Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1876)

4 
des Bauplatzes bedingte, sehr extravagante, ja fast bizarre 
Fälle zu sehen waren. 
Außer diesen neuen Gebäuden war auch die Photographie 
der Nationalbank, im Jahre 1864 gebaut, vorhanden, welche 
sich durch ihre gediegene, reiche, wenn gleich etwas schwere 
Architektur auszeichnete. 
Besonderes Interesse erregte die Photographie des Mo 
dells von dem gegenwärtig im Bau begriffenen Justizpalaste. 
Eine nähere Beschreibung dieses mit ganz emminenten Auf 
wand (man spricht von 30—40 Millionen Franken) aufgeführten, 
großartigen Gebäudes würde hier zu weit führen. Dasselbe 
zeichnet sich durch eine Stylbehandlung aus, welche namentlich 
in dem in der Mitte sich 100 m. hoch erhebenden Thurm 
Aehnlichkeit mit einer indischen Architektur zeigt. Sodann zeigt 
der Vortragende noch interessante Photographien aus Ant 
werpen und Leyden, und macht noch einige Mittheilungen 
über holländische Architektur. 
(Schluß der Sitzung Abends IO Uhr.) 
Dreizehnte ordentliche Versammlung vom 11. Nov. 1876. 
Vorsitzender: Oberbauraih v. Schlierholz. 
Schriftführer: Oberbaurath C.' Binder. 
Anwesend 26 Mitglieder und 2 Gäste. 
Der Herr Vorsitzende begrüßt zunächst das neuaufgenom 
mene Mitglied, Herrn Baumeister Mayer, und theilt mit, 
daß Herr Bauinspektor Kn oll den Hrn. Ingenieur-Assistent 
Stapf und Hrn. v. Seeger suv., den Hrn. Baumeister 
Pfeifer und er den Baumeister Schmidt von hier als Gäste 
eingeführt haben und begrüßt sie im Namen der Versamm 
lung. Das Protokoll der zwölften Versammlung wird ver 
lesen und nichts dazu bemerkt, daher es genehmigt ist. 
Der Vorstand des mittelrheinischen Architekten- und 
Jngenieurvereins, dessen Bericht über eine Exkursion nach 
Mainz in der deutschen Bauzeitung Nr. 76 und 77 nieder 
gelegt ist, theilt einen Situationsplan der Stadterweiterung 
und Bahnhofverlegung von Mainz mit, wofür der Dank der 
Versammlung ausgesprochen wird. Der Jngenieurverein des 
Polytechnikums hier übersendet das 5. Heft der von ihm 
herausgegebenen technischen Mechanik, enthaltend: das Seil 
polygon, wofür ebenfalls gedankt wird. Der Herr Vorsitzende 
theilt hierauf die am 10. Nov. in einer Sitzung des Aus 
schusses gefaßten Beschlüsse zur Genehmigung des Vereins, 
resp. zur Gutheißung mit, nämlich: 
1) Die Aufnahme in den Verein soll auf Grund einer 
höheren wissenschaftlichen oder technischen Bildung geschehen. 
Der die Ausnahme Suchende soll entweder eine selbstständige 
Stellung als Architekt, Ingenieur oder Maschinenbauer be 
sitzen, oder eine Fachprüfung erstanden und wenigstens zwei 
Jahre praktisch thätig gewesen sein, wobei der Nachweis durch 
eine kurze Darstellung ihrer Studien und praktischen Lauf 
bahn (Nationale) zu geben ist. 
2) Daß zu Ende Mai 1877 eine Ausstellung auf dem 
Gebiete des gesummten Jngenieurwesens auf 4 Tage statt 
finden und hiemit eine Excursion verbunden werden soll. 
Zu I. ergreift Herr Professor Walter das Wort, wünscht, 
daß die Grenzen der Aufnahmsbefähigung weniger enge ge 
zogen werden und stellt namentlich das Beispiel des Berliner 
Vereines vor. 
Der Herr Vorsitzende und der Herr Schriftführer heben 
auf das Bestimmteste hervor, daß es keineswegs die Absicht 
des Ausschusses feie, mit seinem Antrage die Aufnahme künf 
tig zu erschweren, gegentheils sei derselbe damit einverstanden, 
daß der Verein bestrebt sei, auch jüngere Kräfte in sich auf 
zunehmen, daß aber dabei doch eine Grenze gezogen werden 
müsse, die dem §. 1 der Statuten entspreche, der von Aus 
tausch von Erfahrungen spreche, und der Ausschuß habe ge 
glaubt, innerhalb dieses §. in seinem Beschluß die weiteste 
Grenze gezogen zu haben. Auf mehrseitigen Antrag wird die 
Beschlußfassung auf eine spätere Versammlung verschoben. 
Der 2. Antrag des Ausschusses wird einstimmig ange 
nommen und wird derselbe weiteres einleiten. 
Durch Balotage wird der von Hrn. v. Schlierholz 
vorgeschlagene Herr Baumeister Glaser einstimmig aufgenom 
men, nachdem eine kurze Darstellung seiner bisherigen Lauf 
bahn verlesen war. 
Im Fragekasten hat sich 1) ein Antrag und 2) eine Frage 
gefunden: 
Der Antrag geht dahin, der Verein möchte künftig seiner 
verstorbenen Mitglieder gedenken, deren Leben oft reich an Cha 
rakterbildern, Leistungen und Erlebnissen feie und deren Andenken 
häufig nur zu bald verloren gehe, es möchte von mit densel 
ben bekannten Mitgliedern deren Leben, Schaffen und Wirken be 
schrieben, registrirt und bei hervorragenden Mitgliedern zu Ne 
krologen verwerthet und pro 1876 der Anfang hiemit gemacht 
werden. 
Die Frage lautet r 
Artikel 50, Vollzugsversügung §. 51 zur Bauord 
nung heißt es: 
Die leeren Räume zwischen den Decken und den dar 
über liegenden Fußböden dürfen nicht mit Materialien 
ausgefüllt werden, welche die Verbreitung des Feuers 
befördern. 
Sind hienach die seither vielfach verwendeten Spreuer 
ausgeschlossen? Und wenn, oder überhaupt welches Ma 
terial ist zugleich als leicht beziehbar hiezu, ohne Staub 
zu verbreiten, Ungeziefer zu erzeugen und ohne über 
Verlattung mit Estrichüberzug verwendbar zu schwer zu 
sein, hiezu geeignet? 
Zu dem Antrag ergreift Oberbaurath Binder das 
Wort und erweitert ihn dahin, daß zur Ermöglichung seiner 
leichtern Ausführung nicht nur die bei den Neueintretenden, 
allerdings zu einem andern Zwecke, verlangte Darstellung ihrer 
Laufbahn, bei den Akten des Vereins bewahrt werden solle, 
sondern es seien alle Mitglieder einzuladen, eine solche Dar 
stellung zu den Akten zu geben, was mit dem vorerwähnten 
Antrag Zustimmung findet. 
Herr v. Schlierholz trägt nun darauf an, den Herrn 
Baurath Bok II. zu bitten, einen Nekrolog des kürzlich ver 
storbenen Herrn Oberbaurath v. Heimerdinger im Verein 
mit ältern Freunden Heimerdinger's zu verfassen, was ein 
stimmig angenommen wird. Bezüglich der gestellten Frage wird 
Herr Architekt Professor Walter gebeten, die Beantwor 
tung in einer der nächsten Sitzungen zu geben, was derselbe 
zusagt. 
Herr Fabrikant A. Stotz theilt nun mit, daß er in sei- 
nerFabrikeineDampfheizung mit Niederdruck durch den Abdampf 
der Maschine eingerichtet habe, welche in Röhren von ver 
bleitem Eisenblech geführt werde; diese Röhren, früher aus 
langen Stücken verbunden, hätten, um dicht zu bleiben und 
sich nicht zu biegen, in kleinere Stücke getheilt werden müssen, 
die nun durch Flaschen mit einander verbunden sind und seit 
ca. 13 Jahren ganz gute Dienste leisten. Nun sei die Bau 
schaubehörde neuerdings darauf gekommen, daß die Einrich 
tung dem §. 11 der Vollzugsverfügung des neuen Baugesetzes 
zuwider sei, weil die unter den Werkbänken liegenden Röhren 
den dort vorgeschriebenen Abstand von 15 cm. vom Holze 
nicht einhalten, und habe die entsprechende Entfernung der 
Heizung verlangt. Alle Einwendungen und Vorstellungen, die 
Berufung an die höhern Instanzen, seien bis jetzt ohne Er 
folg gewesen, und er bitte den Bauverein, die Sache in die 
Hand zu nehmen und das Ungeeignete einer solchen Forderung 
darzustellen. 
Herr Stotz glaubt, daß die betr. Verfügung die Dampf 
heizungen mit Hochdruck, wie z. B. die Perkinsen'sche im Auge 
gehabt habe und nun alles zusammenwerfe; jene hätten 200 
bis 300°, die seinige höchstens 105° 0cls. — 
Herr Haag in Augsburg, der seit vielen Jahren solche 
Heizungen ausführt, habe ihm mitgetheilt, daß er noch nie 
gehindert worden sei, die Röhren ganz nahe dem Holz zu 
führen, mit Ausnahme eines andern Falls in Stuttgart in
	        

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.