Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1881)

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schnelles unvorsichtiges Ausschalen herbeigeführt. Auch zu langes 
Warten sei gefährlich. 
Die weitere Frage der Tagesordnung betrifft das Arbeiter 
unfallversicherungsgesetz. 
Baurath Kaiser als Vorsitzender der für diese Frage ge- 
wählten Commission berichtet die Beschlüsse der letzteren und die 
Beantwortung der von Hannover aus gestellten Fragen. 
Frage 1: Ist die Angelegenheit als eine dringende zu 
bezeichnen? 
Beschluß: Ja! 
Frage 2: Soll der Vorstand gegen die Ausdehnung des 
Arbeiterversicherungsgesetzes auf das Baugewerbe an geeigneter 
Stelle vorstellig werden? 
Beschluß: Nein! 
Frage 3: Sollen Abänderungen einzelner Bestimmungen des 
Gesetzes vorgeschlagen werden und eventuell welche? 
Diese Frage, bei welcher nicht zu verkennen, daß das Gesetz 
manche Jnteressenkreise in ihrer Selbstständigkeit alteriren und das 
Baugewerbe wesentlich belasten würde, während dasselbe andrerseits 
auch manche Härten und Unsicherheiten des Haftpflichtgesetzes 
vom Jahre 1871 auszugleichen und so für die Sicherstellung der 
Arbeiter in socialer Beziehung viel Gutes zu schaffen geeignet 
wäre, hat zu nachstehenden Erörterungen Anlaß gegeben. 
Die Commission ist der Ansicht, die Versicherung nur auf 
deutsche Arbeiter auszudehnen und zwar wegen der Schwierig 
keiten des Auffindens der Hinterbliebenen in außerdeutschen Ländern, 
in welchen unter Umständen die im Entwürfe vorgesehenen auch 
zahlungspflichtige Armenverbände fehlen könnten. 
Baumeister Jooß glaubt, daß zur Zeit der Fertigung des 
Entwurfes fremde Arbeiter gar nicht iur Auge behalten worden seien. 
Oberbaurath v. Schlierholz schlägt vor, diesen Passus nur 
als Frage zu behandeln. 
Die Bestimmungen des Z. 5, wonach nur der Schaden, 
welcher durch eine Verletzung entsteht, die eine Erwerbsunfähigkeit 
von mindestens 4 Wochen zur Folge hat, ersetzt werden soll, er 
scheinen der Commission zu hart und beantragt sie, zu setzen: 
„eine Erwerbsunfähigkeit von 8 Tagen zur Folge hat; bei 
schweren Verletzungen und Tödtung soll die Rente vom Tage 
des Unfalls an berechnet werden." 
Die Versammlung ist hiemit einverstanden. 
Bezüglich des §. 11 betreffend die Aufbringung der Ver 
sicherungsprämie glaubt die Commission, daß auch der Versicherte 
selbst in Mitleidenschaft zu ziehen sei und zwar mit etwa '/- der 
Versicherungsprämie, da sonst von den Arbeitern das Gesetz als 
socialistischen Zwecken dienend, angesehen werden könnte. 
Einverstanden. 
Zu §. 36 wünscht die Commission, daß eine nähere Prü- 
cisirung des Ausdrucks „grobes Verschulden" gegeben werde 
und daß diese Bezeichnung nur auf wenige leicht nachweisbare 
und grell zu Tage tretende Fälle angewendet werden solle. 
Baumeister Jooß stellt die schlimme Lage des Unternehmers 
dar, der die Versicherungsprämie bezahlen müsse und oft noch 
dazu gestraft werde. 
Baurath Köhler ist der Ansicht, daß es seither den Gerichten 
bei Beurtheilung technischer Fragen an der nöthigen Assistenz 
gefehlt habe. 
Es sollte ein förmliches Baugericht über solche Fälle ab 
urtheilen, da 2 oft noch beliebig gewählte Experten nicht maß 
gebend sein können. 
Oberbaurath v. Schlier holz weist darauf hin, daß dieser 
Wunsch schon früher im Vereine geäußert und dabei auf die 
Einrichtung in Wien hingewiesen worden sei. Es sollten Be 
stimmungen über die richtige Wahl der Experten getroffen werden. 
Weiter hat die Commission nichts zu bemerken. 
Hierauf wird die Versammlung geschlossen. 
Der Schriftführer: 
C a n z. 
Sechste Versammlung am 26. März 1881. 
Vorsitzender: Oberbaurath n. Schlierholz. 
Schriftführer: Baumeister Lang. 
Anwesend: 9 Mitglieder. 
Der Vorsitzende theilt den Tod zweier Vereinsmitglieder, 
der Herrn Betriebsbauinspektoren Mayer in Biberach 
und Eßlinger in Rottweil mit. Die Versammlung erhebt sich 
zmn ehrenden Andenken an die Verstorbenen von den Sitzen. 
Das neu aufgenommene hiesige Mitglied Baumeister Weifert 
wird vom Vorsitzenden eingeführt und begrüßt. 
Baumeister Canz verliest das Protokoll der letzten Ver 
einsversammlung, das ohne Debatte genehmigt wird. 
Die zur Berathung der Verbandsfrage über den Volkswirth 
schaftsrath gewählte Kommission hat sich noch nicht konstituirt, da 
die Herren Oberbaurath v. Egle, Oberbaurath vr. v. Ehmann 
und Baurath Leibbrand wegen Geschäftsüberbürdung nicht 
theilnehmen konnten. Für vr. v. Ehmann, der um Enthebung 
bat, trat Professor Walter ein. Die Frage kann demnach erst 
in der nächsten Vereinsversanimlung berathen werden. 
Ebenso diejenige iiber Aenderung des §. 18 der Vereins 
statuten. 
Eingelaufen ist: 
Vom Verbandsvorstand: der gedruckte Vortrag von 
Bauinspektor Gustav Meyer in Berlin und Ingenieur Gleim 
in Hannover über das auswärtige Vereinswesen und die Nutz 
anwendung auf die deutschen Vereine. Zur Berathung dieser 
Thesen schlägt der Vorsitzende eine Kommission von 7 Mit 
gliedern vor; es werden gewählt Oberbaurath v. Schlier holz, 
v. Egle, v. Leins, Baurath Leibbrand, Baumeister Lang 
und Architekt Beck und Gerok. 
Darauf wird zur Berathung der im Fragekasten enthaltenen 
Frage geschritten: 
Woraus erklärt sich der gegenwärtige schwache 
Besuch der Vereinsversammlungen? 
Der Vorsitzende glaubt, es können hier 2 Ursachen mit 
wirken. Einmal, daß in Süddeutschland das warme Interesse 
am Vereinsleben, wie 'man es anderwärts finde, überhaupt fehle, 
daß insbesondere die Schwaben gerne „eigenbrägeln", daß aber 
auch das Interesse am Fache selbst schwach sein müsse, wenn 
man so wenig sich bei Fachversammlungen betheilige. Die 
häufig gehörte Entschuldigung wegen Mangels an Zeit könne er 
nicht gelten lassen, denn man finde Zeit zu allem, an was man 
eine Freude habe. 
Sodann könne aber auch der Fehler am Vereine selbst 
liegen, sei es, daß dessen Statuten einer Revision bedürfen, sei 
es, daß der Vorstand nicht konvenire, (wobei Redner betont, wie 
oft er schon gebeten habe, frische Kräfte zu wählen), sei es end 
lich, daß die Programme der Versammlungen zu wenig Interesse 
bieten. Wenn letzteres der Fall, so liege aber die Schuld wieder 
an den Mitgliedern selbst. Vorträge werden immer nur von einer 
ganz bestimmten Minderzahl von Mitgliedern gehalten, die übrigen 
seien blos passive Besucher und Kritiker. Es wäre sehr zu 
wünschen, daß die aktive Betheiligung aller Mitglieder eine 
lebendigere würde. Alan solle sich nicht einbilden, daß jedesmal 
ein großer Vortrag gehalten werden müsse, auch kleine Mitthei 
lungen werden gerne entgegengenommen, regen zum Austausch der 
Erfahrungen an und seien dadurch gewinnbringend für Jeden. 
Insbesondere dürfte unter den jüngern Architekten mehr Eifer 
herrschen, es gebe doch so viel Interessantes, theils aus ihren Reise 
studien, theils aus kleinen Entwürfen, Concurrenzen rc., mitzu 
theilen; da und dort werden Erfahrungen über neue Constructionen 
gesammelt, die werthvoll seien und die nicht jeder selbst machen 
könne. 
Baurath Güntter regt 3 Punkte an, die bessernd wirken 
könnten. Erstens seien die Beamten zu sehr mit Geschäften über- 
bürdet, so daß sie froh seien, auch einmal einen freien Augen 
blick zu haben, den sie ihrer Familie widmen können. Man 
solle sie nicht mit Aktenmaterial fast erdrücken, dann haben sie 
mehr Zeit und Lust zu freier Thätigkeit in ihrem Fache, was 
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