19
geschützten Lage und nur ruhigen Belastung nicht in Anspruch
nehmen.
Er hat sich daher für berechtigt und veranlaßt halten
müssen, für diese Eventualität, die schon bei Aufstellung des
2ten Stocks in Aussicht genommene Verstärkung der Kon
struktion zu beantragen. Mit der von ihm im h. Auftrag
projektirten Einstellung der 3 Fachwerkswände wird allen
späteren Ansprüchen an weitere Belastung des 2ten Stockwerks
begegnet sein. Der Oberbaurath hebt noch hervor, wie diese
Lösung der Aufgabe die weitaus billigste in dem vorliegenden
Falle ist, wie das Vorgehen des Baupersonals überall und
immer sachgemäß auf die sorgfältig vorgenommenen Rechnun
gen gestützt war, und wie endlich diese Rechnungen von dem
Betriebsbauamt, vom technischen Bureau und von ihm im
Wesentlichen übereinstimmend, und zwar überall mit Absehen
von dem erwähnten älteren Sprengwerk der oberen Holzwand
gestellt worden sind, weil diese Letztere, obgleich seit längerer
Zeit sehr stark zur Tragleistung benützt, hiefür nicht nöthig war.
Nach Schluß des Vortrags richtet Herr Oberbaurath
Bok noch einige Fragen an den Vortragenden, betreffend die
Zeitdauer, über welche die Druckproben stattgefunden haben,
namentlich ob angemessene Zeitintervallen zwischen dem Auf
legen der Belastungsgewichte eingehalten worden seien? welche
im Einzelnen — Letztere bejahend — beantwortet wurden.
Exkursion -es Vereins nach Heidelkerg
den 14. Juli 1878.
Zu den gelungensten Exkursionen, die der Verein für Bau
kunde seit Jahren unternommen hat, gehört unstreitig die am
14. Juli d. I. nach Heidelberg ausgeführte. Wie nicht leicht
eine andere erfüllte sie den doppelten Zweck: Beziehungen
zwischen den Vereinsmitgliedern unter sich und zwischen den
Nachbarvereinen anzuknüpfen und zu befestigen, sowie durch
unmittelbare Anschauung bedeutender Werke anregend und
praktisch belehrend zu wirken.
Zu den geeignetsten Ausflugspunkten hiezu zählt gewiß
vermöge seiner Lage und seiner Schätze Stadt und Schloß
Heidelberg.
Durch langandauernd trübes Wetter, das dem Zusammen
kunftstage vorherging, hatten sich leider viele Vereinsmit
glieder von der Theilnahme am Ausflug abhalten lassen, um
so zuversichtlicher fuhren die eingetroffenen 12 Herren und
1 Dame in separatem Wagen dem Rheingau entgegen, das
sie mit den ganzen Tag andauerndem Sonnenschein empfing.
Die in Heidelberg fast gleichzeitig ankommenden Züge
brachten die Kollegen von Karlsruhe, Darmstadt, Frankfurt,
Mainz, Gießen in rascher Folge, und begab sich die nunmehr
ca. 40 Herren zählende Gesellschaft unter Anführung der
Heidelberger Kollegen sofort hinauf in den alten prächtigen
Schloßgarten, dessen Restauration alsbald den Zweck erreichte,
seine Gäste für die in Aussicht stehenden hohen Genüsse, die
Natur und Kunst dort bringen, thunlichst empfänglich zu machen.
Da es der Zweck dieser Zeilen nicht sein kann, die histo
rische Entwicklung des Aufbaues, sowie der Zerstörung des
in seiner Art schönsten Schlosses zu schildern, so sei nur er
wähnt, daß die berühmten Ruinen wohl selten eingehender
besichtigt und aufrichtiger bewundert wurden.
Unter den Heidelberger Herren, die das Führeramt im
Schloß unternommen hatten, sind besonders Herr Anwalt Maps,
Stadtrath und Landtagsabgeordneter, der als einer der gründ
lichsten Kenner der dortigen Schloßruinen die Güte hatte, die
Motive, die in charakteristischer Weise in den verschiedenen
Fanden durch Architektur und figürlichen Schmuck zum Aus
drucke kommen, in seinem Vortrag zu erklären, sowie Herr
Domäneverwalter Futterer, der in zuvorkommender Weise es
ermöglichte, die Ruinen von deren Fuß mit den manigfachen
Minenherden an, bis zum Kaminschoß eingehendst kennen zu
lernen.
Das Mittagsmahl im Gasthof zum Prinz Carl vereinigte
die Gesellschaft, die theils die übrigen Sehenswürdigkeiten
Heidelbergs, z. B. die prächtige, von Herr Bauinspektor
Williard aus Karlsruhe restaurirte Jesuitenkirche besichtigt,
theils den Biergehalt der Stadt geprüft hatte, in gemüthlicher
heiterer Stimmung; die höhere Weihe erhielt es jedoch durch
die freundliche Theilnahme verschiedener Kolleginnen, die in nicht
hoch genug zu rühmender Weise den ferneren Unternehmungen
der Gesellschaft zu Land und zu Wasser sich angeschlossen
hatten.
Nach Beendigung des mit Musikbegleitung und trefflichen
Reden gewürzten Mittagsmahles, gehalten durch die Herren
Professor Sonne von Darmstadt, Bauinspektor Behagel
von Heidelberg, Oberbaurath v. Schlierholz von Stuttgart,
Professor Wagner von Darmstadt, wanderte die Gesellschaft
über den Schloßberg an den Schloßruinen, dem kühlen Wolfs
brunnen vorbei dem gastlichen Schlierbach zu.
Die Pflicht der Dankbarkeit erfordert jetzt schon der freund
lichen Aufopferung zu erwähnen, mit der die Herren Bau
inspektor Behagel und Stadtbaumeister Ingenieur Schaber
von Heidelberg die Leitung während des übrigen Tages über
nommen hatten; die genannten Herren hatten sich große Ver
dienste erworben um den ferneren, wirklich gelungenen Verlauf
des Abends.
Die Stimmung in Schlierbach war die gehobenste und
kam in der ritterlichsten Weise zum Ausdruck, der Einfluß des
Geschehenen und Erlebten: die stolze Burgruine, der prächtige
wundervolle Spaziergang in die dunkle Schlucht beim Wolfs
brunnen und der ausgezeichnete Bierstoff forderten bald auf
zum Turnieren mit dem Stechgang witziger und spitziger
Reden, Salamander wurden bekämpft und mußten, wenn auch
oft erst nach langem Todeskampfe, unterliegen und kaum wird
eine „Kunigunde" vielbegehrter gewesen sein, als die von
Schlierbach.
Die Heimfahrt auf dem Neckar verlief ebenfalls in der
gelungensten Weise; die Lorelei, alt Heidelberg wurden in
rührender, schiffsplankenbrechender Weise besungen und der
Abend selbst vereinigte die immer mehr sich verkleinernde Ge
sellschaft, die schließlich noch aus den Heidelberger Kollegen
und einem Theile unserer Mitglieder bestand, unter dem be
währten Schutze des genius loci, bis der Mitternachtzug auch
diese letzteren abberief und des andern Tages in früher Morgen
stunde in den Bahnhof Stuttgart glücklich einlieferte.
Sämmtliche Theilnehmer am Ausflug werden trotz großer
Anstrengung nur mit dem Gefühl der Freude und des Dankes
Heidelbergs und der dort vereinigt gewesenen Kollegen ge
denken und gerne für den gehegten Wunsch auch das nächste
Jahr und zwar am oberen Neckar zusammenzukommen, in den
Kreisen ihrer Fachgenossen wirken.
v. Seeger.