Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1878)

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geschützten Lage und nur ruhigen Belastung nicht in Anspruch 
nehmen. 
Er hat sich daher für berechtigt und veranlaßt halten 
müssen, für diese Eventualität, die schon bei Aufstellung des 
2ten Stocks in Aussicht genommene Verstärkung der Kon 
struktion zu beantragen. Mit der von ihm im h. Auftrag 
projektirten Einstellung der 3 Fachwerkswände wird allen 
späteren Ansprüchen an weitere Belastung des 2ten Stockwerks 
begegnet sein. Der Oberbaurath hebt noch hervor, wie diese 
Lösung der Aufgabe die weitaus billigste in dem vorliegenden 
Falle ist, wie das Vorgehen des Baupersonals überall und 
immer sachgemäß auf die sorgfältig vorgenommenen Rechnun 
gen gestützt war, und wie endlich diese Rechnungen von dem 
Betriebsbauamt, vom technischen Bureau und von ihm im 
Wesentlichen übereinstimmend, und zwar überall mit Absehen 
von dem erwähnten älteren Sprengwerk der oberen Holzwand 
gestellt worden sind, weil diese Letztere, obgleich seit längerer 
Zeit sehr stark zur Tragleistung benützt, hiefür nicht nöthig war. 
Nach Schluß des Vortrags richtet Herr Oberbaurath 
Bok noch einige Fragen an den Vortragenden, betreffend die 
Zeitdauer, über welche die Druckproben stattgefunden haben, 
namentlich ob angemessene Zeitintervallen zwischen dem Auf 
legen der Belastungsgewichte eingehalten worden seien? welche 
im Einzelnen — Letztere bejahend — beantwortet wurden. 
Exkursion -es Vereins nach Heidelkerg 
den 14. Juli 1878. 
Zu den gelungensten Exkursionen, die der Verein für Bau 
kunde seit Jahren unternommen hat, gehört unstreitig die am 
14. Juli d. I. nach Heidelberg ausgeführte. Wie nicht leicht 
eine andere erfüllte sie den doppelten Zweck: Beziehungen 
zwischen den Vereinsmitgliedern unter sich und zwischen den 
Nachbarvereinen anzuknüpfen und zu befestigen, sowie durch 
unmittelbare Anschauung bedeutender Werke anregend und 
praktisch belehrend zu wirken. 
Zu den geeignetsten Ausflugspunkten hiezu zählt gewiß 
vermöge seiner Lage und seiner Schätze Stadt und Schloß 
Heidelberg. 
Durch langandauernd trübes Wetter, das dem Zusammen 
kunftstage vorherging, hatten sich leider viele Vereinsmit 
glieder von der Theilnahme am Ausflug abhalten lassen, um 
so zuversichtlicher fuhren die eingetroffenen 12 Herren und 
1 Dame in separatem Wagen dem Rheingau entgegen, das 
sie mit den ganzen Tag andauerndem Sonnenschein empfing. 
Die in Heidelberg fast gleichzeitig ankommenden Züge 
brachten die Kollegen von Karlsruhe, Darmstadt, Frankfurt, 
Mainz, Gießen in rascher Folge, und begab sich die nunmehr 
ca. 40 Herren zählende Gesellschaft unter Anführung der 
Heidelberger Kollegen sofort hinauf in den alten prächtigen 
Schloßgarten, dessen Restauration alsbald den Zweck erreichte, 
seine Gäste für die in Aussicht stehenden hohen Genüsse, die 
Natur und Kunst dort bringen, thunlichst empfänglich zu machen. 
Da es der Zweck dieser Zeilen nicht sein kann, die histo 
rische Entwicklung des Aufbaues, sowie der Zerstörung des 
in seiner Art schönsten Schlosses zu schildern, so sei nur er 
wähnt, daß die berühmten Ruinen wohl selten eingehender 
besichtigt und aufrichtiger bewundert wurden. 
Unter den Heidelberger Herren, die das Führeramt im 
Schloß unternommen hatten, sind besonders Herr Anwalt Maps, 
Stadtrath und Landtagsabgeordneter, der als einer der gründ 
lichsten Kenner der dortigen Schloßruinen die Güte hatte, die 
Motive, die in charakteristischer Weise in den verschiedenen 
Fanden durch Architektur und figürlichen Schmuck zum Aus 
drucke kommen, in seinem Vortrag zu erklären, sowie Herr 
Domäneverwalter Futterer, der in zuvorkommender Weise es 
ermöglichte, die Ruinen von deren Fuß mit den manigfachen 
Minenherden an, bis zum Kaminschoß eingehendst kennen zu 
lernen. 
Das Mittagsmahl im Gasthof zum Prinz Carl vereinigte 
die Gesellschaft, die theils die übrigen Sehenswürdigkeiten 
Heidelbergs, z. B. die prächtige, von Herr Bauinspektor 
Williard aus Karlsruhe restaurirte Jesuitenkirche besichtigt, 
theils den Biergehalt der Stadt geprüft hatte, in gemüthlicher 
heiterer Stimmung; die höhere Weihe erhielt es jedoch durch 
die freundliche Theilnahme verschiedener Kolleginnen, die in nicht 
hoch genug zu rühmender Weise den ferneren Unternehmungen 
der Gesellschaft zu Land und zu Wasser sich angeschlossen 
hatten. 
Nach Beendigung des mit Musikbegleitung und trefflichen 
Reden gewürzten Mittagsmahles, gehalten durch die Herren 
Professor Sonne von Darmstadt, Bauinspektor Behagel 
von Heidelberg, Oberbaurath v. Schlierholz von Stuttgart, 
Professor Wagner von Darmstadt, wanderte die Gesellschaft 
über den Schloßberg an den Schloßruinen, dem kühlen Wolfs 
brunnen vorbei dem gastlichen Schlierbach zu. 
Die Pflicht der Dankbarkeit erfordert jetzt schon der freund 
lichen Aufopferung zu erwähnen, mit der die Herren Bau 
inspektor Behagel und Stadtbaumeister Ingenieur Schaber 
von Heidelberg die Leitung während des übrigen Tages über 
nommen hatten; die genannten Herren hatten sich große Ver 
dienste erworben um den ferneren, wirklich gelungenen Verlauf 
des Abends. 
Die Stimmung in Schlierbach war die gehobenste und 
kam in der ritterlichsten Weise zum Ausdruck, der Einfluß des 
Geschehenen und Erlebten: die stolze Burgruine, der prächtige 
wundervolle Spaziergang in die dunkle Schlucht beim Wolfs 
brunnen und der ausgezeichnete Bierstoff forderten bald auf 
zum Turnieren mit dem Stechgang witziger und spitziger 
Reden, Salamander wurden bekämpft und mußten, wenn auch 
oft erst nach langem Todeskampfe, unterliegen und kaum wird 
eine „Kunigunde" vielbegehrter gewesen sein, als die von 
Schlierbach. 
Die Heimfahrt auf dem Neckar verlief ebenfalls in der 
gelungensten Weise; die Lorelei, alt Heidelberg wurden in 
rührender, schiffsplankenbrechender Weise besungen und der 
Abend selbst vereinigte die immer mehr sich verkleinernde Ge 
sellschaft, die schließlich noch aus den Heidelberger Kollegen 
und einem Theile unserer Mitglieder bestand, unter dem be 
währten Schutze des genius loci, bis der Mitternachtzug auch 
diese letzteren abberief und des andern Tages in früher Morgen 
stunde in den Bahnhof Stuttgart glücklich einlieferte. 
Sämmtliche Theilnehmer am Ausflug werden trotz großer 
Anstrengung nur mit dem Gefühl der Freude und des Dankes 
Heidelbergs und der dort vereinigt gewesenen Kollegen ge 
denken und gerne für den gehegten Wunsch auch das nächste 
Jahr und zwar am oberen Neckar zusammenzukommen, in den 
Kreisen ihrer Fachgenossen wirken. 
v. Seeger.
	        

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