Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1878)

Elfte ordentliche Versammlung am 5. Oktober 1878. 
Vorsitzender: Oberbaurath v. Schlierholz, 
Schriftführer: Bauinspektor u. Seeger. 
Anwesend: 24 hiesige Mitglieder, 1 auswärtiges und 2 Gäste. 
Der Vorsitzende eröffnet die Versammlung, indem er die 
anwesenden Mitglieder begrüßt und den Wlnrsch ausdrückt, 
es möchten die Vereinsabende des zweiten Halbjahrs von 
zahlreichen, freudig gebenden und willig nehmenden Mitglie 
dern besucht werden. 
Als auswärtiges Mitglied wird Herr Schimpf, Straßen 
baumeister in Ulm, als Gäste die Herren Baumeister Laist- 
ner von hier und Schön, dzt. in Grabenbruk, Prov. Han 
nover, vorgestellt und begrüßt. 
Der Vorsitzende theilt mit, daß der Verein ein auswär 
tiges Mitglied, Herrn Bauinspektor K achter in Ebingen, 
durch den Tod am 30. September verloren habe. Der Staat 
beklage den Verlust eines treuen Beamten, die Bekannten des 
Verstorbenen den eines redlichen Freundes. Die Anwesenden 
drücken ihr Beileid durch Erheben von den Sitzen aus. 
Ferner zeigt Herr Sektions-Ingenieur Wundt in Schorn 
dorf seinen Austritt aus dem Verein an. 
Ohne Ballotage werden in den Verein als auswärtige 
Mitglieder aufgenommen: 1) Herr Ingenieur Gugler, dzt. 
in Schömberg, vorgeschlagen durch Herrn Baurath Leib brand; 
2) Herr Baumeister Seible, dzt. in Bondorf, vorgeschlagen 
durch Herrn Oberbaurath v. Morlok; 3) Herr Baumeister 
Zügel, Bauamtsvcrwescr in Ebingen, vorgeschlagen durch 
Oberbaurath v. Schlier holz; 4) Herr Sachse, technischer 
Direktor bei der Schleppschiffahrts-Gesellschaft in Heilbronu, 
vorgeschlagen durch Herrn Straßenbauinspektor Sch aal da 
selbst, und 5) Herr Ingenieur B aur in Döttingen O.A. Kün- 
zelsau, vorgeschlagen durch Herrn Bauinspektor Ruff in Hall. 
Es wird mitgetheilt, daß an Geschenken resp. durch Tausch 
eingegangen sind: vom Ingenieur-Verein in Gent: von den 
Annales de 1’Association des Jngenieurs sortis des Ecoles 
speciales de Gent, die Hefte 1 und 2 von 1876—1877, des 
gleichen 1877—1878; ferner Annaise, vom 2. Jahrgang 1878, 
sowie Heft 3—8 u. 10 der Bulletins mensuel; vom Ingenieur- 
verein zu Stockholm das Heft pro 1878; der Prospektus über 
Ausgabe sächsischer Herrensitze und Schlösser von Hänel, 
Adam und Corn. Gurlitt in Dresden, sowie Mitthei 
lungen über die Beschlüsse der 7. Abgeordnetenversammlung 
in Dresden. 
Sodann erhält Herr Prof. Baumgärtner als De- 
legirter des hiesigen Vereins bei der Dresdener 7. Abgeordneten- 
versammluug das Wort ju einen: Referat über die Thätig 
keit dieser Versammlung. Da die sehr interessanten und 
gewissenhaften Aufzeichnungen des Herrn Redners nunmehr 
auch ausführlich in der deutschen Bauzeitung und in einem 
besonders gedruckten Protokoll bekannt gegeben worden, so 
wird auf letztere hieinit verwiesen und nur für den hiesigen 
Verein als wesentlich wissenswerth bezeichnet, daß unter den 
neuen Aufgaben über die Erfahrungen beim Betonbau dem 
Architekten- und Jngenieurverein zu Hannover das Referat 
und unserem Verein das Eorreferat übertragen wurde und 
daß bezüglich der Druckhöhenverluste durch Röhren Herr 
Oberbaurath Dr. v. Ehmann in Aussicht stellte, noch vor 
Winter das Resultat seiner Versuche übergeben zu können. 
Der Vorsitzende drückt den verbindlichsten Dank des Ver 
eins für die mannigfachen Opfer an Zeit, Mühe und Geld, 
die Referent gebracht hatte, aus, mit). die anwesenden Mit 
glieder erheben sich zum Ausdruck ihrer Erkenntlichkeit von 
den Sitzen. 
Schließlich ergreift der Vorsitzende, Oberbaurath v. Schlier 
holz, selbst das Wort zu einem längeren Bericht über die 
Festtage, welche die Dresdener den Besuchern der dritten Ge 
neralversammlung deutscher Architekten und Ingenieure am 
1. September und den folgenden Tagen dort geboten hatten. 
In sehr lebendig gehaltenem Vortrage führt er die An 
wesenden zunächst über die alte von 1110 herstammende von 
Math. Fotius erbaute, seither vielfach veränderte Augu- 
stusbrücke, entwickelt uns das unvergleichlich schöne Bild 
Elbe auf und Elbe ab mit den neuen steiueren Brücken: der 
Marienbrücke elbabwärts für Eisenbahn- und Straßenver 
kehr, der Albert brücke Elbe auf nur für Straßenverkehr; 
vor sich in der Altstadt die majestätische kath. Kirche von 
Chiaveri von Rom aus den Jahren 1739—1753, mit ihrem 
elegant sich verjüngenden Säulenthurme, dahinter die Thürme 
der gothischen Sophieukirche 1864—1868 von Prof. Arnold 
umgebaut, links die Frauenkirche mit ihrer imposanten im 
Licht 20 in weiten Kuppel von Georg Bähr aus den Jahren 
1726—1738 mit all ihren Leidens- und Schmerzeusgeschichten 
für den endlich nach seinem Tode nach vielen Anfechtungen 
noch siegreich hervorgegangenen Baumeister, rechts der unter 
August I. (dem Starken) im Barokstyl von unvergleichlichem 
Reiz von Pöppelmanu aus 7 Projekten — als Theil des 
großen Schloßbauprojektes — entstandene und von 1711 
bis 1722 erbaute sog. Zwinger, flankirt durch das von Prof. 
G. Semper von 1847—1856 erbaute mustergiltige Museum, 
worauf er. auf das neue Theater, welches weiter rechts sich 
im Vordergrund hervorragend für das Entre Dresdens sehr 
ausschlaggebend darstellt, übergeht und benicrkt, wie das alte, 
den 21. September 1869 abgebrannte Gottfr. Semper'sche 
Theater sich ungleich schöner präsentirt habe, wogegen das 
neue, ebenfalls durch Prof. G. Semper entworfene und von 
seinem Sohne Manfred von 1871—1878 ausgeführte von 
der Brücke aus sich in der perspektivischen Darstellung von 
Vorder- und- Nebenseite weniger günstig dadurch mache, daß 
der Architekt die verschiedenen inneren Bestimmungen im 
Aeußern zum Ausdruck brachte und besonders das Bühnen 
haus in seiner großen Höhe und nüchternen Behandlung einen 
unschönen Eindruck mache und in keiner Harmonie mit den 
vordern sehr reichen Gebäudetheilen stehe; wir erfahren, daß 
die hiefür ständisch bewilligten, Anfangs zu 1,560,000 M. und 
nach dem rektifizirten lieberschlag zu 2,295,000 M. berechneten 
Baukosten sich bei der Ausführung auf 4,064,825 J& beliefen 
und bei einem Gesammtaufwand von 4,200,000 M. der Quadrat 
meter Gebäudegrundfläche 807,6 JL kostete, wogegen das Neu 
städter Alberitheater von Architekt Schreiber 1871—73 er 
baut, pro Quadratmeter nur 215 M.\ das Innere des neuen 
Theaters schilderte der Vortragende in seiner praktischen An 
ordnung, sowie bezüglich der Ventilation als gelungen, wenn 
auch den Zuschauerraum in seiner dekorativen Ausstattung 
nicht in allen Theilen als harmonisch. 
Derselbe geleitet uns weiter in die verschiedenen Kirchen, 
worunter er besonders der neuen von Architekt Mökel in 
den letzten 3'/- Jahren in frühgothischem Style erbauten Jo 
hanniskirche mit seiner vortrefflichen stylistischeu Durchführung 
ermähnt, ferner der von dem russischen Architekten Boße von 
1872—1874 erbauten russischen Kuppelkirche in byzantinischem 
Styl, sowie der von Semper 1838—1840 erbauten Syna 
goge, die wohl als Typus unserer derzeitigen neuen Syna 
gogen betrachtet werden dürfe, in die Schloßhöfe mit ihren
	        

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