst gleichmäßig vertheilt. Dies vorausgesetzt, wird z. B. 
die Basis eines 10 Meter hohen, von oben bis unten 2,50 Meter 
dicken, und verglichen 12 Meter langen Pfeilers einer doppel 
spurigen Eisenbahnbrücke von 100 Meter (s. oben) durch den 
Oberbau sammt größter Belastung mit 5,3 Kil., durch sein 
eigenes Gewicht mit 2,5 Kil., im Ganzen also mit 7,8 Kil. 
pro dem. an der Basis beansprucht sein, während bei un 
günstigster einseitiger Verkehrsbelastung der Druck pro dem. 
an der meistbeanspruchten Stelle sich nur unbedeutend höher, 
nämlich auf höchstens 9 Kil. stellen würde, was selbst für gutes 
Bruchsteinmauerwerk durchaus nicht zu viel ist. ' 
3) Einer Verstärkung solcher, bis zu 10 Meter hoher 
Pfeiler, mit Rücksicht auf die daran angreifenden Horizon 
talkräfte, bedarf es nicht.. Der Druck des anströmenden 
Wassers kommt dabei um so weniger in Betracht, als derselbe 
— die richtige Stellung der Pfeiler im Grundriß voraus 
gesetzt — wesentlich parallel der Pfeilerlänge wirkt, und mit
	        

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