Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1879)

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und Herbstes neu erstellt worden war, einer eingehenden Erläu 
terung: so die reich stilistisch, mit biblischen Darstellungen be 
malten Fenster des Querschiffes und der Chöre, in welch' 
ersterem einerseits die Patriarchen und Propheten, andererseits 
Kirchenlehrer und Apostel dargestellt sind (von der Regensburger 
Glasmalerei), während die in den Seitenchören (von der Mayer'- 
schen Kunstanstalt in München) und die am Hauptchore (ent 
worfen von Professor Klein in Wien, ausgeführt von der 
Tyroler Glasmalereianstalt in Innsbruck) das Leben und Leiden 
Christi, Kreuzigung, Auferstehung, Verklärung, sodann das 
Pfingstfest, die Verleihung des Schlüsselamtes und in der Mitte 
die Krönung Mariä zeigen. Die Pracht dieser durchweg meister 
haft ausgeführten Darstellungen kommt vorzugsweise im Haupt 
chor zur Wirkung. Die Fenster des Langhauses erhielten vorerst 
nur Butzenscheiben mit gemalten Kanten — Kathedralglas -— 
und eine Bemalung der Maßwerke. Letztere, sowie die Dar 
stellung der hl. Cäcilia über der Orgel sind von Glasmaler 
Hecht in Ravensburg ausgeftihrt. Der Hanptaltar von 
weißem und farbigem Marmor, vergoldeter Brouce und kostbar 
emaillirt, dessen Mensa auf Säulen ruht und dessen Aufbau 
sich treppenförmig für die Ausstellung der Leuchter und in der 
Mitte eine auf zierlichen Säulchen ruhende Kuppel — zur Auf 
nahme von Kreuz oder Monstranze — tragend, erhebt und der sich 
leicht von dem grünen, teppichartig gemalten Hintergründe ab 
hebt, ist ausgeführt in dem Etablissement von Brunet in Paris; 
der Marienaltar des linksseitigen Seitenchores von Bildhauer 
Metz in Gebratshofen in gelungenster Weise von Eichenholz 
über marmorner Mensa ausgeführt, berechtigt zu der Annahme, 
daß auch der noch fehlende rechtseitige Nebenaltar ein Meisterwerk 
werde. Zu nennen sind ferner der Taufstein von Marmor 
auf 3 Säulchen, die Chorstühle (aus der Mayer'schen Anstalt 
in München), die Comunicantenbank aus Marmor, die 
Orgel mit 26 Registern von Walker in Ludwigsburg (welche 
von Herrn Attinger, Hauptlehrer am Conservatorium gespielt, 
von bester Wirkung sich erwies), die Kanzel, die Beicht- und 
Kirchstühle von Brauer hier, sowie der Fußboden aus 
Mettlacher Plättchen mit reichen Teppichmustern. Bei der 
Besichtigung waren auch die von Sr. Majestät dem Könige ge 
stifteten Altarleuchter, die Monstranz, Rieß- und Communion- 
relche mit Meßkrügen auf dem Altare, das Prozessionskreuz 
daneben aufgestellt und der Kronleuchter für das ewige Licht 
bereits aufgehängt, alles in Bronce mit reicher Vergoldung aus 
geführt. 
Die Beschauer empfiengen wohl Alle den Eindruck vollster 
Harmonie bei edler Einfachheit und die Ueberzeugung, daß auch 
das Innere der Kirche reichlich dazu beiträgt, das Ganze zu 
einem Meisterwerke frühgothischen Stiles zu erheben. 
Rach beendigter Besichtigung begab sich ein Theil der 
Mitglieder nebst Damen (ein anderer Theil ließ sich durch den 
seltenen schönen Nachmittag zu einem Spaziergange verleiten) 
in das Vercinslokal, woselbst sich Gelegenheit bot, den Erbauer 
der Kirche zu seinem wohlgelungenen Werke zu beglückwünschen 
und ihm für die freundliche Führung zu danken. 
Lai st n er. 
Von einem Mitglieds, das arn Erscheinen durch Unwohlsein 
verhindert ivar, traf nachträglich folgende gereimte Beglückwün 
schung ein: 
Der Meister, der in Straßburg, 
Ter wunderschönen Stadt, 
Den Wunderbau des Münsters 
Einst aufgerichtet hat, 
Erwin, der aus dem Dunkel 
Des Grabes auferstand. 
Zeigt seines Geistes Werke 
Uns jetzt ini Schwabenland. 
Seht da die Kirche glänzen 
In ihres Baues Pracht; 
Das hat Erwin der Meister 
Voll hohen Geists erdacht. 
Drum hat ihn auch sein König 
Geschmückt mit Krön und Stern, 
Deß freu'n sich seine Freunde, 
Und gratuliren gern. 
Sie heben hoch die Gläser 
Und rufen mit Vergunst: 
Erwinus redivivus 
Leb hoch mit seiner Kunst! 
fünfzehnte ordentliche Wersammkung 
vom 22. November 1879. 
Vorsitzender: Oberbaurath v. Schlierholz. 
Schriftführer: Bauinspektor Knoll. 
Anwesend: 33 Mitglieder und 1 Gast. 
Der Vorsitzende stellt der Versanimlung Herrn Baumeister 
Engel als Gast vor. 
Das Protokoll der letzten Sitzung wird zur Verlesimg ge 
bracht und genehmigt. 
Sodann macht der Vorsitzende Mittheilung über die vom 
Komits für die Gründung einer Ferdinand Redtenbacher-Stiftung 
in Steyer eingelaufene Bitte um Unterstützung. Die Stiftung 
soll bedürftigen Studirenden technischer Fächer die zu ihrem Stu 
dium erforderlichen Mittel gewähren und es sollen aus derselben 
zunächst Stipendien für die technische Schule in Steyer und das 
Polytechnikum in Karlsruhe errichtet werden. Die Beschaffung 
der Geldmittel soll durch den Verkauf einer Festschrift: Geistige 
Bedeutung der Mechanik und geschichtliche Skizze der Entdeckung 
ihrer Prinzipien, ein Vortrag von Ferdinand Redtenbacher ge 
halten im Herbst 1859, herausgegeben von dessen Sohn Rudolf 
Redtenbacher, sowie durch sonstige Beiträge zu dieser Stiftung 
erfolgen. Das KomitS hat ein Exemplar dieser Schrift einge 
sendet und bringt der Vorsitzende diese unter den hiesigen Vereins 
mitgliedern zur Subskription, wobei er auf die bahnbrechenden 
Leistungen Ferd. Redtendacher's auf deni Gebiete der Mechanik 
hinweist und um Unterstützung des genannten Unternehmens 
bittet. Auswärtige Mitglieder können durch portofreie Einsendung 
von 2 <Mx 40 diese Schrift durch den Vereinsvorstand oder 
durch das betr. Komits in Steyer in Oesterreich erhalten. 
Herr Professor Laißle hält hierauf einen Vortrag über 
eine im vergangenen Sommer vorgenommene Reise nach Italien, 
wie er in Beil. 1 — hiezu Zeichnungsbeil. 2 — enthalten ist. 
Bei der hierauf erfolgten Discussion erwidert Herr Ober 
baurath v. Schlier holz, dem Herrn Vortragenden zugleich 
für das Mitgetheilte dankend, daß er, als er vor 2 Jahren in 
einer Streitangelegenheit Schiedsrichter anl Gotthardtunnel war, 
das Tunnelgemäuer — soweit er sich Ueberzeugung von demselben 
verschaffen konnte — weit nicht in dem von dem Herrn Pro 
fessor geschilderten Zustande fand. Es sei zivar richtig, daß auf 
Göschener Seite weniger genau gemauert, aber immerhin auf gute 
Mörtelverbinduug und für das Gewölbe auch auf gute Bearbei 
tung der Steine gesehen worden sei, auf der Strecke gegen Airolo 
aber sei die Pünktlichkeit geradezu übertrieben worden iit einer 
Weise, wie dies bei uns kaum verlangt und vorkommen würde. 
Dies bilde ein Gegenstück zu der vom Herrn Vorredner 
geschilderten, gewiß nicht nachahmenswerthen Mauerung an der 
Bahnstrecke B r u n n e n - G ö s ch e n e n, bei welcher jedoch nicht vergessen 
werden dürfe, daß fiir ein solches tüchtige Maurer und ein sehr 
guter Mörtel allzeit zu Gebot stehe ohne welche Factoreu, be 
sonders für Eisenbahnbauten, wenn nicht eine übergroße Mauer 
stärke gewählt werden wolle, keine Dauer gewährende Arbeit 
erwartet werden könne.
	        
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