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welches in den vorhergehenden Wochen besonders übel gelaunt
war, goß an diesem Tage alle Herrlichkeiten des lang vermiß
ten Frühlings in reichster Fülle iiber uns aus und trug we
sentlich zürn guten Gelingen des Ausfluges bei. — Ein halb
stündiger Aufenthalt in Heilbronn genügte zur Besichtigung
der schönen Bahnhvfgebäude, einer gelungenen Arbeit unseres
zu früh dahin geschiedenen Vereinsmitgliedes Schurr. Nach
der um 10 Uhr erfolgten Ankunft in Jagstfeld gingen wir
alsbald zu Fuße nach dem Mathildenbad in Wimpfen am Berg,
ivo ein willkommenes Gabelfrühstück für uns bereit stand.
Nachdem das Klappern des Tischqeräthes zu verklingen be-.
gann, hielt der Schreiber dieses Berichtes einen kurzen, zur
Orientirung bestimmten Vortrag über die Geschichte und künst
lerischen Sehenswürdigkeiten Wimpfens, zu deren Besichtigung
man auch sofort schritt, nachdem Herr Professor Dr. Schäfer
aus Darmstadt zuvor noch in gewandter Rede einige ergän
zende Bemerkungen dem eben erwähnten Vortrage beigefügt
hatte. Die schönen spätromanischen Arkaden in der
jetzigen Stadtmauer — welche mit dem umgebenden Quaderge
mäuer einen der besterhaltenen Theile der auf der östlichen
Spitze der Bergstadt, hoch über dem Neckar gelegenen Ueber
reste der ehemaligen Pfalz der hohenstausischen Kaiser bilden —
hatten wir schon bei dem Gang nach dem Mathildenbad be
sichtigt. Nach dem Frühstücke gieng deßhalb unsere Wanderung
nach der zunächstliegenden Stadtkirche, mit einem aus der
zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts stammenden einfachen
frühgothischen Chore und einem in spätest gothischer Zeit
(1492) errichteten in mehrfacher Hinsicht recht interessanten
hallenförmigen Schiffbau, dessen Netzgewölbe auf doppelt ge
krümmten Rippen ruhen. Die östliche Wand des nördlichen
Seitenschiffes ist mit einenr im 16. Jahrhundert entstandenen,
später übertünchten aber neuerdings wieder aufgedeckten und gut
restaurirten, sehr beachtenswerthen Freskobilde — das jüngste
Gericht darstellend — geschmückt. Von den Einrichtungsstücken
haben die zwei geschnitzten und gemalten Altäre aus dem An
fange des 16. Jahrhunderts, an denen die Renaissance sich
bereits bemerkbar macht und besonders das um 1530 in auf
fallend reinem, fast italienischem Renaissancestyl gefertigte
Chorgestühl unsere Aufmerksamkeit vorzugsweise gefesselt.
Zur Besichtigung der alten Kelche und Hostienkästchen sind nur
wenige von uns gekommen. Dagegen wurde die bekannte süd
westlich neben der Kirche stehende Calvarienberg-Gruppe
aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, theils wegen ihrer
plastischen Schönheit, theils wegen des Materials, aus welchem
die Figuren bestehen, einer genauen Untersuchung unterzogen;
wobei wir nach längerer Besprechung zu der Ueberzeugung ge
langten, daß fragliches Material nicht etwa Stuck sei, wie schon
vermuthet worden ist, sondern ein sehr weicher und feinkörniger
Stein (Kalkstein?). -- Von da gieng unser Zug nach der
Donlinikanerkirche, ebenfalls mit einem frühgothischen,
1273 begonnenen Chor und einem Schiffbau aus dem vorigen
Jahrhundert. Dicht daneben ist der höchst interessante, zum
Theil noch frühgothische Krenzgaug, welcher der hessischen
Regierung behufs der Erhaltung — nicht Restauration — zu
empfehlen wäre. Nach einer genauen Besichtigung desselben
wanderten wir durch die malerischen Gäßchen mit ihren alten
Bürgerhäusern zum „Steinhaus", ferner zur spätromanischen
sog. Kapuzinerkirche, jetzt in ein Wohnhaus umgewandelt,
und zum „rothen Thurme". Diese drei letztgenannten Bau
ten liegen nahe beisammen und sind Ueberreste von der ehe
maligen Kaiser-Pfalz. Die äußerlich noch ziemlich erhaltene
Kapuzinerkirche (Palastkapelle) grenzt an die oben erwähnten
prächtigen romanischen Arkaden und ist mit diesen augenschein
lich gleichaltrig. Der rothe Thurm zeigt in seinen unteren
Theilen eine ganz vorzüglich pünktliche Ausführung. Gleich
wohl ist er, wie die übrigen Theile des ehemaligen Palastes
auch erst im 12. Jahrhundert entstanden, also nicht römisch,
j wie andere vermuthet haben. Für seinen mitteralterlichen Ur-
sprung sprechen die Art des Randbeschlages der Quader und die
Ueberreste eines romanischen Kamins in seinem Innern. -
| Hiemit war der Rundgang in der Bergstadt zu Ende und
! es gieng jetzt thalwärts. In einer Viertelstunde waren wir
i vor der in architektonischen Kreisen rühmlich bekannten, dem
I heiligen Petrus geweihten Kirche d es Augustiner-Ritter
stiftes zu Wimpfen im Thal, das erst im Anfang dieses
Jahrhunderts aufgehoben worden ist. Ueber dieses für die
Geschichte der Einführung des gothischen Baustyles in Deutsch
land so besonders wichtige Bauwerk hat der Schreiber dieser
Zeilen bereits vor zwei Jahren in unserem Verein einen
Vortrag gehalten, welcher in den Vereinsprotokollen enthalten
ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird darauf ver-
> wiesen und nur noch beigefügt, daß genannte frühgothische
Kirche mit dem daranstoßenden Kreuzgang den Schwerpunkt
unserer diesmaligen Exkursion bildete und uns wohl eine
Stunde lang anregend beschäftigte. Wir besichtigten darnach
nur noch die außerhalb des Städtchens gelegene spätgolhische
Cornelienkirche mit einem schönen „englischen Gruße" im
Tympanon des nördlichen Seitenportals und giengen dann
mit beschleunigten Schritten in das nahe Badhotel nach Jagst
feld, wo Abends 4 Uhr unseren durch lange Wanderung ge
schärften Appetit eine wohlbestztzte Mittagstafel kunstgerecht
stillte. Allseitige lebhafte Unterhaltung und bald auch Toaste
würzten das Mahl. Der erste davon galt gebührendermaßen
! unserem eifrigen Vorstand, welcher Tages zuvor die sehr interes-
^ saute und reiche Ausstellung von Plänen des Jngenieurfaches
eröffnet hatte; der zweite den liebenswürdigen Damen, welche
j unserem Aus finge durch ihre Theilnahme eine höhere Weihe
i verliehen hatten; der dritte unseren lieben Gästen aus Darmstadt,
in deren Land wir an diesem Tage selbst Gäste gewesen waren,
und der vierte endlich dem Cicerone und zumaligen Chronisten
! der Exkursion. Bald nach 5 Uhr lud die Bahnhofglocke unsere
j Darmstädter Gäste — zu früh für uns — zur Heimreise ein.
Doch mußten wir selbst die unsrige bald vor 6 Uhr auch an
treten. Wie der ganze bisherige Tag, so war auch die Heim
reise von der heitersten Laune aller Theilnehmer und vom
! besten Wetter begleitet, und wenn auch kein Thau mehr auf
den blumigen Wiesen erglänzte, und Geist und Gemüth trotz
; aller Lust nicht mehr so morgenfrisch bei der Heimfahrt waren,
; wie bei der Ausfahrt, so gieng uns allen der schöne Tag doch
dermaßen zu früh zu Ende, daß nicht wenige ihn in heiterer
Geselligkeit noch bis tief in die Nacht hinein verlängerten.
! Alle schieden mit dem aufrichtigen Wunsche, daß jede künftige
. Vereinsexkursion eben so gut gelingen möchte wie diese.
Egle.
Protokoll
über
die am 26. August 1877 stattgehabte Exkursion des Vereins für Baukuude an den Remsviadukt bei Nenstädtle,
sowie ins Nenstädtle bei Waiblingen.
Die Exkursion des Sommers 1877 war auf einen Sonn
tag Nachmittag beschränkt, und vereinigte 22 Mitglieder des
Vereins, 11 Damen der Vereinsmitglieder und 2 Gäste in
den freundlichen Garten- und Wirthschaftsräumen des sallbe-
kanuten Bades Neustädtle. Der Zug 3 Uhr 8 Min. brachte
die Gesellschaft nach Waiblingen, dessen neu angelegter Bahn
hof eine kurze Besichtigung einzelner Mitglieder fand, worauf
man durch die vielgewundenen Straßen der alten Hohenstaufen-