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kommen, als solche von Holz, aber das hängt theils von
örtlichen und temporären Verhältnissen ab, theils von der Art
der Konstruktion, z. B. der Größe der Spannweite, theils
kann dies auch nur in relativem Sinne als richtig gelten,
indem man die verhältnißmäßig längere Dauer und Unzerstör
barkeit der Eisenkonstrnktion mit in Rechnung zieht, was eben
in der gewöhnlichen Praxis, bei gewöhnlichen, aber gerade der
größeren Zahl von Bauten leider nicht in entsprechendem
Maße zu geschehen pflegt.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß bei uns in Deutschland
das Holz eben im Allgemeinen verhältnißmäßig noch billiger
ist als das Eisen. Hiegegen dürfte allerdings in direkter Weise
schwer anzukämpfen sein, wenn nicht, was übrigens fast sicher
zu erwarten, die Preisverhältnisse sich in Zukunft für das
Eisen noch günstiger gestalten werden, namentlich durch Ein
führung zweckentsprechender (d. h. besserer und tragsähigerer und
somit auch billigerer) Profile von Seite der Eisenwerke, dies
zugleich in deren eigenem Interesse, wie das in Belgien und
England z. B. schon längst der Fall ist, und wird es weiter
Sache der Techniker selbst sein, sich mit den Lehren der tech
nischen Mechanik immer auf vertrautem Fuße zu befinden, da
eben die passenden Dimensionen bei Eisenkonstruktion sich nicht
so leicht durch bloße noch sehr junge Erfahrung oder durch
praktisches Gefühl bestimmen lassen, das vermöge der viel
hundertjährigen Erfahrungen in Holz und Stein wohl der Fall
sein kann; oder sollten da und dort eigene technische Bureaux
errichtet werden, in denen gegen angemessenes Entgelt die
nöthigen Berechnungen angestellt werden, wie das z. B. in
Paris bereits der Fall ist und auch in Deutschland da und
dort bereits angebahnt wird.
Sodann gibt es ja doch eine Menge Fälle, wie z. B.
öffentliche Bauten, Eisenbahn-Hochbauten, bessere Privatbauten,
größere Viehstallungen, industrielle Anlagen der verschiedensten
Art. Magazinsbauten, größere Gerüste rc., wo jene relative
größere Wohlfeilheit in Anbetracht der viel längeren Dauer
von Eisenkonstruktionen zur absoluten werden kann, in Betracht
der denkbaren zu Folge der Unhaltbarkeit und Verbrennlichkeit
der Holzkonstruktion später nothwendig werdenden kostspieligen und
vielleicht in hohem Grade störenden Wiederherstellungen derselben.
Wir halten diesen Punkt für sehr wichtig und erblicken
hierin für jeden einsichtigen Techniker einen bedeutenden Sporn
für die von demselben in Betracht zu ziehende Wahl von
Eisenkonstruktionen gegenüber von solchen in Holz. Es kommen
hiebei auch noch andere Punkte in Betracht, die auf den
Kostenpunkt bezüglich der Eisenkonstruktion mindernd einzuwirken
und ihn gegenüber von Holz- oder Steinkonstruktion mehr aus
zugleichen geeignet sind, wie z. B. schwächere Umfassungs-,
Widerlags- und Fundamentmauern; wenn allerdings vielleicht
auch nicht gerade in dem Grade, wie das schon manchmal behauptet
worden, insofern die Stabilitätsverhältnisse derselben eben auch
ihre Berücksichtigung verlangen und der Techniker hiebei nicht
riskiren darf, mit der durch die gewählten Eisenkonstruktionen
gesuchten größeren Dauerhaftigkeit durch daraus gefolgerte allzu
geringe Mauerstärken so zu sagen vom Regen in die Traufe
zu kommen. Es liegen in dieser Beziehung schon vielfache
sehr schätzenswerthe Arbeiten vor, die Anleitung zu vergleichen
den Betrachtungen geben können, wie z. B. in den verschiedenen
neueren Lehrbüchern über Eisenkonstruktionen, in der schon
oben berührten Abhandlung von Daelen und in einem erst
kürzlich erschienenen Buche von Meiners: „das städtische
Wohnhaus der Zukunft". Indem wir uns hiemit erlauben,
hierauf hinzuweisen, erachten wir es deshalb nicht als Zweck
dieser Zeilen, auf einzelne Punkte näher einzugehen, eine
förmliche Abhandlung über Spezialkonstruktionen zu schreiben.
Im klebrigen wird wohl jeder gebildete Techniker, der auf
wissenschaftlichem Boden steht, selbst hiefür urtheilsfähig genug
fein; für diesen bedarf es wohl kaum eines Anreizes in dieser
Beziehung.
Dagegen aber dürfte es sich als sehr zweckmäßig erweisen,
der großen Anzahl solcher Techniker, welche eine wissenschaft
liche Bildung nicht genossen haben, aber mitten im praktischen
Leben stehen und weitaus die größere Zahl der gewöhnlicheren
Wohnhaus- und anderen Bauten in Händen haben, in pas
sender Weise eine Anregung und Anleitung zu geben zu rich
tigem Verständniß und richtiger sachgemäßer Behandlung der
Eisenkonstruklion. Hiezu erachten wir nun eine entsprechende,
diesen Zweck vor Augen habende Abhandlung über das We
sentlichste der Eisenkonstruktion als das wirksamste Mittel. In
dieser Abhandlung müßte eine leichtfaßliche, wo möglich po
pulär gehaltene, für jeden mit den nöthigen Schulkenntnissen
ausgestatteten Techniker verständliche Theorie der gewöhnlichen
im praktischen Leben vorkommenden Eisenkonstruktionen mit
Aufstellung einer einfachen Berechnungsart bezüglich der Trag
kraft, der praktischen Anwendbarkeit, namentlich auch des Ko
stenpunktes ine Vergleich zu den dasselbe Ziel anstrebenden
Holz- oder Steinkonstruklionen nöthigenfalls im Zusammen
hang mit anderen hierauf bezüglichen Betrachtungen itiib Rech
nungen über Mauer- und Widerlagsstärken u. s. w. gegeben
werden. Dieser Abhandlung müßten, entweder in unmittel
barem Zusammenhang damit oder besser vielleicht in einer
besondern selbständigen Abtheilung eine Menge gut und an
schaulich in Wort und Zeichnung dargestellter Beispiele beige
geben werden, die aus dem unmittelbaren gewöhnlichen prak
tischen Leben gegriffen, besonders zur Nacheiferung anmuthen
und auffordern sollten, so daß der Techniker so unmittelbar
als möglich das für seinen Fall Passende finden, und mit nur
verhältnißmäßig geringer Modifikation anwenden könnte; hie
bei wären aber alle abnormen, der höhern monumentalen
Architektur entnommenen Konstruktionen als nicht hieher ge
hörig auszuschließen.
Eine solche eben genannte ganz vortreffliche Abhandlung,
was wenigstens den theoretischen Theil betrifft, ist erst kürzlich
im Buchhandel erschienen, betitelt I. G. Jntze, Prof, am
Polytechnikum in Aachen, welche, wie der Vorrede zu entneh
men, eben zu dem genannten Zwecke aus Veranlassung der
selben Frage, wie sie schon im Jngenieurverein zu Aachen auf
gestellt worden, eigens geschrieben worden ist.
Es dürfte sich also vielleicht nur darum handeln, dieselbe
in der erwähnten von einem gewandten, zugleich küustlerisch ge
bildeten Konstrukteur abzufassenden Beispielsammlung entspre
chend zu illustriren und noch leichtfaßlicher und zur unmittel
baren Handhabung für den einfachen, nicht höher geschulten
Hochbautechniker geeignet zu machen, um es so zu ermöglichen,
auf die große, fast ausschließlich in Händen der meist nicht
mit den theoretischen Kenntnissen ausgestatteten landstädtischen
Baumeister, Werkmeister rc. befindliche Privatpraxis bei ge
wöhnlichen Wohn- und andern Gebäuden im Sinne der ver
mehrten Einführung des Eisens in den Hochbau einzuwirken.
Außerdem aber dürfte es Sache der sämmtlichen technischen
Lehranstalten sein, die heranzuziehende Jugend, in deren Hän
den die zukünftige Technik liegt, entsprechend zu unterrichten;
ebenso Sache der höher stehenden gebildeten Staats- und
städtischen Techniker, von sich aus durch Beispiel und persön
liche Aufmunterung und Einwirkung sowohl bei ihren Fach
genossen, als namentlich auch bei Behörden, Privaten, bei
Bauherren, in öffentlichen Blättern, durch Publikation entspre
chend vorzugehen und die Anwendung des Eisens aus allen
für dasselbe sprechenden, oben berührten und auch nicht be
rührten Gründen, namentlich was größere Leichtigkeit, Soli
dität, Feuersicherheit u. s. w. betrifft, zu empfehlen.
Zur Beurkundung:
Stuttgart, den 16. Februar 1879.
I. Schlierholz,
Vereinsvorstand.