Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1879)

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haben das nicht mehr erlebt; ersterer ist schon 1856, letzterer 
1859 gestorben. Beide haben um die Hebung unseres Standes 
große Verdienste erworben, Brey mann durch seine allgemein 
geschätzte dreibändige Baukonstruktionslehre und Manch durch 
die künstlerischen Anregungen und Eindrücke, die er vielen 
jugendlichen Gemüthern bleibend mitgetheilt hat, sowie durch 
seine Hinweisungen auch auf die Bauwerke des Mittelalters, 
welche vorher von unseren Architekten häufiger zerstört als 
studirt und conservirt worden sind. 
Auf noch verdienstvollere Nachfolger Heigelins am heu 
tigen Polytechnikum könnte ich hinweisen und ihnen in unser 
aller Namen den aufrichtigsten Dank sagen für die glänzende 
Pflege, die sie dem architektonischen Unterricht in Württemberg 
und der Blüthe der Architektur in diesem Lande angedeihen 
lassen, wenn es gestattet wäre, über mitlebende Kollegen ein 
Urtheil auszusprechen. Ein Blick auf die 3 Säle, in welchen 
die Werke der heutigen Generation beisammen stehen, wird 
wirkungsvoller und beredter, als ich es könnte, dieses Lob verkünden. 
In dem Saal der Arbeiten der bereits dahingeschiedenen 
Kollegen sehen wir außer den Arbeiten der schon erwähnten 
Baumeister auch noch das äußerst sorgfältig hergestellte und aus 
gebildete Modell eines großen wunderschön gruppirten, ungemein 
anmuthigen und mit klassischer Stylreinheit und Schönheit 
durchgeführten öffentlichen Gebäudes und ferner eine Menge 
kleiner, aber mit erstaunlichem Fleiß und Schönheitssinn aus 
geführter Entwürfe und Zeichnungen. Es ist das die Aus 
stellung von Arbeiten desjenigen württembergischen Architekten, 
der an allgemeiner, gesellschaftlicher und fachlicher Bildung allen 
anderen vorangeht und an Talent kauni irgend einem nach 
steht: es ist die Ausstellung des 1796 in Breslau geborenen 
und 1857 in Stuttgart verstorbenen Hofbaumeisters Dr. Lud 
wig v. Zanth, von dem schon mehrfach die Rede war. Nach 
dem er bis zu seinem 19. Jahre Gymnasien und mehrere Jahre 
lang Fischers Atelier besucht hatte, setzte er seine Studien von 
1820 an in der Ecole des beaux arts in Paris fort, schloß 
sich während dessen an Hittorf an, mit dem er von 1822 bis 
1824 Italien bereiste und als Frucht dieser Reise die beiden 
Prachtwerke „Architecture moderne de la Sicile“ und „Arcbi- 
tecture antique de la Sicile“ herausgab. Von 1824 bis 1830 
war er stets gemeinschaftlich mit Hittorf für den französischen 
Hof beschäftigt und kehrte dann nach Stuttgart zurück, wo er 
zuerst viele Villen baute, auch für einen ungarischen Edelmann 
Pläne zu einem großen Schloß bearbeitete, welche ausgeführt 
wurden. 1839 erbaute er das Theater auf der Wilhelm« 
und von 1840 bis 1852 die Wilhelm« selbst, das Hauptwerk 
seines Lebens; eine Schöpfung, die ohne sein Verschulden ab 
seits des Hauptstromes der modernen Baubestrebungen liegt, 
aber in ihrer Art unübertroffen dasteht und selbst im Orient 
ihres Gleichen kaum hat. Es liegt darin ein solcher Schatz von 
Schönheitssinn, eine solche Fülle von Erfindung und liebevoller 
Hingabe, daß man diesen Bau wohl das architektonische Juwel 
Württembergs nennen kann. — 1853 entwarf Zanth drei ver 
schiedene Pläne für den Königsbau, die dem verewigten Könige 
auch alle wohl gefielen, aber zu theuer schienen. Er wollte 
nicht mehr als 300,000fl. darauf verwenden. Zanth hielt diese 
Summe bei der Größe der Aufgabe für zu klein und die 
Folgezeit hat die Nichtigkeit dieser Anschauung bestätigt. Dieser 
Bau kam deßhalb in andere, und schon begonnen, noch ein 
mal in andere Hände; Zanth aber ging tief verstimmt und 
gebrochenen Muthes zu seinem Jugendfreund Hittorf und mit 
diesem zum zweitenmale nach Italien, von wo er 1856 zurück 
kam, um bald darauf zu sterben. 
Hier sollte ich meine bereits etwas lang gewordenen Notizen 
schließen, aber es ist Pflicht, noch einiger anderer durch Stellung 
oder Tüchtigkeit hervorragender Berufsgenossen, welche weniger 
durch Lehre als durch die That und das lebendige Beispiel unser 
Fach gefördert haben, wenigstens kurz zu gedenken. 
Von diesen reiht sich den älteren an der Erbauer des 
Staatsarchives und der Kunstschule, der gut unterrichtete und 
feinsinnige Oberbaurath v. Barth; sodann der Meister des 
Kronprinzen-Palais, der Berger Kirche und vieler Eisenbahnen, 
der vielseitige und von seinem Könige allezeit hochgeschätzte Ober 
baurath Dr. v. Gaab; ferner mein früherer spezieller Kollege, 
der durch seine Herausgabe der Basiliken Roms, durch den Bau 
der Jubiläumssäule, der K. Adjutantur und vieler Privat 
bauten, sowie als erster Baumeister des Königsbaus bekannte 
Hofbaumeister Michael v. Knapp; weiter der berühmte 
Beförderer des Studiums der gothischen Baukunst Karl 
Heideloff, welcher unserem Lande nicht blos durch Geburt, 
sondern theilweis auch durch seine Bauthätigkeit angehört; end 
lich der künstlerisch so gebildete Karl Beisbarth, über dessen 
treffliche gothischen Entwürfe und Aufnahmen und dessen gelun 
gene Bauten modernen Styles (Haus Bohnenberger und Villa 
Single) wir uns so oft gefreut haben. Schließlich wollen wir 
aber auch die freundlichste Erinnerung bewahren unseren lieben 
Freunden Heimerdinger, Silber und Spindler, deren 
Bild durch ihre trefflichen Arbeiten wieder lebhaft uns entgegen 
tritt und uns daran mahnt, wie biedere und hochgeachtete Ge 
nossen wir an ihnen verloren haben. 
Theilweise ergreifender noch als die Arbeiten der Todten 
wirken die der Lebenden und namentlich auch die der jüngeren Ge 
neration auf uns. Ebenso glänzend ist vielfach deren Erfindung wie 
deren Darstellung. Auch unter diesen wären große Talente 
zu nennen, deren Einfluß auf die heutige Architektur unseres 
Landes schon jetzt augenfällig ist und in den nächsten Jahrzehnten 
wohl noch mehr hervortreten wird. Eine künftige Generation 
darf dieselben beurtheilen, wir aber wollen uns des hoffnungs 
vollen Nachwuchses aufrichtig freuen. 
Beil. 6, zur 10. Versammlung. 
Gericht 
über 
die Ausstellung von architektonischen planen und Entwürfen, vornemlich aus dem Heöiete 
des Mofanbaues, 
veranstaltet vom Verein für Baukunde vom 17. Mai bis 3. Juni 1879. 
Ermuntert durch die Erfahrungen, welche der Verein bei 
seinen früheren Ausstellungen gemacht und durch die Erfolge, 
die er damit erzielt (es waren deren 2, die erste stm Jahre 
1875 aus dem Gebiete des Kirchcnbancs, die zweite im Jahre 
1877 aus dem Gesammtgebiet des Jngenieurwesens), hat er 
im Jahre 1879 eine dritte Ausstellung veranstaltet, und zivar 
diesmal hauptsächlich aus dem Gebiete des Profanbaues, 
während vom Kirchenbau nur solche Arbeiten aufgenommen
	        

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