43
haben das nicht mehr erlebt; ersterer ist schon 1856, letzterer
1859 gestorben. Beide haben um die Hebung unseres Standes
große Verdienste erworben, Brey mann durch seine allgemein
geschätzte dreibändige Baukonstruktionslehre und Manch durch
die künstlerischen Anregungen und Eindrücke, die er vielen
jugendlichen Gemüthern bleibend mitgetheilt hat, sowie durch
seine Hinweisungen auch auf die Bauwerke des Mittelalters,
welche vorher von unseren Architekten häufiger zerstört als
studirt und conservirt worden sind.
Auf noch verdienstvollere Nachfolger Heigelins am heu
tigen Polytechnikum könnte ich hinweisen und ihnen in unser
aller Namen den aufrichtigsten Dank sagen für die glänzende
Pflege, die sie dem architektonischen Unterricht in Württemberg
und der Blüthe der Architektur in diesem Lande angedeihen
lassen, wenn es gestattet wäre, über mitlebende Kollegen ein
Urtheil auszusprechen. Ein Blick auf die 3 Säle, in welchen
die Werke der heutigen Generation beisammen stehen, wird
wirkungsvoller und beredter, als ich es könnte, dieses Lob verkünden.
In dem Saal der Arbeiten der bereits dahingeschiedenen
Kollegen sehen wir außer den Arbeiten der schon erwähnten
Baumeister auch noch das äußerst sorgfältig hergestellte und aus
gebildete Modell eines großen wunderschön gruppirten, ungemein
anmuthigen und mit klassischer Stylreinheit und Schönheit
durchgeführten öffentlichen Gebäudes und ferner eine Menge
kleiner, aber mit erstaunlichem Fleiß und Schönheitssinn aus
geführter Entwürfe und Zeichnungen. Es ist das die Aus
stellung von Arbeiten desjenigen württembergischen Architekten,
der an allgemeiner, gesellschaftlicher und fachlicher Bildung allen
anderen vorangeht und an Talent kauni irgend einem nach
steht: es ist die Ausstellung des 1796 in Breslau geborenen
und 1857 in Stuttgart verstorbenen Hofbaumeisters Dr. Lud
wig v. Zanth, von dem schon mehrfach die Rede war. Nach
dem er bis zu seinem 19. Jahre Gymnasien und mehrere Jahre
lang Fischers Atelier besucht hatte, setzte er seine Studien von
1820 an in der Ecole des beaux arts in Paris fort, schloß
sich während dessen an Hittorf an, mit dem er von 1822 bis
1824 Italien bereiste und als Frucht dieser Reise die beiden
Prachtwerke „Architecture moderne de la Sicile“ und „Arcbi-
tecture antique de la Sicile“ herausgab. Von 1824 bis 1830
war er stets gemeinschaftlich mit Hittorf für den französischen
Hof beschäftigt und kehrte dann nach Stuttgart zurück, wo er
zuerst viele Villen baute, auch für einen ungarischen Edelmann
Pläne zu einem großen Schloß bearbeitete, welche ausgeführt
wurden. 1839 erbaute er das Theater auf der Wilhelm«
und von 1840 bis 1852 die Wilhelm« selbst, das Hauptwerk
seines Lebens; eine Schöpfung, die ohne sein Verschulden ab
seits des Hauptstromes der modernen Baubestrebungen liegt,
aber in ihrer Art unübertroffen dasteht und selbst im Orient
ihres Gleichen kaum hat. Es liegt darin ein solcher Schatz von
Schönheitssinn, eine solche Fülle von Erfindung und liebevoller
Hingabe, daß man diesen Bau wohl das architektonische Juwel
Württembergs nennen kann. — 1853 entwarf Zanth drei ver
schiedene Pläne für den Königsbau, die dem verewigten Könige
auch alle wohl gefielen, aber zu theuer schienen. Er wollte
nicht mehr als 300,000fl. darauf verwenden. Zanth hielt diese
Summe bei der Größe der Aufgabe für zu klein und die
Folgezeit hat die Nichtigkeit dieser Anschauung bestätigt. Dieser
Bau kam deßhalb in andere, und schon begonnen, noch ein
mal in andere Hände; Zanth aber ging tief verstimmt und
gebrochenen Muthes zu seinem Jugendfreund Hittorf und mit
diesem zum zweitenmale nach Italien, von wo er 1856 zurück
kam, um bald darauf zu sterben.
Hier sollte ich meine bereits etwas lang gewordenen Notizen
schließen, aber es ist Pflicht, noch einiger anderer durch Stellung
oder Tüchtigkeit hervorragender Berufsgenossen, welche weniger
durch Lehre als durch die That und das lebendige Beispiel unser
Fach gefördert haben, wenigstens kurz zu gedenken.
Von diesen reiht sich den älteren an der Erbauer des
Staatsarchives und der Kunstschule, der gut unterrichtete und
feinsinnige Oberbaurath v. Barth; sodann der Meister des
Kronprinzen-Palais, der Berger Kirche und vieler Eisenbahnen,
der vielseitige und von seinem Könige allezeit hochgeschätzte Ober
baurath Dr. v. Gaab; ferner mein früherer spezieller Kollege,
der durch seine Herausgabe der Basiliken Roms, durch den Bau
der Jubiläumssäule, der K. Adjutantur und vieler Privat
bauten, sowie als erster Baumeister des Königsbaus bekannte
Hofbaumeister Michael v. Knapp; weiter der berühmte
Beförderer des Studiums der gothischen Baukunst Karl
Heideloff, welcher unserem Lande nicht blos durch Geburt,
sondern theilweis auch durch seine Bauthätigkeit angehört; end
lich der künstlerisch so gebildete Karl Beisbarth, über dessen
treffliche gothischen Entwürfe und Aufnahmen und dessen gelun
gene Bauten modernen Styles (Haus Bohnenberger und Villa
Single) wir uns so oft gefreut haben. Schließlich wollen wir
aber auch die freundlichste Erinnerung bewahren unseren lieben
Freunden Heimerdinger, Silber und Spindler, deren
Bild durch ihre trefflichen Arbeiten wieder lebhaft uns entgegen
tritt und uns daran mahnt, wie biedere und hochgeachtete Ge
nossen wir an ihnen verloren haben.
Theilweise ergreifender noch als die Arbeiten der Todten
wirken die der Lebenden und namentlich auch die der jüngeren Ge
neration auf uns. Ebenso glänzend ist vielfach deren Erfindung wie
deren Darstellung. Auch unter diesen wären große Talente
zu nennen, deren Einfluß auf die heutige Architektur unseres
Landes schon jetzt augenfällig ist und in den nächsten Jahrzehnten
wohl noch mehr hervortreten wird. Eine künftige Generation
darf dieselben beurtheilen, wir aber wollen uns des hoffnungs
vollen Nachwuchses aufrichtig freuen.
Beil. 6, zur 10. Versammlung.
Gericht
über
die Ausstellung von architektonischen planen und Entwürfen, vornemlich aus dem Heöiete
des Mofanbaues,
veranstaltet vom Verein für Baukunde vom 17. Mai bis 3. Juni 1879.
Ermuntert durch die Erfahrungen, welche der Verein bei
seinen früheren Ausstellungen gemacht und durch die Erfolge,
die er damit erzielt (es waren deren 2, die erste stm Jahre
1875 aus dem Gebiete des Kirchcnbancs, die zweite im Jahre
1877 aus dem Gesammtgebiet des Jngenieurwesens), hat er
im Jahre 1879 eine dritte Ausstellung veranstaltet, und zivar
diesmal hauptsächlich aus dem Gebiete des Profanbaues,
während vom Kirchenbau nur solche Arbeiten aufgenommen