Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1877)

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möglichste Trennung der nicht zusaminen passenden Kranken 
gesehen ist. 
Jede Abtheilung hat außerdem ihre besondere Garderobe, 
Spulküche, Baderäume und Abtritte. 
Die Abtheilungen der ruhigen Kranken haben ferner be 
sondere Jsolirzimmer, um vorübergehend aufgeregte Kranke 
absondern zu können. 
Die Zimmer der Wärter liegen in der Regel neben und 
zwischen den Schlafräumen der Kranken; bei ruhigen Kranken 
theilen sie auch deren Schlafzimmer. 
Aufenthalt -er Kranken im Freien. 
Um dem Aufenthalt der Kranken im Freien möglichst 
Vorschub zu leisten, ist für sede Abtheilung ein besonderer 
Garten hergestellt worden, wie dies der Situationsplan zeigt. 
Dabei ist darauf Rücksicht genommen, daß jede Abtheilung 
möglichst direkt von ihren Tagräumen aus in den zugehörigen 
Garten gelangen kann. Die Kranken des Hauptgebäudes ge 
langen auf der männlichen Seite durch ein besonderes Treppen 
haus, ohne mit den einzelnen Abtheilungen in Berührung zu 
kommen, in den Verbindungsgang gegen das Gebäude der un 
reinlichen Kranken, und von da durch einen Vorgarten in ihren 
besonderen Garten. Auf der weiblichen Seite gelangen sie 
direkt vom Hause aus in den Frauengarten. 
Jeder Garten ist mit Bäumen und Grasbeeten angelegt, 
enthält 1 bedeckten Pavillon, 1 Abtritt und 1 laufenden Brun 
nen. Der große Männergarten enthält außerdem 1 Kegelbahn 
und 1 Springbrunnen, der große Frauengarten ebenso 1 Spring 
brunnen und 1 größeren Pavillon. 
Die Gärten sind gegen außen durch genügend hohe Mauern, 
unter sich durch hohe Bretterzäune mit steinernen Pfosten ab 
geschlossen. Bei letzteren sind die 35 mm. starken, schräg über- 
sälzten Bretter in Ruten der Steinpfosten eingeschoben und hat 
sich diese Umfriedigung als sehr zweckmäßig, billig und dabei 
dauerhaft erwiesen. 
Gemüsegarten. 
Zunächst hinter den äußeren Gebäuden, in welchen sich 
die unruhigen Kranken befinden, und deren Höfen (Tobhöfen), 
wurde nach der ganzen Breitenausdehnung der Anstalt ein 
großer Gemüsegarten angelegt, dessen Fläche ca. 440 Ar beträgt. 
Durch denselben geht der Abfluß des sog. Mangenweihers 
in einem offenen Graben, der sich als Dohle unter den Ge 
bäuden der Anstalt und denen des Hüttenwerks fortsetzt und 
sodann in die Schüssen mündet. 
Für den Fall eintretenden Hochwassers ist von dem Ein- 
tritt des Wassers in den Gemüsegarten, an Stelle eines früheren 
offenen Grabens, eine Uebereichdohle in westlicher Richtung 
unter dem Gemüsegarten hindurch hergestellt worden. 
Dieser Garten liefert die für die Anstalt erforderlichen 
Gemüse in ausreichendem Maße. Durch Anbringung von 
mehreren Wasserbassins mit laufenden Brunnen ist für das 
erforderliche Wasser in genügender Weise gesorgt. 
Die Anlage dieses großen Gemüsegartens ist von großer 
Wichtigkeit für die Anstalt, nicht nur wegen der Gewinnung 
der erforderlichen Gemüse, die andernfalls aus größerer Ent 
fernung und mit hohen Kosten bezogen werden müßten, son 
dern auch und vorzugsweise wegen der Beschäftigung eines Theils 
der Kranken, da die Garten- wie auch die Feldarbeit als die 
zweckmäßigste und heilkräftigste Beschäftigung derselben zu be 
trachten ist. Es sollen sich in dieser Hinsicht namentlich die 
englischen Irrenanstalten vor Allen anderen auszeichnen. 
Aufenthalts»«»»» für Kranke und deren Cimelheiten. 
Diese Räume sind theils Wohnzimmer, theils Schlaf 
zimmer, Speise-, Gesellschafts- (Unterhaltungs- rc.) und Arbeits 
zimmer. 
Als Grundsatz gilt, daß überall, wo nicht Einzelaufenthalt 
stattfindet, vollständig getrennte Wohn- und Schlaf 
räume hergestellt werden müssen. 
In einigen neueren Anstalten ist diese Trennung eine 
vertikale, so daß die Schlafräume gewöhnlich in den oberen 
Stockwerken und die Tagräume in den unteren sich befinden. 
Bei andern Anstalten ist sie eine horizontale. 
In Schussenried sind beide Systeme zur Anwendung ge 
kommen, und sind namentlich die geräumigen oberen Stockwerke 
der Eckpavillons zu Schlafsäälen verwendet worden. Die Zahl 
der Betten eines Schlafsaals beträgt nicht über 12—14. 
Auch in Zwiefalten ist es ähnlich. 
Die Wohn- und Tagräume theilen sich in solche zum 
ruhigen Aufenthalt und in solche zur Bewegung. Zu letzteren 
werden (wie auch in Zwiefalten und Winnenthal) die schönen, 
großen, luftigen Korridors verwendet. 
Die Böden sind in sämmtlichen Tagräumen von Eichen 
holz, gewichst, Luden Schlafräumen von Tannenholz, mit Oel 
gestrichen. 
Die Fenster sind gewöhnliche Fenster, mit Bascule- 
Verschluß und einer Einrichtung, daß sie von den Kranken nickt 
geöffnet werden können, wenn es denselben nicht gestattet 
werden will. 
Dieselben sind sämmtlich vergittert, und haben sie zum 
Theil Korbgitter, wozu die vom Kloster vorhandenen sehr 
schönen und großen Korbgitter verwendet wurden, zum Theil 
sog. Rautengitter, welche sich durch ihre gefällige Form 
und Billigkeit empfehlen und den Räumen nicht das Aussehen 
von Gefängnissen geben, wie es bei gewöhnlichen Gittern der 
Fall ist. 
In den Zellen für die aufgeregten Kranken sind keine 
besonderen Vergitterungen, sondern es sind — wohl hier zum 
ersten Male — eiserne Fenster mit sehr dicken Scheiben zur 
Anwendung gebracht. 
Diese Einrichtung hat viele Vortheile und hat sich gut 
bewährt, ist aber etwas theuer. 
Da die Fenster die Größe der Fenster in den gewöhnlichen 
Wohnräumen haben, so sind die Zellen sehr hell und freundlich. 
Die Brüstungshöhe ist ca. 1,2 in. 
In den betreffenden Tagräumen der unruhigen Kranken 
sind die Fenster ebenfalls mit dickerenl Glas und eisernen 
Sprossen hergestellt. 
Jede Abtheilung hat, wie schon oben bemerkt, ihre beson 
deren Abtritte (Pissoirs) in unmittelbarer Verbindung, ebenso 
ihre Garderobe, Spül- und Theeküche. 
Die Arbeitssääle und Werkstätten der männlichen Kranke!: 
befinden sich im Erdgeschoß. 
Als Betsaal wird der im oberen Stock des Mittelbaus 
befindliche, oben angeführte Bibliotheksaal benützt und ist dessen 
Lage zwischen den weiblichen und männlichen Abtheilungen 
hiezu ganz geeignet. 
Uebrnmäude. 
In allen Wohn- und Schlafräumen der ruhigen Kranken 
sind solche in gewöhnlicher Weise verputzt und theils mit Leim 
farbe gestrichen, theils tapezirt. 
In den Räumen der aufgeregten und unreinlichen 
Kranken sind die Nebenwände mit Portlandcement verputzt 
und mit Oelfarbe angestrichen. 
Es ist nöthig, daß dieser Verputz nicht zu glatt abge 
schliffen oder abgerieben und wenn inöglich längere Zeit zur 
Erhärtung stehen gelassen, dann mit Schwefelsäure überstrichen 
wird, bevor der Oelfarbanstrich stattfindet. 
Abtritte. 
Dieselben haben sog. Asphaltschläuche, welche unten in 
fahrbare Fässer oder Tonnen (ko8868 mobile) münden, und 
werden die Fäcalstoffe zur Düngerbereitung für die Gemüse 
gärten verwendet. 
Ueber deren Ventilation, welche sich sehr bewährt hat, 
wird das Erforderliche weiter unten angegeben werden.
	        

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