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Prof. Silber Namens der Mehrheit der Kommission über die
hierüber gepflogenen Berathungen berichtet mxb die Beschlüsse
der Mehrheit der Kommission verliest.
Baurath Bok als Mitglied der Kommission erklärt seine
Uebereinstimmung mit diesen Beschlüssen, findet aber die Frag
stellung des Hamburger Vereins zu unbestimmt uitb wünscht
nähere Details von letzterem, ehe auf die weitere Berathung
eingegangen werde.
Baurath Bracher wollte einen gesonderten Bericht ein
senden, hat dies aber wegen Zeitmangel unterlassen.
Sodann entwickelt sich eine lebhafte Debatte über die
Haftpflicht, an der sich folgende Herren betheiligen:
Bauinspektor Rheinhard betont, daß etwaige Normen, die
von Seiten der Vereine über die Haftpflicht ausgestellt werden
könnten, seitens der Juristen nicht berücksichtigt würden.
Oberbaurath v. Schlierholz weist unter anderem auf
die Nothwendigkeit der Umformung unserer Baubedingnngen
hin, die zum Theil den heutigen Gesetzesbestimmungen nicht
mehr entsprechen, da sie zu einseitig vielfach nur die Interessen
der Bauherrschaft int Auge haben; es seien daher bei verschie
denen Behörden Entwürfe zur Umgestaltung bereits in Arbeit. ^
Oberbaurath v. Egle betont, daß die Hamburger keine
Sonderstellung der Bautechniker im Gesetz herbeiführen wollen,
sondern nur eine klare Präzisirung der Rechte und Pflichten
zwischen Bauherrn und Techniker; er erwähnt die Schwierigkeit
der hiebei auftretenden Fragen, deren eine z. B. die ist, ob
ein Techniker deut Bauherrn für den Schaden ersatzpflichtig
sei, den er ihm durch unterlassene rechtzeitige Bestellung von
Baumaterialieit und dadurch verursachte Preissteigerungen p=
fügte und bergt.
Prof. Baumgärtner hält gesetzliche Bestimmungen hier
über für unmöglich, da sonst das Gesetzbuch ins Unendliche
ausgedehnt werden müßte. Er findet nach seinen vielseitigen
Erfahrungen als Sachverständiger bei Gerichtsverhandlungen
keine Lücke in unserer Gesetzgebung, da derartige Fragen voll
ständig nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen behandelt wer
den können.
Bauinspektor Rheinhard spricht den Wunsch aus, daß
schwierige Rechtsfälle dieser Art in der Bauzeitung veröffent
licht werden sollen, ähnlich wie von der Eisenbahnverwaltung
dies in der Eisenbahnzeitung geschieht, damit rnehr Material
für die weitere Behandlung dieser Fragen gesammelt wird.
Baurath Bok bemerkt, daß bei technischen Rechtsstreitig
keiten das Gutachten der Sachverständigen maßgebend für das
Urtheil der Richter sei, und legt deshalb den Hauptwerth auf
die richtige Wahl von Sachverständigen, da sonst Irrthümer
in der Rechtssprechung nicht zu vermeiden seien; er hält des
halb Bestintmungen hierüber für wünschenswerth.
Prof. Silber stimmt dem lebhaft bei und spricht den
Wunsch aus, daß jede einzelne Landesregierung nach Maßgabe
ihrer speziellen Bedürfnisse Vollziehungsverfügungen über die
Auswahl der Sachverständigen erlassen sollte.
Oberbaurath v. Schlierholz erwähnt die Stellung des
österreichischen Architekten- und Jngenieurvereins zu den dortigen
Ministerien, welch letztere stets bei Schiedsgerichten uitb Rechts
fällen sich vom Verein Experten erbitten, die derselbe dann
je nach den einzelnen Fällen vorschlägt.
Bauinspektor Rheinhard schildert die Unannehmlichkeiten,
die für Wasserbauten bisher bestehen, so lange noch niedere
Wasserbautechniker als Experten funktioniren.
Prof. Baumgärtner hält die Aufstellung allgemeiner
Normen für unausführbar und will die Wahl der Sachver
ständigen dem Ermessen der Richter und Parteien überlassen.
Professor Silber zeigt an einem Beispiel die häufigen
Schwierigkeiten, mit denen die Parteien bei der Wahl von
Sachverständigen zu thun haben, da das Recht der Refüsion
so häufig ausgeübt werde; deshalb erscheine es nothwendig,
daß von Seiten des Staates 6—8 Techniker als Sachver
ständige aufgestellt werden, deren Raine eine Garantie gegen
die Einwände der Parteilichkeit oder ungenügender Kenntnisse
biete und die daher nicht refüsirt werden können.
Oberbaurath v. Egle findet die Debatte sehr interessant,
glaubt aber, daß sie sich zu weit vom eigentlichen Gegenstand
derselben entferne und bittet, auf die Beantwortung der drei
vom Verband gestellten Fragen zurückzukommen, was auch der
Vorsitzende betont.
Letzterer verliest nunmehr die einzelnen Fragen als:
1) Welche gesetzliche Bestimmungen gibt es, bezüglich der
Haftpflicht der Architekten und Ingenieure in Betreff
ihrer Rathschläge oder Anordnungen, sowie in Betreff
der von ihnen geführten Aufsicht und sonstiger für den
Bauherrn von ihnen vorgenommenen Handlungen?
2) Wie ist in Uebereinstimmung mit diesen gesetzlichen Be
stimmungen oder in etwaiger Ergänzung, Vervollständi
gung oder Abänderung derselben die Stellung des Archi
tekten oder Ingenieurs zu dem Bauherrn zu präzisiren,
und in welchein Grade haftet der Erstere für die schäd
lichen Folgen seiner Handlungen und Versäumnisse?
3) Welche Mittel erscheinen geboten oder geeignet, um den
Feststellungen über das Maß der Verantwortlichkeit der
Architekten und Ingenieure dem Publikum gegenüber
und in Beziehung auf die Rechtssprechung Geltung zu
verschaffen?
deren Beantwortung auf allgemeine Zustimmung in folgenden
Sätzen zusammengefaßt wird:
Zu 1) Antwort: Es gibt in Württemberg keine beson
deren gesetzlichen Bestiminungen über die Haftpflicht; jeder
einzelne Fall wird nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen behandelt.
Zu 2) Antwort: Das nöthige Erfahrungsmaterial ist noch
nicht vorhanden; allgemein lassen sich gesetzliche Bestintmungen
wohl auch nicht treffen. Dagegen erscheint es wünschenswerth,
daß interessante bezügliche Rechtsfälle in den Bauzeitungen
veröffentlicht werden, um als Anhaltspunkte für ähnliche Fälle
und als Grundlage für eventuelle künftige Spezialbestimmnngen
zu dienen; für letztere existirt übrigens bei uns bis jetzt kein
Bedürfniß.
Zu 3) Antwort: Als bestes Mittel zur Regelung dieser
Frage erscheint uns die Aufstellung von Bestimmungen über
die richtige Auswahl tüchtiger und unparteiischer Sachver
ständigen.
Hierauf Schluß der Versainmlung.
Der Schriftführer:
Lang.
t o t o II o r r
über
die am 27. Mai 1877 stattgehabte Exkursion des Vereins für Baukunde nach Wimpfen.
Ant Sonntag den 27. Mai 1877 fand eine Exkursion des
Vereins für Baukunde nach Wimpfen am Berg und Wimpfen im
Thal statt. Den 34 theilnehmenden Vereinsinitgliederu haben
sich in Stuttgart 1 Gast und 9 Damen — Frauen und Töchter von
Mitgliedern — und in Heilbronn drei aus Nürnberg kommende
liebe Kollegen vom Polytechnikum in Darmstadt, die Herren
Professoren Wagner, Marx und Dr. Schäfer angeschlossen,
so daß die ganze Gesellschaft schließlich aus 47 Personen be
stand. Die Abreise von Stuttgart erfolgte um 7 1 /a Uhr in
eineni für uns reservirten Eisenbahnwagen. Das Wetter,