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schleusen erfordert etwa 12 bis 15 Minuten, wovon 6 auf das
Füllen der Schleuse kommen, je 4 auf die Einfahrt und Aus
fahrt. Diese Angaben gelten aber nur für beladene Schiffe bei
der Bergfahrt, wo mit großer Vorsicht verfahren werden muß,
damit die Schiffe nicht gegen die Thore geschleudert werden;
bei leeren Schiffen braucht man zum Füllen der Schleuse nur
etwa 2'/- Minuten. Die starke Abnützung der Quaderkanten
durch die Taue an den Schleusen hat zu vollständiger Verklei
dung der Kanten durch Winkeleifcn geführt. Wegen der Unter
haltung des Kanals wird die Schifffahrt vom 2b. Dezember
bis 20. Februar eingestellt. Die auf dem Kanal beförderten
Güter sind zunächst Brennholz, Bausteine aus den Vogesen,
sowie Bauholz, das in der Richtung nach Paris geht. Gerade
in Zabcrn trafen wir ein Schiff mit Rundholz, zum Bergwcrks-
bau, das nach Rouen bestimmt war, ferner Bauholzflöße, welche
von 2 Mann gezogen wurden und aus je 1 Gestör von 7 bis
8 Lagen übereinander gelegter, nur durch Stangen und Ketten
seitlich verbundener Hölzer bestanden.
Bei gewöhnlichem Eisenbahntransport wäre es gewiß nicht
möglich gewesen, dieses Holz mit Stutzen auf so große Ent
fernung zu befördern.
Im Weitern gehen dann auf dem Kanal Steinkohlen und
Koaks aus dem Saarbecken, welche mit Hilfe des Saarkanals
und der kanalisirten Saar in den Rhein-Marnc-Kanal gelangen.
Die Bausteine, welche die Vogesen liefern, gehen meist in der
Richtung nach Straßburg und selbst darüber hinaus (im Jahr
1864 ca. 110,000 tons durch Zabcrn). Der Gesammtvcrkehr
betrug im Jahr 1864 85,743,000 Kilom.-Tonnen, somit durch
schnittlich pro Kilometer 272,128 1on8.
Den interessantesten Theil des Kanals, den Uebcrgang über
die Wasserscheide der Vogesen, haben wir nicht gesehen, derselbe
liegt zu weit ab vom nächsten Bahnhof. Bahn und Kanal gehen
neben einander in besonderen Tunneln, aber in verschiedenen
Höhen durch den Kamm der Bog esc n, die Breite des Kanals
ist im Tunnel wesentlich eingeengt, während der Kanal sonst
eine Breite von 10,0 m. in der Sohle hat, mit I'/Züßigen
Böschungen, somit 14,8 m. im Wasserspiegel, beträgt die Weite
im Tunnel nur 6 in., genügt somit nur für 1 Schiff. Ebenso
interessant ist ferner hier die Wasserversorgung der Scheitel-
haltung, welche aus einer Reihe von künstlichen Seen bei
Gondrexange bewerkstelligt wird.
Wir hatten aber jedenfalls genug gesehen, um uns zu über
zeugen, daß auch im ungünstigsten Terrain die Herstellung eines
Schifffahrtskanals möglich ist, und daß die Vortheile, die ein
solcher Kanal für den Verkehr bietet, so eminente sind, daß wir
nicht anstehen, die Anlage von Kanälen in den Hauptverkehrs
richtungen als zweckmäßig, ja als nothwendig zu bezeichnen, da
mit der Transport von Kohlen, Baumaterialien u. s. w. zu
mäßigen Preisen auf größere Entfernungen möglich ist, und daß
ein neuer Aufschwung der Industrie hieraus entstehen wird.
Beilage 4
zur 9. ordentl. Versammlung.
Der württemb. „Verein für Baukunde" in Stuttgart hat
in seiner Sitzung vom 28. Oktober 1876
„zur Berathung desHerrn Prof. Baumeister-
scheu Antrags einer Reichs-Bauordnung und des
hiemit zusammenhängenden Beschlusses der fünften Abge-
ordnetcnversammlung des Verbands deutscher Architekten- und
Ingenieur-Vereine"
eine Kommission gewählt, bestehend aus den Herren
Baurath Brenner und Kaiser, Prof. Baumgärtner,
Silber und Walter und den Architekten Braun Wald
und Schittenhelm.
Die Kommission hat am 25. November 1876 die Referate
über die im gegebenen „Schema" aufgestellten Punkte unter sich
zur Ausarbeitung vertheilt, in den Kommissions-Sitzungen be
rathen und im Vereine in der 9. Sitzung vom 7. April wie
folgt rcferirt:
all 1 ist die Kommission der Ansicht, daß die Aufstellung
eines Reichs-Baugesetzes nicht anzustreben sei, weil es ihr fast
unausführbar erscheine, bei den verschiedenen lokalen und anderen
Verhältnissen im ganzen Deutschen Reiche allgemeine Normen
aufzustellen, die die Einzeln-Interessen nicht wesentlich beein
trächtigten, und wenn aus einer Bauordnung Alles herausge
nommen wird, was in verschiedenen Landcstheilen nothwendig
verschieden behandelt werden muß, so bleiben so wenig allge
meine Bestimmungen übrig, daß diese zu einem Gesetz keinen
Stoff mehr geben.
Im Uebrigen will die Kommission nicht versäumen, in
Folgendem an der Hand des Schemas für baurechtliche Be
stimmungen über Hochbauten, die in der neuen allgemeinen Bau
ordnung für das Königreich Württemberg und in der Voll-
zichungsvcrfügung vom 26. Dezember 1872, sowie der Ver
fügung des Ministeriums des Innern betreffend die Herstellung
von Feuerungsanlagcn vom.26. Dezember 1872 enthaltenen
Vorschriften übersichtlich anzuführen und ihre Ansicht über die
Zweckmäßigkeit derselben beizufügen.
ad 2 Schema 1.
Rechtsstandpunkt der Privaten Der Art. 1 der
Bauordnung spricht den Grundsatz der Baufreiheit mit gesetz
lichen (häusig zu weit gehenden) Beschränkungen in genügender
Weise aus.
Die Bestimmungen über Bauanzeigc, bezw. Ge
suche, Beschaffenheit der Pläne und Beilagen sind in den
Art. 74 bis 85 enthalten und wüßten wir in dieser Beziehung
für Württemberg keine anderen Vorschriften vorzuschlagen.
Ueber die Genehmigung gewerblicher Anlagen
verweist die württemb. Bauordnung in Art. 30 auf §. 16 der
Reichs-Gewerbeordnung und bestimmt noch, daß die Ortsbau
statuten gewerbliche Anlagen in besondere Ortstheile verweisen
können.
In Betreff der Staatsbauten macht die württemb.
Bauordnung keinen Unterschied zwischen diesen und den Privat
bauten, Art. 81 Vollz.-Verfügung 8- 57.
In Bezug aus die Verantwortlichkeit der Bauen
den macht Art. 20 sowohl den Baueigenthümcr als Baumeister
und Bauhandwerkslcute strafrechtlick verantwortlich für die Ein
haltung der im Gesetz sowohl, als in der Vollz.-Verfügung und
den Ortsbaustatutcn enthaltenen Bestimmungen (Art. 20, 35
und 36 re.).
Die Form und Frist für den Bescheid der Be
hörden ist in Art. . 78 u. 85 enthalten. Weitere Termine
sind in der Vollz.-Verfügung aufgenommen.
Baurcvision. Der Art. 92 bestimmt in zweckmäßiger
Weise die Beaufsichtigung über die Ausführung.
ad Schema 2. Vorschriften hinsichtlich des
öffentlichen Verkehrs.
Ueber Bauflucht und Höhenlage der Straße ent
hält das württ. Gesetz Art. 4 allgemeine Bestimmungen, wobei
aber noch jeder Gemeinde für die Ausarbeitung eines Bauplans
möglichst kurzer Termin auferlegt werden sollte; im Uebrigen
sind in der Vollz.-Verfügung die Grundsätze in 8- 1—7 ent
halten, deren Verwendung zweckmäßigerweise den Ortsbaustatutcn
zugewiesen ist.
Die Kommission nimmt ein Steigungsmaximum nicht auf,
weil Verhältnisse in Stadt und Land in diesem Punkte ver
schiedenartig sind; der Verein hält dagegen für neue Bau
quartiere die Festhaltung eines Steigungsmaximums für Haupt-