9
schnelles unvorsichtiges Ausschalen herbeigeführt. Auch zu langes
Warten sei gefährlich.
Die weitere Frage der Tagesordnung betrifft das Arbeiter
unfallversicherungsgesetz.
Baurath Kaiser als Vorsitzender der für diese Frage ge-
wählten Commission berichtet die Beschlüsse der letzteren und die
Beantwortung der von Hannover aus gestellten Fragen.
Frage 1: Ist die Angelegenheit als eine dringende zu
bezeichnen?
Beschluß: Ja!
Frage 2: Soll der Vorstand gegen die Ausdehnung des
Arbeiterversicherungsgesetzes auf das Baugewerbe an geeigneter
Stelle vorstellig werden?
Beschluß: Nein!
Frage 3: Sollen Abänderungen einzelner Bestimmungen des
Gesetzes vorgeschlagen werden und eventuell welche?
Diese Frage, bei welcher nicht zu verkennen, daß das Gesetz
manche Jnteressenkreise in ihrer Selbstständigkeit alteriren und das
Baugewerbe wesentlich belasten würde, während dasselbe andrerseits
auch manche Härten und Unsicherheiten des Haftpflichtgesetzes
vom Jahre 1871 auszugleichen und so für die Sicherstellung der
Arbeiter in socialer Beziehung viel Gutes zu schaffen geeignet
wäre, hat zu nachstehenden Erörterungen Anlaß gegeben.
Die Commission ist der Ansicht, die Versicherung nur auf
deutsche Arbeiter auszudehnen und zwar wegen der Schwierig
keiten des Auffindens der Hinterbliebenen in außerdeutschen Ländern,
in welchen unter Umständen die im Entwürfe vorgesehenen auch
zahlungspflichtige Armenverbände fehlen könnten.
Baumeister Jooß glaubt, daß zur Zeit der Fertigung des
Entwurfes fremde Arbeiter gar nicht iur Auge behalten worden seien.
Oberbaurath v. Schlierholz schlägt vor, diesen Passus nur
als Frage zu behandeln.
Die Bestimmungen des Z. 5, wonach nur der Schaden,
welcher durch eine Verletzung entsteht, die eine Erwerbsunfähigkeit
von mindestens 4 Wochen zur Folge hat, ersetzt werden soll, er
scheinen der Commission zu hart und beantragt sie, zu setzen:
„eine Erwerbsunfähigkeit von 8 Tagen zur Folge hat; bei
schweren Verletzungen und Tödtung soll die Rente vom Tage
des Unfalls an berechnet werden."
Die Versammlung ist hiemit einverstanden.
Bezüglich des §. 11 betreffend die Aufbringung der Ver
sicherungsprämie glaubt die Commission, daß auch der Versicherte
selbst in Mitleidenschaft zu ziehen sei und zwar mit etwa '/- der
Versicherungsprämie, da sonst von den Arbeitern das Gesetz als
socialistischen Zwecken dienend, angesehen werden könnte.
Einverstanden.
Zu §. 36 wünscht die Commission, daß eine nähere Prü-
cisirung des Ausdrucks „grobes Verschulden" gegeben werde
und daß diese Bezeichnung nur auf wenige leicht nachweisbare
und grell zu Tage tretende Fälle angewendet werden solle.
Baumeister Jooß stellt die schlimme Lage des Unternehmers
dar, der die Versicherungsprämie bezahlen müsse und oft noch
dazu gestraft werde.
Baurath Köhler ist der Ansicht, daß es seither den Gerichten
bei Beurtheilung technischer Fragen an der nöthigen Assistenz
gefehlt habe.
Es sollte ein förmliches Baugericht über solche Fälle ab
urtheilen, da 2 oft noch beliebig gewählte Experten nicht maß
gebend sein können.
Oberbaurath v. Schlier holz weist darauf hin, daß dieser
Wunsch schon früher im Vereine geäußert und dabei auf die
Einrichtung in Wien hingewiesen worden sei. Es sollten Be
stimmungen über die richtige Wahl der Experten getroffen werden.
Weiter hat die Commission nichts zu bemerken.
Hierauf wird die Versammlung geschlossen.
Der Schriftführer:
C a n z.
Sechste Versammlung am 26. März 1881.
Vorsitzender: Oberbaurath n. Schlierholz.
Schriftführer: Baumeister Lang.
Anwesend: 9 Mitglieder.
Der Vorsitzende theilt den Tod zweier Vereinsmitglieder,
der Herrn Betriebsbauinspektoren Mayer in Biberach
und Eßlinger in Rottweil mit. Die Versammlung erhebt sich
zmn ehrenden Andenken an die Verstorbenen von den Sitzen.
Das neu aufgenommene hiesige Mitglied Baumeister Weifert
wird vom Vorsitzenden eingeführt und begrüßt.
Baumeister Canz verliest das Protokoll der letzten Ver
einsversammlung, das ohne Debatte genehmigt wird.
Die zur Berathung der Verbandsfrage über den Volkswirth
schaftsrath gewählte Kommission hat sich noch nicht konstituirt, da
die Herren Oberbaurath v. Egle, Oberbaurath vr. v. Ehmann
und Baurath Leibbrand wegen Geschäftsüberbürdung nicht
theilnehmen konnten. Für vr. v. Ehmann, der um Enthebung
bat, trat Professor Walter ein. Die Frage kann demnach erst
in der nächsten Vereinsversanimlung berathen werden.
Ebenso diejenige iiber Aenderung des §. 18 der Vereins
statuten.
Eingelaufen ist:
Vom Verbandsvorstand: der gedruckte Vortrag von
Bauinspektor Gustav Meyer in Berlin und Ingenieur Gleim
in Hannover über das auswärtige Vereinswesen und die Nutz
anwendung auf die deutschen Vereine. Zur Berathung dieser
Thesen schlägt der Vorsitzende eine Kommission von 7 Mit
gliedern vor; es werden gewählt Oberbaurath v. Schlier holz,
v. Egle, v. Leins, Baurath Leibbrand, Baumeister Lang
und Architekt Beck und Gerok.
Darauf wird zur Berathung der im Fragekasten enthaltenen
Frage geschritten:
Woraus erklärt sich der gegenwärtige schwache
Besuch der Vereinsversammlungen?
Der Vorsitzende glaubt, es können hier 2 Ursachen mit
wirken. Einmal, daß in Süddeutschland das warme Interesse
am Vereinsleben, wie 'man es anderwärts finde, überhaupt fehle,
daß insbesondere die Schwaben gerne „eigenbrägeln", daß aber
auch das Interesse am Fache selbst schwach sein müsse, wenn
man so wenig sich bei Fachversammlungen betheilige. Die
häufig gehörte Entschuldigung wegen Mangels an Zeit könne er
nicht gelten lassen, denn man finde Zeit zu allem, an was man
eine Freude habe.
Sodann könne aber auch der Fehler am Vereine selbst
liegen, sei es, daß dessen Statuten einer Revision bedürfen, sei
es, daß der Vorstand nicht konvenire, (wobei Redner betont, wie
oft er schon gebeten habe, frische Kräfte zu wählen), sei es end
lich, daß die Programme der Versammlungen zu wenig Interesse
bieten. Wenn letzteres der Fall, so liege aber die Schuld wieder
an den Mitgliedern selbst. Vorträge werden immer nur von einer
ganz bestimmten Minderzahl von Mitgliedern gehalten, die übrigen
seien blos passive Besucher und Kritiker. Es wäre sehr zu
wünschen, daß die aktive Betheiligung aller Mitglieder eine
lebendigere würde. Alan solle sich nicht einbilden, daß jedesmal
ein großer Vortrag gehalten werden müsse, auch kleine Mitthei
lungen werden gerne entgegengenommen, regen zum Austausch der
Erfahrungen an und seien dadurch gewinnbringend für Jeden.
Insbesondere dürfte unter den jüngern Architekten mehr Eifer
herrschen, es gebe doch so viel Interessantes, theils aus ihren Reise
studien, theils aus kleinen Entwürfen, Concurrenzen rc., mitzu
theilen; da und dort werden Erfahrungen über neue Constructionen
gesammelt, die werthvoll seien und die nicht jeder selbst machen
könne.
Baurath Güntter regt 3 Punkte an, die bessernd wirken
könnten. Erstens seien die Beamten zu sehr mit Geschäften über-
bürdet, so daß sie froh seien, auch einmal einen freien Augen
blick zu haben, den sie ihrer Familie widmen können. Man
solle sie nicht mit Aktenmaterial fast erdrücken, dann haben sie
mehr Zeit und Lust zu freier Thätigkeit in ihrem Fache, was
2