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wesentlichen mit den Ausführungen des Vorredners einverstanden,
vermißt bei denselben aber eine Erwähnung der Rücksichten,
welche dem Publikum gegenüber in Frage kommen, wenn es
sich um Aenderungen am Stuttgarter Bahnhof handle. Es
sollte da seines Erachtens in erster Linie darauf hingewirkt
werden, daß dem Reisenden eine bessere Orientierung möglich
sei: in der linken Halle einsteigen müssen, wenn man nach rechts
hinfahren wolle und umgekehrt, sei unzweckmäßig; noch unbe
quemer aber sei es, von den Wartsälen aus die ganze Halle
durchwandeln zu müssen, um den Zug zu erreichen, wie dies
bei den Gäubahnzügen der Fall. Daß in der Vorhalle 4 Kassen
statt einer großen, und ebenso im Innern getrennte Gepäck
bureaux statt eines gemeinsamen hergestellt seien, bringe ver
schiedene Unzuträglichkeiten mit sich. Es wäre daher zu wünschen,
daß die K. Generaldirektion der Staatseisenbahnen aus Anlaß
der Einführung der Zentralweichenstellung eine Aenderung der
Bahnordnung vornähme, weil das Kreuzen einfahrender Züge
dann nicht mehr gefährlich sei; auch dürfte zwischen den Wart
sälen und dem Perron für die Gäubahnzüge eine direkte ober-
oder unterirdische Verbindung herzustellen sein.
Auf weitere Mängel des Stuttgarter Bahnhofs, namentlich
des Güterbahnhofs, will Redner der vorgeschrittenen Zeit wegen
nicht eingehen.
Ing. Hauck bemerkt, daß er in einzelne seiner, dem
K. Ministerium und der Generaldirektion der Staatseisenbahnen
vorgelegten Projekte eine Verbindungsbrücke zwischen den Wart
sälen und den gegenüberliegenden Perrons aufgenommen habe.
Baurat Rheinhard teilt die Ansicht, daß nach Ein
führung des Zentralweichensystems eine Aenderung der Fahr
ordnung mit Kreuzung der einfahrenden Züge wohl thunlich
sei. In Beziehung auf die Frage einer Verbindungsbahn stimmt
er niit Hauck nicht überein, hält vielmehr einen Hauptgüter
bahnhof zwischen Cannstatt und Untertürkheim zur Entlastung
der Bahnhöfe Stuttgart und Cannstatt, in direkte Verbindung
mit Zuffenhausen gesetzt, für angezeigt.
Nach Beendigung der Diskussion fordert der Vorsitzende
noch zu zahlreicher Beteiligung an der ani 2. Mai stattfindenden
Hauptversammlung auf und schließt die Sitzung gegen 11 Uhr.
Der Schriftführer:
Laistner.
Achte ordentliche Versammlung, zugleich Kanptversammknng
am 2. Mai 1885, abends 7 Uhr.
Vorsitzender^ v. Hänel.
Schriftführer: Laistner.
Anwesend: 38 Mitglieder.
Nach Eröffnung der Versammlung wird zunächst das Proto
koll der vorhergehenden ordentlichen Versammlung verlesen und
genehmigt. In Beziehung auf dieses erbittet sich
v. Morlok das Wort. Der Vortrag Haucks über den
Bahnhof Stuttgart und insbesondere das, was Laißle
demselben hinzugefügt, geben ihm Anlaß zu einigen Bemerkungen.
Die bestehende Geleiseanordnung basiere auf der gewiß richtigen
Anschauung, daß in erster Linie für ein unbeanstandetes Ein
fahren der Züge Sorge zu tragen sei, da das Ausfahren ja
ganz in die Hand des Betriebsbeamten gelegt sei. Die den
Kassen in der Vorhalle und den Gepäckslokalen vorgeworfenen
Schwierigkeiten und Unbequemlichkeiten existieren nicht, obwohl
er gerne zugebe, daß einzelne Verbesserungen — wie deutliche
Aufschriften u. dgl. — wünschenswert seien. Was die Fremden
anlange, so müssen diese sich bei jeglicher Anordnung immer
erst orientieren, für diese bestehe also eine besondere Schwierig
keit nicht. Was die Personenzugsgeleise betreffe, so sei deren
Länge genügend, weil doch hiefür zunächst Friedensverhältnisse,
nicht Kriegszeiten maßgebend seien, und in ersteren reichen sie
nach fünfzehnjähriger Erfahrung fast immer aus. Auch sei zu
beachten, daß eine Verlängerung derselben nicht ohne Einfluß
auf die Ausdehnung der Gütergeleise märe. Eine Ueberbrückung
der Hallengeleise sei nicht nötig, da die Züge mit nur ganz
wenigen Ausnahmen von den Wartsaalperrons abgelassen werden
können. Selbst für die Gäubahnzüge sei leicht zu helfen, wenn
man sie von der rechtsseitigen Halle ausgehen lasse, event, könne
sogar für diese in dem jetzt von der Bibliothek eingenommenen
Raume an der Stirnseite der linksseitigen Halle ein Wartsaal
eingerichtet werden. So viel dürfe er sagen, daß, was unter
den beschränkten Raumverhältnissen des hiesigen Bahnhofes
möglich war, auch geschehen sei.
So wenig er im übrigen gegen eine sachliche Kritik ein
zuwenden habe, so sehr bedauere er, daß hin und wieder beliebt
werde, von der üblichen Form der Debatte abzugehen. Er
nlöchte wünschen, daß der alte Geist der Kollegialität, der dem
Vereine früher iunegewohnt, wieder zurückkehre.
Um einzelne Ausführungen Haucks und Laißles ein
gehender widerlegen zu können, behalte er sich vor, gleichfalls
einen Vortrag über die Verhältnisse des Stuttgarter Bahnhofs
zu halten.
Der Vorsitzende bemerkt hierauf, daß die Ausführungen
Haucks und Laißles in der betr. Versammlung rein ob
jektiv gehalten gewesen seien, dankt übrigens dem Vorredner
für die Absicht, seinerseits einen Vortrag zu halten.
Hauck glaubt mit Beziehung auf die Bemerkungen v.
Morloks konstatieren zu müssen, daß er die bestehenden
Verhältnisse des Stuttgarter Bahnhofs nicht angegriffen habe;
unter diesen Verhältnissen halte er vielmehr die gegenwärtige
Fahrordnung für ganz richtig.
Damit ist diese Angelegenheit für heute erledigt.
Der Vorsitzende giebt nun von den Einläufen Kenntnis.
Davon ist zu erwähnen: ein Schreiben der Münchener Mit
glieder des Redaktionsausschusses des Wochenblattes für Bau
kunde an Herrn Prof. Reinhardt als hiesiges Mitglied, worin
mitgeteilt wird, daß die Geschäftsführung des genannten Aus
schusses nunmehr an den Frankfurter Verein übergegangen ist, dessen
Mitglied, Oberingenieur Schmick, vorerst die Geschäfte besorgen
wird. Ferner hat Wilh. S pr i n g in Stuttgart eine Anzahl Wasser
standszeiger im Lokale aufgehängt, zu deren Besichtigung der
Vorsitzende einladet. Derselbe nimmt Veranlassung, den Ver
einsmitgliedern, Architekten Lambert und Stahl, zu ihrer
neu gegründeten Wochenschrift „das Baugewerbe" besten Erfolg
zu wünschen, und erinnert daran, daß die Einzelvereine durch
den Verbandsvorstand zu fortlaufenden weiteren Beiträgen für
das Semperdenkmal in Dresden aufgefordert morden seien, zu
deren Empfangnahme er für den hiesigen Verein jederzeit bereit sei.
Nunmehr wird zur eigentlichen Tagesordnung, zur Be
ratung der neuen Satzungen geschritten, deren Entwurf
den Mitgliedern vor mehr als vierzehn Tagen zugeschickt worden
ist. Derselbe ist auf Grund eines von Baurat Rheinhard
schon ini vorigen Vereinsjahre vorgelegten Entwurfs (s. Proto
koll der Hauptversammlung vom 13. Januar d. I.) durch ein
gehende Beratung des jetzigen Ausschusses in sechs langen Sitz
ungen bei dreifacher Lesung zu stände gekommen. Von den
bisher giftigen Statuten weicht er hauptsächlich insofern ab, als
der Ausschuß nur alle zwei Jahre, statt jährlich, gewählt wer
den und die Person des Vorstandes (Vorsitzenden) alle zwei
Jahre wechseln soll. Weitere Neuerungen sind: die Aufnahme
von außerordentlichen, d. h. jüngeren, nicht stimmberechtigten
Mitgliedern und von Ehrenmitgliedern, ferner die Erledigung
der Aufnahmegeschäfte durch den Ausschuß (bisher durch die
ordentlichen Versammlungen) und die Einrichtung von „geselligen
Vereinigungen" ohne Beschlußfassung, aber mit technischen Mit
teilungen und Erörterungen, neben den ordentlichen Versamm
lungen.
Nach kurzer Debatte darüber, ob dieser Entwurf oder die
bisherigen Statuten der Beratung zu Grunde gelegt werden
sollen, wird ersteres beschlossen und der Ausschuß ermächtigt,
mit Berücksichtigung der etwa zu fassenden Abänderungsbeschlüsse
die endgiltige Redaktion der Satzungen vorzunehmen.