Full text: Versammlungs-Berichte / Württembergischer Verein für Baukunde in Stuttgart (1885/86)

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und vor Sonn- und Festtagen um 6 Uhr bezw. 5 Uhr abends, außer 
halb des bewohnten Stadtbezirks verbracht sind. 
5) Die Abfuhr des Morastes aus den älteren Dohlen und 
neueren Kanälen wurde aus dem Akkord der Straßenreinigung aus 
geschieden und geschieht künftighin in eigener Regie mittels eiserner 
Wagen, welche Eigentum der Stadtgemeinde sind. 
Zu der Erfüllung der weitgehenden Forderung, die gesamte 
Straßen- und Trottoirreinigung in den Betrieb der städtischen Ver 
waltung zu übernehmen, wie es nach einer der eingelaufenen Zu 
schriften in den meisten großen Städten bereits besiehe, konnte man 
sich nicht entschließen; die lokalen Verhältnisse der einzelnen Städte 
sind so sehr verschieden, daß sich die kommunalen Einrichtungen 
nicht schablonenmäßig behandeln lassen, und außerdem ist die Be 
hauptung, diese Einrichtung bestehe in den meisten großen Städten, 
insofern nicht richtig, als, wie oben nachgewiesen ist, unter den 20 
genannten Städten es nur 3 sind, nämlich Breme», Hamburg und 
Mainz, welche sie haben. 
Ueberhaupt aber sind unsere hiesigen Straßensäuberungsanstal 
ten derart, daß sie einen Vergleich mit andern Städten nicht zu scheuen 
brauchen; gehört doch Stuttgart zu denjenigen 8 unter 20 Städten, 
in welchen die Straßen jeden Werktag gereinigt und der gesamte 
Kehricht auch sofort abgefahren wird; eine Ausnahme bilden nur 
einige wenige spärlich angebaute Straßen der außen liegenden Stadt 
teile. Man kann hier oft die Worte hören, es werde in keiner Stadt 
soviel gefegt, gekehrt, gescheuert und gescharrt als in Stuttgart, und 
doch haben wir keine so sauberen Straßen wie andere Städte. 
Hierauf kann erwidert werden, daß die geognostischen Verhält 
nisse des Untergrundes der Stadt und ihrer nächsten Umgebung das 
ihrige hierzu beitragen; dieser Untergrund besteht bekanntlich vorzugs 
weise aus Lehm und Mergel; bei der Abfuhr des Erdmaterials, 
welches das Ausgraben der Fundamente, Keller- und Souterrain 
räume für Hochbauten notwendig macht, sowie des überschüssigen 
Materials, welches bei Kanalbauten, Gas- und Wasserleitungen rc. 
nach dem Wiedereinfüllen der Baugruben noch übrig bleibt, ist es 
nicht zu verhindern, daß von de» überladenen Wagen von diesem 
Material auf die Straße herunterfällt, welches dann bei trockener 
Witterung von den darüber fahrenden Wagen zerdrückt und bei 
nasser Witterung in Morast verwandelt wird; auch wird an den 
Rädern von Fuhrwerken aller Art, welche von auswärts in die 
Stadt fahren, namentlich bei regnischer Witterung von den Straßen 
und Wegen viel Morast in die Stadt hereingeschleppt. 
Diese Uebelstände kommen in Städten mit sandigem oder 
kiesigem Untergrund, wie ihn viele rheinische, badische und bayerische 
Städte haben, in viel geringerem Grade oder garnicht vor, so daß 
deren Straßen mit weniger Aufwand an Geld und Zeit doch ein 
sauberes Aussehen haben. 
In betreff der Kosten des Kehrens ist schon gesagt, daß die 
Unternehmer der Reinigungsarbeiten für die Uebernahme derjenigen 
Leistungen, welche Obliegenheit der Hausbesitzer sind, das Recht haben, 
pro Jahr und gm 40 Pb zu verlangen, wobei aber noch zu be 
merken ist, daß sie erklärten, es vorerst nur probeweise zu thun, 
und wenn sie dabei ihre Rechnung nicht finden, einen höheren Preis 
verlangen werden. Bei dem obigen Preis hat beispielweise der 
Besitzer eines Anwesens in einer 14,3 m ("50 Fuß) breiten Straße 
mit 17 m Gesamtlänge (14,14 m Gebäudefront und 2,86 m Ab 
stand) auf die hälftige Straßenbreite eine Fläche von (17. 7,15 m) 
— 121,55 qm reinigen, begießen und im Winter bei Glatteis das 
Trottoir mit Sand rc. streuen zu lassen, und ergibt sich hierfür ein 
Aufwand von 48 Ji 62 Pf., wobei aber der Hauseigentümer das 
Streumaterial anzuschaffen hat; rechnet man jährlich 300 Kehrtage, 
so kommt auf eine tägliche Reinigung 16 Pf.; es ist dieses aber eine 
so geringe Summe, daß es nur den Kehrfrauen der Unternehmer, 
welche ohnehin in der Nähe mit dem Kehren vor öffentlichen Ge 
bäuden rc. beschäftigt sind, möglich ist, diese Arbeit zu übernehmen. 
Arbeiterinnen, welche in den Vorstädten wohnen und einen 
weiten Weg in die Stadt zu machen haben, hätten nur dann einen 
lohnenden Verdienst, wenn sie vor einer größeren Anzahl von Ge 
bäuden zu kehren hätten, welche ziemlich nahe bei einander liegen; 
da aber die Frist für das Kehren sehr kurz bemessen und überall 
dieselbe ist, so müßten sie, um rechtzeitig fertig zu werden, schon 
sehr frühe beginnen. 
Zum Schluffe sei noch darauf hingewiesen, daß Stuttgart laut 
Adreßbuch für das Jahr 1885, 5569 Hauptgebäude zählt, und daß 
hier 10 200 weibliche und 700 männliche Dienstboten beschäftigt 
sind; auf eine so bedeutende Anzahl ffeißiger Hände verteilt, ist es 
am ehesten möglich, die Straßensäuberung rechtzeitig und vorschrifts 
mäßig fertig zu bringen. 
Im Oktober 1885. 
Kaiser. 
Beilage 5. 
Vortrag 
des Baurats Euting über die Unterlürbheimer Neckar-Brücke und des Negierungsbaumeisters 
Gugenhan über die Verschiebung derselben. 
Gehalten am 12. Dezember 1885. 
(Mit Zeichnungen auf Blatt 2.) 
Ums Jahr 1480 ließ Graf Eberhard der jüngere der Stadt 
Cannstatt durch den Vogt Rummel den Antrag machen, daß er den 
Weg über Berg „abthun" wolle, wenn sich die Stadt dagegen er 
kenntlich erweise. Die Stadt bezahlte dem Grafen die Summe von 
100 Thalern, und der Weg von Stuttgart und Cannstatt über Berg 
nach Eßlingen wurde verboten. Mit Rücksicht auf dieses Verbot, 
durch welches der Stadt Cannstatt die Unterhaltung des Wegs von 
Berg nach Wangen auf ihrer Markung abgenommen und eine größere 
Brücken- und Pflastergeldeinnahme verschafft wurde, stellte später 
Graf Eberhard der ältere das Ansinnen an die Stadt, sich bei dem 
Bau und der Unterhaltung einer Neckarbrücke bei Untertürkheim zu 
beteiligen, und so kani auch im Jahr 1491 ein Vertrag zu stände, 
nach welchem die Herrschaft die Hälfte, die Gemeinden Cannstatt und 
Untertürkheim aber je >/« der Bau- und Unterhaltungskosten einer 
solchen Brücke zu tragen hatten, jedoch mit dem Vorbehalt, daß den 
Beteiligten der Rücktritt vom Vertrag für den Fall frei stehen solle, 
daß die Brücke durch Eisgänge oder Hochwasser zerstört würde. Der 
Gemeinde Cannstatt wurden für Uebernahme dieser Last unter an 
derem die Frohnfuhren zum Schloß Wirtemberg, mit Ausnahme der 
Holzfuhren, nachgelassen und in den Jahren 1532 und 1593 eine 
Erhöhung ihres Brückengeldes gestattet. Der Weg von Berg nach 
Wangen aber blieb, wenigstens für schwere Fuhrwerke, bis zur Ueber 
nahme dieser Straße auf die Herr- und landschaftliche Straßenkasse 
im Jahr 1772 verboten. Der Vertrag von 1491 blieb bis 1852 
in Kraft. 
Als Ende der 40er Jahre die ganz aus Holz erbaute Brücke
	        

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