Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1877)

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ad Schema 5. Vorschriften hinsichtlich der 
statischen Sicherheit. 
Die Kommission geht hier von dem Motiv ans: Es soll 
dem praktischen Geschick und dem gewissenhaften Ermessen der 
Baulustigen und Handwerkslcute möglichst viel Spielraum ge 
lassen werden. 
Der Art. 35 bildet die Grundlage der Einwirkung der 
Polizeibehörden auf die einzelnen Bauten. 
Das Gesetz enthält keine besonderen Vorschriften, weil 
in Rücksicht auf wechselnde Bedürfnisse und Anschauungen, auf 
die Fortschritte der Technik und die Verschiedenheit 
der lokalen Verhältnisse eine gesetzliche Normirung nicht 
angemessen erscheint, auch weil es sich sowohl um Bauten neuer 
und eigenthümlicher Art, als um Bauten für vorübergehende 
Zwecke handeln kann, bei welchen die gewöhnlichen Vorschriften 
für Gebäude, der Natur der Sache nach, nicht gelten können. 
Weder ein Gesetz, noch die Baupolizeiverwaltung kann es 
füglich übernehmen, die dem Gebiete der Baukunst ungehörigen 
Regeln für eine sichere Ausführung vorzuschreiben, wie z. B. 
die Stärke der Tragmauern, die Art des Verbandes, die Be 
schaffenheit der Baustoffe u. dergl. Einzelheiten, wie dies die 
alte württ. Bauordnung und selbst einige Bauordnungen aus 
neuerer Zeit versucht haben. Dagegen sind Eigenthümer und 
Baumeister auch dann verantwortlich, wenn sie, ohne die spe 
ziellen Vorschriften des Gesetzes zu übertreten, die allgemeinen 
Regeln der Art. 36 u. 37 in schuldhafter Weise bei Seite setzen 
und damit eine Gefahr oder ein Unglück herbeiführen. 
Die sächsische Bauordnung spricht sich ähnlich aus: 
Art. 36 überläßt die Wahl des Baumaterials dem Bau 
unternehmer und bestimmt nur, daß solches diejenigen Eigen 
schaften habe, welche eine feste und sichere Bauausführung er 
möglichen. (Gleichlautend wie in der Bauordnung Bayerns.) 
Die Bauunternehmer mögen sich selbst vorsehen, daß sie gute 
Waare erhalten, zumal ihnen nicht nur von der Polizei die 
Verwendung schlechten Materials jederzeit untersagt werden 
kann, sondern sie auch nach Art. 20 u. 93 verantwortlich sind, 
wenn sie den Vorschriften in schuldhafter Weise nicht nachkom 
men und dadurch Schaden herbeiführen. 
Art. 37 u. 38 bestimmen nur, daß bei geringeren: Abstande 
als 2,3 m. feuersichere Mauern hergestellt werden müssen, 
ohne speziellere Vorschriften über die Konstruktion und Material 
derselben. 
Das Gesetz trägt der Mannigfaltigkeit der Verhältnisse 
nach Zeit und Ort dadurch angemessene Rechnung, daß es den 
Ortsbehörden zur Berücksichtigung lokaler Verhältnisse den 
nöthigen Spielraum gewährt und es zugleich der Verwaltung 
im Allgemeinen überlassen ist, genauer festzustellen, in welcher 
Art und Weise die gebotene feuersichere Konstruktion auszu 
führen ist. 
Art. 39 bestimmt die Regeln für die Konstruktion der nicht 
massiven Außenwandungen der Gebäude. 
ad Schema 6. Nachbarliche Bestimmungen. 
Art. 56 enthält Bestimmungen über Ableitung des Dach 
wassers und Art. 57 desgleichen über gemeinschaftliche Dach 
rinnen. 
Art. 58 verbietet die Ableitung des Wassers auf das 
Grundstück des Nachbars. 
Art. 59 gestattet Recht auf Luft und Licht bei einem 
Grenzabstand von mindestens 1 in. 
Art. 60 u. 61 handeln über Abstände der Gebäude. 
Art. 62 gibt Vorschriften für Abtritte, Düngerstätten, 
Brunnen, Holzbeugen rc. gegen die Nachbargrenze. 
Art. 63 schreibt Sicherheitsvorkehrungen vor beim Graben 
von Kellern, Brunnen u. s. w. 
Art. 64 u. 65—73 enthalten sonstige nachbarliche Dienst 
barkeiten, denen die Kommission gleich wie obigen ihre Zu 
stimmung gibt. 
Auch nach Abschluß dieser Detailsberathungen in den 
Kommissionssitzungen befestigt sich bei der Kommission immer 
mehr die Ansicht, daß für eine Reichs - Bauordnung nur 
Weniges übrig bleiben könnte, das für allgemeine Grundsätze 
aufzustellen wäre; hat schon das Gesetz für Württemberg sehr 
1 Vieles der Ministerial - Verfügung und den Ortsbaustatuten 
überlassen müssen, wie sehr würde das zusammenschwinden, was 
für das ganze Deutsche Reich bestehen bleiben könnte. 
Stuttgart, den 6. April 1877. 
Der Vorsitzende der Kommission: 
Silber. 
Der Schriftführer: 
Schittenhelm. 
Der Verein für Baukuude hat sich in seiner am 7. April 
d. I. stattgehabten Versammlung diesem mit einigen Zusätzen 
versehenen Protokolle angeschlossen. 
Zur Urkunde: 
Stuttgart, den 7. April 1877. 
Der Vereinsvorstand: 
Schlierholz. 
Beilage 5 
zur 10. ordentl. Versammlung. Hiezu Zcichnungsbeil. Taf. 2. 
Referat 
aus dem Engineering von 1875 
über 
Jaschinenbaulen in Kottand 
von Bauinspektor A. Meinhard. 
Die Bauten zur Sicherung der Küsten und der Stromufer 
werden in Holland wegen Mangels an andern Materialien 
vorzugsweise aus Faschinen (holl. Ryshout) hergestellt, welche 
von großen besonders angelegten Weidenpflanzungen geliefert 
werden, in welchen Erlen- und Eschengebüsche, jedoch in ge 
ringen! Maße, eingesprengt sind. 
Die Ernte erfolgt in jedem dritten oder vierten Jahre 
im Frühherbste, ausnahmsweise bei großem Bedarf auch im 
Frühjahr, und es wird hiebei das Unterholz so abgeschnitten, 
daß keine Beschädigung des Wurzelholzes vorkommt. Ein HA 
Sumpfboden produzirt jährlich außer dem erforderlichen Stock 
holz und außer dem Material zum Binden der Faschinen- 
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