Full text: Versammlungs-Berichte / Württembergischer Verein für Baukunde in Stuttgart (1885/86)

27 
und der dazu gehörigen Nebengedäude, Bauplätze, Höfe und 
Gärten den Schnee von den Platten und Fußwegen über den Kandel 
hinüber bis zum Beginn der Fahrbahn sofort wegzuräumen, und 
bei Straßenübergängen eine Bahn bis auf die Btitte der Straße 
herstellen zu lassen. 
Aus den Höfen und Winkeln der Wohnhäuser auf die Straße 
gebrachtes Eis und Schnee, müssen auf Haufen zusammengeworfen 
werden und ist von den Hausbesitzern sogleich Anstalt zu treffen, 
daß alles sofort, jedenfalls vor Einbruch der Nacht, auf ihre Kosten 
weggeführt wird. 
Ferner hat bei eintretendem Tauwetter jeder Hauseigentümer 
dafür zu sorgen, daß sogleich die Abzugsrinnen aufgehauen und vom 
Eise befreit werden, um dem Schnee- und Eiswasser freien Ablauf 
zu verschaffen. 
In den Städten Karlsruhe, Stuttgart und Würz- 
burg werden bei starken Schneefällen auch noch, zur Schaffung einer 
freien Bahn, Schneepflüge angewendet. 
In keiner dieser Städte wird, wie in London versuchsweise 
verfahren wurde, der Schnee in, mit den Kanälen verbundene 
Gruben gebracht und daselbst mittelst Gasheizung geschmolzen. 
8) Beseitigung des Unrats aus den Kanälen und 
Pissoirs. 
In den meisten Städten wird der Morast aus den Kanälen 
in Regie durch städtische Arbeiter herausgeschafft und auch durch 
Fuhrwerke, die auf Kosten der Stadt gestellt werden, abgefahren; so in 
Aachen, Breslau, Kassel, Dresden, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, 
Hannover, Heioelberg, Karlsruhe, Leipzig, Mainz, München, Nürn 
berg, Straßburg, Stuttgart und Würzburg. 
In Berlin und Bremen wird der flüssige Unrat aus den 
Kanälen, Senkgruben und Einlaufschächten von städtischen Arbeitern 
heraus und in die Wagen geschafft; die Abfuhr ist aber in den 
Straßenreinigungsakkord miteinbezogen. 
In Köln'ist nicht nur die Abfuhr der aus den Kanälen ge 
schafften Stoffe, sondern auch die Reinigung der Kanäle, Schlamm 
kasten, Klär- und Senkkasten Obliegenheit des Unternehmers der 
Straßenreinigung, auch darf die Reinigung und Abfuhr nur des 
Nachts in den Stunden von abends 8 bis morgens 8 Uhr ge 
schehen. 
Hervorgehoben darf hier auch werden, daß in den Kanülen, 
die in der neueren Zeit mit eiförmigem Querschnitt und glatten 
Innenflächen ausgeführt und mit Spülvorrichtungen versehen worden 
sind, die sich ablagernden Sinkstoffe sehr gering sind; hierzu trägt 
namentlich auch die Einrichtung bei, daß sowohl die Straßeneiulänse, 
welche das Tagwasser aufzunehmen haben, als auch die Hanskanäle, 
welche neben dem Tagwasser noch das Küchenwaffer dem Straßen 
kanal zuführen, mit Schlammsammlern versehen sind, welche 
einen Wasserverschlnß haben, so daß sich alle Sinkstoffe in diesen 
Schlammsammlern niederschlagen und nicht mehr in die Kanäle ge 
langen können; selbstverständlich ist das Herausschaffen dieser Stoffe 
aus den Schlammsammlern viel billiger als aus den Kanälen, so 
daß die Kosten der Reinigung der neuen Kanäle gegenüber derjeni 
gen der alten wesentlich geringer sind. 
Erfahrungsgemäß werden auch in den älteren Dohlen mit ihrem 
fehlerhaften rechteckigen Querschnitt, bei einem Gesäll von 2»/„, die 
ans den Küchen zufließenden Sinkstoffe noch fortgeschwemmt, wenn 
die Sohle der Dohle mit Platten belegt ist und eine hinreichende 
Wassermenge bei Regentagen durch diese Dohlen abfließt. 
9) Konstruktion, Größere, der Abfuhr wagen. 
Die Wagen zur Abfuhr des Haus- und Straßenkehrichts sind 
fast durchaus irädrige offene Wagen von der Konstruktion der ge 
wöhnlichen Transportwagen, welche den Bedingungen gemäß gut 
schließen und nicht über die Höhe der Seitenwände beladen werden 
sollen, damit nicht durch Herausfallen von Kehrichtteilen die Straßen 
verunreinigt werden. 
Diese offenen Wagen haben aber den Nachteil, daß bei trocke- 
ner und windiger Witterung der staubförmige Teil des Kehrichts von 
dem Wagen geweht und das Publikum hierdurch belästigt wird; auch 
sind Ueberladungen leicht möglich, was dann Tierquälereien zur 
Folge hat. 
Berlin und Hamburg hatten schon früher geschlossene Wagen; 
in Stuttgart sind sie erst seit dem 1. April 1885 eingeführt, an 
welchem Tage auch der mit dem früheren Unternehmer der Kehricht 
abfuhr abgeschlossene Vertrag abgelaufen war. 
Um eine Skizze eines Berliner Wagens zu erhalten, habe ich 
mich an die Redaktion der Zeitung des Verbandes deutscher Fuhr 
unternehmer in Berlin gewendet, welche mir mitteilte, daß die Holz 
kastenwagen mit 2 cbm Inhalt in Fortfall kommen, und dafür 
eiserne Kastenwagen mit 4 cbm verwendet werden sollen; es seien 
zweierlei Arten von Probewagen angefertigt worden, der eine mit 
breitem und niedrigem, der andere mit schmalem und hohem Quer 
schnitt, es sei aber wahrscheinlich, daß die erstere Form eingeführt 
werde. 
Hinsichtlich der Größe der zweispännigen Wagen ist im allge 
meinen zu bemerken, daß die Kasten 2-3 cbm halten sollen. 
In Straßburg werden 4rädrige, aber nur mit einem Pferde 
bespannte kleine Wagen mit 1,3 cbm Gehalt verwendet, welche bet 
dem dortigen ebenen Terrain ganz zweckmäßig sind. 
Köln dagegen benützt noch große 2rädrige Wagen, auf welche 
bis zu 3 cbm geladen werden können, und auch nur mit einem, 
aber sehr kräftigen Pferde bespannt sind. 
Etwas sonderbar sieht es aus, wenn diese Wagen mit ihrer 
beträchtlichen Breite von 1,7 m durch die engen Straßen der alten 
Stadtteile, nicht nur in Köln, sondern auch in andern rheinischen 
Städten fahren, und den Verkehr mit andern Wagen sehr erschweren. 
In Berlin ist vorgeschrieben, daß der Wagenkasten ans 
Federn ruhen, mindestens 2 cbm halten und mit gut schließenden 
Deckeln versehen sein muß. Die Wagen sind Eigentum des Unter 
nehmers, und liegt demselben deren Reinhaltung und Unterhaltung ob. 
10) Beiziehen der Pferdebahngesellschaften zu der 
Straßenreinigung. 
In allen Städten mit Pferdebahnen sind die Inhaber derselben 
verpflichtet, nicht nur den zwischen den beiden Schienenstrüngen ge 
legenen Straßenstreifeu, sondern auch außerhalb der Schienen eine 
Fläche von 30—75 cm Breite zu unterhalten und zu reinigen; nur 
Stuttgart macht eine Ausnahme, indem die Gesellschaft nur den 
innerhalb der Schienen gelegenen Streifen mit 1,43 m Breite zu 
unterhalten und zu reinigen hat. In Aachen bezahlt die Gesellschaft 
pro laufenden m Geleise jährlich 40 Ps. für die Unterhaltung der 
Pflasterung, welche durch die Stadtgemeinde ausgeführt wird; die 
Straßenreinigung besorgt die Gesellschaft selbst. 
In B e r l i n leisten die Gesellschaften nicht unerhebliche Bei 
träge, nachdem ihnen schon von Hanse aus durch die Konzession 
neben der Unterhaltung auch die Reinigung und Besprengung auf 
erlegt ist. Die Ausführung der beiden letzteren Arbeiten hat sich 
aber die Stadtverwaltung vorbehalten, und sind hierüber mit den 
Gesellschaften besondere Verträge abgeschlossen worden. 
Die Höhe dieser Beiträge wird von Jahr zu Jahr in der 
Weise festgestellt, daß alle am Schluffe des Rechnungsjahrs vorhan 
denen Geleiseftrecken nach dem Selbstkostenpreise berechnet werden, 
von welcher Summe dann die Gesellschaften 3 /5 für die Reinigung 
und Besprengung ihrer Bahnfläche an die Stadtgemeinde zu be 
zahlen hat. 
Als Grundlage für diese Berechnung gilt die Bestimmung, 
daß bei Doppelgeleisen 5,0 m, bei einfachen 2,8 m als die Breite 
desjenigen Pflasterstreifens angenommen wird, dessen Reinigung und 
Unterhaltung der Gesellschaft obliegt, also eine Breite von je 65 cm 
außerhalb der Schienen. Der Selbstkostenpreis für die einmalige 
Reinigung wird zu 19 Jl pro ha berechnet, während die Bespreng 
ung dieser Fläche über die Sommerzeit ans 4,63 pro Tag er 
mittelt und festgesetzt ist. 
Bei Berechnung der Reinigungskosten spielt natürlich der Um 
stand eine Rolle, wie oft eine Straße wöchentlich gereinigt wird, 
während der für das Besprengen ermittelte Satz einen Durchschnitt 
der pro Jahr vorkommenden Sprengtage zur Basis hat. 
Vom 1. Januar 1882 bis letzten März 1883 haben die Bei 
träge der verschiedenen Gesellschaften zusammen 66140 ^ betragen. 
In Breme» ist die Gesellschaft zur Reinigung eines 3 m 
breiten, in Breslau zu einem 2,35 m, und bei Doppelgeleisen zu 
einem 4,95 m breiten Streifen verpflichtet. In letzterer Stadt haben 
nüt Rücksicht darauf, daß die Abfuhr des von der Reinigung des 
Bahnkörpers herrührenden Kehrichts strikte nach dem Kontrakte 
Schwierigkeiten machen und sehr leicht Differenzen mit der Straßen- 
reinigungsverwaltung herbeiführen könnte, die beiden Verwaltungen
	        

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.