Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1878)

600 °) so hohe Hitzgrade erzielte, daß selbst das Schmelzen von 
Gußstahl mit geringem Brennstoff ermöglicht wurde. Die Aus 
breitung dieser Regenerativ-Gasöfen erfolgte sehr schnell; sie 
fanden Anwendung für mannigfache Zwecke, zum Puddeln, 
Schweißen, Stahlschmelzen in Tiegeln oder auf dem Herde, 
zum Glasschmelzen u. s. w., und zwar stets mit bedeutendem 
ökonomischen Nutzen. Beim Stahlschmelzen in der Döhlener 
Gußstahlfabrik brauchte man früher auf 1 Zentner Gußstahl 
mehr als 100 Pfd. beste engl. Koaks im Werth von 4 Ji, 
bei Anwendung von Regenerativöfen 100 Pfd. böhmische 
Braunkohle im Werthe von 1,5 <A. 
Da die Regenerativ-Gasöfen bedeutende Anlagekosten und 
sehr sorgfältige Bedienung erfordern, gleichwohl aber so hohe 
Hitzegrade wie sie zu erzeugen vermögen, nicht in allen Fällen 
erforderlich sind, so griff man in neuerer Zeit wieder auf die 
ursprünglichen sogenannten direkten Gasfeuerungen zu 
rück, unter Benützung der Verbesserungen, welche Siemens 
bezüglich der Construktion und Situation des Gasgenerators 
gemacht hatte. Hiedurch scheint sich eine ganz neue Aera der 
Feuernngsanlagen anzubahnen, welche für die Zukunft große 
Umwälzungen erwarten läßt. Die Anwendung dieser direkten 
Gasfeuerungen ohne Gebläse ist schon jetzt eine sehr mannig 
fache; man wendet sie an bei Gasretortenöfen, Ziegel- und 
Porzellanöfen, Puddel-, Schweiß- und Schmelzöfen, Dampf 
kesseln u. s. w. und zwar in allen Fällen mit bedeutender Er- 
sparniß an Brennstoff. Während man beispielsweise in Flam 
menofen bei Rostfeuerung zum Schmelzen von 100 k Eisen 40 
bis 50 k Steinkohlen verbraucht, schmilzt man dasselbe Quan 
tum bei Gasfeuerung mit 17 bis 20 k. In der Frankfurter 
Gasanstalt ergab die Anwendung der direkten Gasfeuerung 
eine Ersparniß von 25 °/ 0 an Koaks und über 50 °/ 0 an Ar 
beitslohn. 
Ferner kamen noch zur Besprechung der Siemens'sche 
Leichenverbrennungsofen, und die Anwendung des Regene 
rationsprinzips zu Zwecken der Ventilation und der Wieder 
erwärmung. (Whitewells Apparat). 
Zum Schluß spricht der Redner noch sein Bedauern und 
seine Verwunderung aus, daß die Gasfeuerung in ihrem Ur 
sprungslande d. h. in Württemberg noch wenig Anwendung 
gefunden habe, obgleich hier die höchsten Brennstoffpreise in 
ganz Deutschland zu finden seien. Seines Wissens gebe es 
nur Gasöfen in Reutlingen und Heidenheim, betrieben mit 
bituminösem Schiefer und Torf. Ein weiterer Ofen sei in der 
Waiblinger Ziegelei im Bau begriffen. Selbst die neue Gas 
anstalt habe dieselbe noch nicht zur Anwendung gebracht. 
Der Vortrag wurde erläutert durch eine Reihe sche 
matischer Zeichnungen, welche die zu verschiedenen Zwecken 
dienenden Ofenkonstruklionen darstellten. 
Rach dem Vortrag zeigt Herr Ingenieur Wollmann aus 
Frankenthal einen neuen Heizapparat nach dem Patent des 
Fabrikanten Lieb au in Sudenburg bei Magdeburg, welcher 
den Zweck verfolgt die Zimmerhcizung mittelst der gewöhn 
lichen Oefen entbehrlich zu machen, indem er hiefür die in 
den Kochherden in so verschwenderischer Weise verloren gehende 
Wärme benützt. 
Der Feuerraum besteht aus zwei cylindrischen Schächten, 
welche mit Wassermänteln umgeben sind; mit diesen stehen die 
in den Zimmern aufgestellten Warmwafferheizöfen in Com- 
munikation, derart, daß das Wasser in fortwährendem Kreis 
lauf vom Herd im heißen Zustand (60"—70 ) zu den Oefen 
und von da in abgekühltcni Zustand wieder zurück zum Herd 
strömt. Anstatt der Wassermäntel werden auch im Kreise ge 
stellte Field'sche Röhren (senkrecht gestellte, schmiedeiserne 
Röhren, unten geschlossen, oben offen, mit Wasser gefüllt und 
vom Feuer umspielt), ferner Schlangenröhreu verwendet, welche 
den Feuerraum schraubenartig umwinden. Bei Anwendung 
von Field'schen Röhren oder von Schlangeuröhren wird der 
seitliche Luftabschuß erreicht durch einen mit Chamotte aus 
gefütterten Blechcylinder. Den Boden jedes Feuerraumes 
bildet ein Drehrost. 
Daß die Warmwafferheizung eine der der Gesundheit, 
dem Wohlbehagen und der Reinlichkeit am meisten zusagen 
den Zentralheizmethoden und dabei ungefährlich ist, hat die 
Erfahrung schon längst bewiesen. Leider aber konnte man 
sich ihre Vortheile seither blos bei größeren Anlagen, wie 
Schulen, Spitälern, Kasernen u. s. w. zu Nutzen machen, 
eben wegen der centralen Lage der Heizstelle, denn bei unserem 
Wohnsystem, wo gewöhnlich mehrere Familien ein Haus be 
wohnen, sind die Ansprüche an den Comfort zu verschiedenartig 
und die Anforderungen an eine Heizung zu weit auseinander 
gehend, als daß sich die Centralheizungen mit ihren Vortheilen 
bis jetzt hätten einbürgern können. Es muß deßhalb als eine 
glückliche Idee bezeichnet werden, den Kochherd derart aus 
zustatten, daß er als Centralheizapparat dienen und dabei 
gleichzeitig zu Kochzwecken benützt werden kann. Dadurch wird 
jede Haushaltung unabhängig von der andern und muß nicht 
länger die Vorzüge der Warmwafferheizung entbehren. 
Die Heizung des Herds geschieht mit Koaks. Für die 
Zwecke des Kochens und Bratens ist er ähnlich eingerichtet 
wie die gewöhnlichen Herde, nämlich mit Lothringen von ver 
schiedener Größe für die Löcher in der Herdplatte versehen. 
Auch ein Bratofen ist vorhanden, der aber besondere Feuerung 
hat. Ueberhaupt ist in Beziehung auf Gestalt, Ausstattung 
und Behandlung des Herds den seitherigen Gewohnheiten un 
serer Hausfrauen möglichst Rechnung getragen. Weiter ist 
durch einfache sinnreiche Vorrichtungen dafür gesorgt, daß man 
in der Küche weder durch Staub noch Rauch, die beim An 
feuern und Nachlegen beinahe unvermeidlich sind, belästigt 
wird. Schlackenbildung findet keine statt, da die mehr als '/- in 
hohe Koaksschichte wegen der Wasserkühlung nie weißglühend 
wird. 
Die Construktion der Zimmeröfen ist eine sehr einfache. 
Im wesentlichen bestehen sie aus 2 aufrecht stehenden, ebenen 
oder cylindrischen Blechwänden in Entfernung von zwei ein. 
parallel zu einander. Der Zwischenraum ist mit Wasser an 
gefüllt und natürlich ringsum verschlossen. Die Form der Oefen 
ist also entweder flach oder cylindrisch (in letzteren! Falle hohl). 
Es ist, wie man sieht, für eine möglichst große Abkühlungs 
fläche gesorgt, denn beim cylindrischen Ofen strömt die Zimmer 
luft auch in dem inneren Mantel von unten nach oben. Die Ein 
führung des heißen Wassers findet oben statt durch ein Hahn 
ventil, die Abführung in gleicher Weise unten. Durch Ab 
sperren seiner Ventile kann jeder Ofen außer Kommunikation 
mit der Leitung gesetzt werden. 
Ueber Betriebsresultate der Heizung mit dem neuen Herde 
sollen günstige Erfahrungen vorliegen. Ein von competenter - 
Seite stammender Bericht constatirt, daß die aus 9 durchschnitt 
lich 6 \ m hohen Zimmern bestehende Wohnung des Herrn 
Lieb au, welche eine Grundfläche von etwa 300 gm bedeckt, 
bei 0" äußerer Lufttemperatur eine Zimmertemperatur von 
16° bis 17° R. zeigte. Dabei war die Zimmerluft frisch und 
angenehm; auch war in der Küche keine Belästigung durch Koaks- 
gase zu verspüren. Nach Herrn Liebau's eigenen Angaben be 
läuft sich der Aufwand für Gaskoaks bei einer Wohnung von 
genannter Größe und bei mittlerer Wintertemperatur in 24 
Stunden auf 1 Ji 20 Eine Wohnung, bestehend aus 
Küche und 5 geheizten Zimmern würde etwa für 70 ge 
brauchen. Zur Beurtheilung der Anschaffungskosten mögen 
folgende Zahlen als Anhaltspunkte dienen: Ein Heiz- und 
Kochapparat kostet je nach der Größe, welche sich nach der 
Zahl der zu heizenden Zimmer (4 bis 15) richtet, 1050 bis 
2000 Ji Ein Apparat der blos zum Heizen von 4 Zimmern 
dient, kostet 825 Ji Für die übrige Einrichtung, wie Zim 
meröfen, Rohrleitungen, Wasserreservoir u. s. w. kann Ulan 
je nach der Ausstattung etwa 300 Ji für jedes Zimmer in 
Rechnung nehmen. 
Soweit die Einrichtung ohne Zeichnung nicht klar genug 
erscheint, erbietet sich Herr Liebau selbst oder dessen hiesiger 
Vertreter Herr Carl Dürr u. Comp, weitere Erläuterungen 
zu geben.
	        

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