Full text: Sitzungs-Protokolle / Verein für Baukunde in Stuttgart (1881)

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JünfzeHnte Wersamml'ung, den 3. Dezember 1881. 
Vorsitzender: Oberbaurath v. Schlierholz. 
Schriftführer: Baumeister Laistner. 
Anwesend: 16 Mitglieder. 
Nach Genehmigung des Protokolls der letzten Versammlung ! 
gibt der Vorsitzende folgende Mittheilungen: 
Auf eine wegen der hohen Lokaliniete an den Verwaltnngs- 
rath der Museumsgesellschaft gerichtete Vorstellung hat dieser die 
Miete von 300 di auf 220 di ermäßigt. 
Geschenke sind eingelaufen: 
1) von Direktor Bäum er in Karlsruhe eine Anzahl Exemplare ! 
seines Vortrags über „Marmor und Mosaik in der Archi 
tektur^ ; 
2) vom Stuttgarter Zweigverein des Vereins deutscher Ingenieure ! 
die Festschrift zur XXII. Hauptversammlung dieses Vereins; 
3) vom Berliner Architekten-Verein dessen Veröffentlichungen 
pro 1881; 
4) vom Sächsischen Ingenieur- und Architekten-Verein das 1. Heft 
seiner Mittheilungen pro 1881; 
5) vom Verband zehn Separatabdrücke der Abhandlung über 
Betonbauten; 
6) ein Katalog von I. Bär in Frankfurt a./M. 
Die Geschenke 1 und 5 sollen den Mitgliedern bezw. auch 
anderen Fachgenossen zur Verfügung gestellt, die übrigen der Bib 
liothek einverleibt werden. 
Weiterhin liegt ein Schreiben von Baurath Stahl vor, welcher 
in einer Honorarfrage die Anschauung des Vereins zu erfahren 
wünscht. Nach der gegebenen Darstellung ist die Sachlage nicht 
so klar gelegt, daß die Versammlung ohne Weiteres sich über die 
selbe auszusprechcn vermag. Es soll daher der Fragesteller, der 
selbst Vereinsmitglied ist, um weitere und womöglich mündliche 
Präzisirung der Frage ersucht werden. 
Nachdem der Vorsitzende noch zum Besuch der neuen Heslacher 
Kirche am folgenden Sonntage aufgefordert, schließt er die Verhand 
lungen und ladet zur Besichtigung der durch Oberbaurath v. Egle 
aufgelegten seltenen Architekturwerke und Photographien ein, die- sich 
theils auf das antike Rom, theils ans die Alhambra und andere 
spanische Monumentalbauten beziehen. 
Die Anwesenden theilen sich hierauf gruppenweise in die Be 
sichtigung der 7 großen Bände von Canina und Villa-Amil, sowie 
der etwa 100 prachtvollen Photographien aus Spanien. Es wird ; 
dadurch der Abend auch ohne Vortrag zu einem interessanten und } 
belehrenden. 
Der Schriftführer: 
L a i st n e r. 
Kefichtigniig der neuen evang. Kirche in der Vorstadt Heslach. 
Sonntag, den 4. Dezember 1881. 
Die Mitglieder waren in sehr ansehnlicher Zahl und in Be 
gleitung zahlreicher Damen herbeigeeilt, um unter Führung des 
Erbauers das nach 5 jähriger Bauzeit nun in allen Theilen fertige 
und — wie wir gleich hinzusetzen dürfen — durchaus gelungene 
Werk unseres Herrn Stadtbaurath Wolfs in Augenschein zu nehmen. 
Es ist dies nun die 3. der evangelischen Kirchen, welche in 
verhältnißmäßig kurzer Zeit entstanden und alle nach dem von Herrn 
Oberbaurath v. Leins für unsere Stadt geschaffenen Prototyp 
disponirt sind, und die Vortheile springen sofort in die Angen: 
Ine Gemeinde ist möglichst um die Kanzel concentrirt, das Innere 
gut und gleichmäßig beleuchtet, der Altar würdig und doch nicht 
zu isolirt aufgestellt, die Emporen sind organisch eingebaut und gut ; 
zugänglich. 
Das Aeußcre der Kirche, deren Stil eine freie Verwendung j 
romanischer und frühgothischcr Formen und Coustruktionen zeigt, 
macht einen äußerst freundlichen Eindruck, theils durch die Wahl 
des Materials — weißer Sandstein und grünlichgrauer Werkstein —, 
sodann durch die überaus reiche Gliederung. Insbesondere ist letzteres 
der Fall bei der der Stadt zugekehrten Choransicht. 
Zur weiteren Orientiruug geben wir in Folgendem die uns 
von Herrn Banrath Wolfs freundlich überlassenen Notizen. 
Die Grundrißanlage zeigt die Form eines Kreuzes mit 
3schiffigem Lang- und Querschiff und mit vorgestelltem Thurm. 
Auf der Kreuzung des Lang- und Querschiffes erhebt sich eine im 
Innern 26,5 m im Aeußeren 44,5 m hohe Kuppel. Die ganze 
Länge der Kirche beträgt incl. Thurm 54,15 in, die Breite 30,3 m, 
die Länge des Langschiffes ist 35,7 m, die des Qnerschiffes 
27,0 m, Breite des Mittelschiffes 9,6 ui, Breite der Seiten 
schiffe 4,2 m. 
Den Abschluß des Mittelschiffes gegen Osten bildet ein im 
halben 10 Eck endigender 9,0 in langer Chor, in welchem der 
Altar aufgestellt ist. Zu beiden Seiten des Chores sind kapellen- 
artige Ausbauten, die Sacristei und Taufkapelle bildend, angelegt. 
Die Höhe des Mittelschiffes bis zur Kämpferlinie beträgt 
12,0 in, bis zum Scheitel der Kreuzgewölbe 17,4 in, bei den 
Seitenschiffen 10,5 ui und 12,9 m. 
Das Mittelschiff überragt die Seitenschiffe im Aeußern 
um 4,75 in und ist bis zum Gesims 19,0 m hoch. 
Der an der Westseite vorgebaute Thurm mit 6,3 m langer 
und breiter Grundstäche hat eine Höhe bis zum Hauptgesims 
von 41,2 in bis zur Spitze von 65,0 m. 
Der innere Raum der Kirche ist mit Emporen angelegt, zu 
denen je 2 am Thurm und je 2 am Chor befindliche Treppen 
führen. 
Zur Beheizung der Kirche ist Luftheizung vorgesehen. Eine 
Orgel ist auf der westlichen Empore aufgestellt. 
Das Innere ist in einfacher stilentsprechender Weise bemalt. 
Kanzcl, Altar und Taufstein in Werkstein ausgeführt. 
Der Parterreraum faßt 850, die Emporen 450, zusammen 
1300 Sitzplätze. 
Beginn des Baues 6. Mai 1876. 
Hauptunternehmer waren Jooß & Cie. 
Mitgewirkt haben als Bauführer Werkmeister Schiele 
und Architekt Stahl. 
Die Kosten des Baues betragen ca. 520,000 di. 
Nachdem man dieses monumentale Bauwerk in allen Theilen 
begangen und besehen hatte, wobei die jüngeren Mitglieder es sich 
nicht nehmen ließen, bis in den steinernen Thurmhelm vorzudringen^ 
gieng es, und zwar diesmal löblicher Weise in geschlossener Kolonne,- 
nach Heslach hinein in das Gasthaus zum Hirschen. 
Dort galt der erste, vom Vereinsvorstand ausgebrachte Toast 
den beiden Männern, welchen es durch unverdrossene Hingabe an 
die ihnen gestellte Aufgabe gelungen ist, die Stadt Stuttgart aber 
mals um ein prächtiges Baudenkmal zu bereichern, den Herren Ober 
bürgermeister l>r. v. Hack und Stadtbaurath Wolfs. Diesen 
kräftig ausgebrachten Toast erwiederte hierauf der Herr Oberbürger 
meister mit einem Hinweis auf die vielfältige günstige Einwirkung, 
welche die öffentliche Bauthätigkeit nicht blos Stuttgarts, sondern 
des ganzen Lands, dem Verein für Bauknnde verdanke. Sein 
Hoch galt dem Repräsentanten dieses Vereins, dem allzeit thätigen 
Vereinsvorstande. 
Mit nicht weniger Wärme als die beiden vorhergcgangeneir 
Toaste wurde jedoch der von Herrn Dobel auf die Damen des 
Vereins ausgebrachte, in die ihm eigene heitere Form gekleidete 
Toast von der zahlreichen Versammlung aufgenommen. 
In kurzem hatte sich auf allen Flanken die heiterste Unter 
haltung entsponnen, und es darf kecklich behauptet werden, daß Alles 
in bester Stimmung und in vollster Befriedigung über diese ge 
lungene Exkursion den Heimweg nach Stuttgart antrat. 
C. Beck. 
Sechszehnle Versammlung, am 17. Dezember 188i. 
Vorsitzender: Oberbaurath v. Schlier holz. 
Schriftführer: Baumeister Lang. 
Anwesend: 16 Mitglieder. 
Das Protokoll der letzten Versammlung wird verlesen und ge 
nehmigt.
	        

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