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schaft eilten Vertrag ab, welche unter dem Namen ^Salzwerk Heil
bronn" die im Erdinnern schlummernden Schätze nunmehr hebt
und verwerlet. — Aus dem mir von der Direktion des Salzwerkes
für den heutigen Abend überlassenen Schnitt des Einsteigschachtes
sind die einzelnen Lagerungen des Erdinnern auf dem rechtseitigen
Neckarufer zu entnehmen. Ich komme jedoch später auf die Details
zurück.
1885 wurde eine zweite größere Schleuse und dieses Jahr
ein weiterer großer Floßhafen mit ea. 45 000 Quadratmeter Wasser
fläche vom Staat (jedoch mit einem erheblichen Beitrag von der
Stadt) erbaut. (Der alte vorh. Floßhafen hat eine Wasserfläche
von ea. 17 000 Quadratmeter.)
Nebenbei aber wußte die Stadtgemeinde die übrigen städtischen
Bedürfnisse in baulicher Beziehung wohl zu befriedigen und so sind
in den letzten Jahrzehnten 4 neue Schulgebäude, ein Knabenpen
sionat, ein neues Krankenhaus, ein neues Schlachthaus erstellt und
ist ein neuer Friedhof, sowie ein städtisches Telephonnetz insbesondere
für Feuerlöschzwecke angelegt, auch eine Armenbeschäftigungsanstalt
errichtet worden.
In den letzten 4 Jahren wurden von der Stadtgemeinde z. B.
allein ea. 750 000 M. neben dem laufenden Bauaufwand von ca.
165 000 M. pro Jahr für Bauten aufgewendet. Aber auch die
Privatbauthätigkeit hielt gleichen Schritt, denn im Jahr
1885 wurden 31 Gebäude au Straßen,
15 Hintergebäude,
1886 „ 34 Gebäude au Straßen,
19 Hintergebäude,
1887 „ 25 Gebäude an Straßen,
20 Hintergebäude
erbaut, so daß nunmehr die Zahl der Hauptgebäude 2 169, der
Nebengebäude 1 988 beträgt, die Einwohnerzahl aber ist von 7 200
im Jahr 1818 auf nunmehr 31000 angewachsen.
Gehe ich nunmehr zu den Sehenswürdigkeiten, d. h. zu den
eigentlichen Bauten über, so ist vorauszuschicken, daß ich der Kürze
halber nur auf eine ganz beschränkte Zahl mich einlassen kann.
Die St. Kilianskirche wurde dem heiligen Kilian gewid
met, der Bischof in Würzburg war und im Jahr 689 gestorben
sein soll. Nach einer Inschrift auf der östlichen Seite des Strebe
pfeilers beim nördlichen Turme, welche lautet: „Anno 1013 zu
Sanct Ciliani Ehr legt an Führwahr an diesem Bau den ersten
Stein. Gott geb dem Stifter allen Lohn, auch denen, die haben
weiter verricht, und diesen Stein hier offenbart 1510 Jahr" wurde
der Grundstein 1013 gelegt — vollendet aber wurde die Kirche
bis zur Plattform bei den Hochwächtern erst 1510. Mit dem acht
eckigen Turmaufbau wurde 1510 bezw. 1513 durch den Baumeister
Hans Schweiner von Weinsberg begonnen und 1529 am Montag
vor Katharinentag das steinerne Männchen auf der Spitze des
Turmes aufgestellt.
Von früheren Meistern, welche am Bau der Kirche mitgewirkt
haben, sind nur die Namen Burkhardt aus Augsburg, der den
Chor vollendet haben soll — 1480 —1487 —, vor ihm Hans von
Mingolsheim und Peter Heidner aus Heilbronn erhalten geblieben.
Bezüglich der Belohnung dieser Meister kann aus dem mit
Hans Schweiner 1507 abgeschlossenen Akkord entnommen werden,
daß derselbe für den Tag im Sommer 30, im Winter 26 Pfennige,
und für den Riß und die Aufsicht jährlich noch 6 Gulden bekam.
Ein Geselle aber erhielt im Sommer 26, im Winter 20 Pfennige
und ein Poliergeselle noch zwei Pfennig weiter.
Den ältesten noch vorhandenen Teil der Kirche bilden die
beiden zu den Anfängen des gotischen Stils zählenden Türme
mit glockenförmigen bedeckten Kuppeln 1137—1232 — welche
das Schiff der Kirche von dem Chor scheiden. Zwischen ihnen
befand sich ohne Zweifel die erste Kirche, auf welche sich auch
die Grundsteinlage vom Jahre 1013 zu beziehen scheint, und an
deren Hauptportal diese Türme rechts und links standen (s. Plan).
Nachher, d. h. in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, wurde
das Mittelschiff (Basilika) erbaut, die Seitenschiffe sind aus dem
14. Jahrhundert, während der Chor wie schon erwähnt an der Stelle
der abgebrochenen Kirche in den Jahren 1420—1487 von den
genannten Meistern erstellt wurde.
Auf der westlichen Seite der Kirche befindet sich der Haupt
turm, der bis zur ersten Gallerie viereckig und im gotischen Stil
aufgeführt ist. Auf beiden Seite» gegen Norden und Süden sind
kleine Vorhallen angeschlossen, die je in einer Höhe von 16,80 Meter
über dem Kirchenboden als Altane abgedeckt sind.
Nach der Beschreibung von Titot soll die nördliche Altane
(gegen den Marktplatz) zu festlichen Musiken gebraucht worden sein.
Von der ersten Gallerie aufwärts ist der Turmaufbnu acht
eckig und in eigenartigen Renaissaneeformen von Hans Schweiner
1513 —1529 ausgeführt worden.
Wie Sie, meine Herrn, aus den vorliegenden photographischen
Ausnahmen der verschiedenen Wasserspeier rc. ersehen, hat Hans
Schweiner infolge der damaligen religiösen und künstlichen Gährung
zu den bizarrsten Figuren und allegorischen Gestalten aus der
Offenbarung, vielleicht auch unter Mystifikation von Persönlichkeiten
damaliger Zeit gegriffen.
Am Fuße des sogenannten Männleins enthält der zweite Stein
folgende Inschrift:
a) in lateinischen Majuskeln, etwa drei Viertel des Fußgestells
eiunehmend:
Hoc opus auspiciis sub Caesare Maximiliano |
coeptum secundis elegans ab omni
(a)rte quod igenii dextera pius artifex
ianus fideli porcius sub annum |
(im)perii decimum tibi Carole reddit absolxit
11 i T. sub isto ut coeptum ita et per actum est
d. h, dieses schöne Kunstwerk, welches unter Kaiser Maximilian
unter günstigen Vorzeichen begonnen, der fromme Künstler Hans (?)
Fidel (?) Schweiner mit kunstfertiger Hand Dir, Karl, gegen das
zehnte Jahr Deiner Regierung erstattet und vollendet, ist unter
jenem wie begonnen, so auch vollendet worden. — Der Künstler
übersetzt also seinen Namen Schweiner mit deni römischen Gentil-
namen Porcius (Schwein latein. porcus).
b) etwa ein Viertel des Fußgestells einnehmend, in gotischen
Minuskeln, mit großen Initialen an den Eigennamen:
Anno domini MDXIII sub D. Max. Caes. [
| (?) incepta. j
Anno D. MDXXIX sub D. Carol. V. im-
per. absoluta.
d. h. im Jahre 1513 unter Kaiser Maximilian begonnen: im
Jahre 1529 unter Kaiser Karl V. vollendet.
Im Innern der Kirche ist der Beachtung wert das steinerne
Sakramentshäuschen neben dem Hochaltar, namentlich aber der
Hochaltar v. I. 1498 selbst, der ein Werk von Tilmann Riemen
schneider aus Würzburg und seinen Schülern ist. Photographien
hiervon sind hier aufgestellt.
Leider wurde dieses schöne Schnitzwerk angeblick) zum Schutze
gegen Würmer mit weißer Oelfarbe 1780 angestrichen.
In den Jahren 1579 und 1580 wurden im Schiff die alten
Säulenkapitäle abgespitzt und mit Stuckkapitälen versehen, auch die
Kanzel wurde um diese Zeit durch Gipser Konrad Wesner aus
Stuttgart mit Stückarbeiten überladen. Zu gleicher Zeit wurden
in der Hauptsache auch die Kreuz- oder Netzgewölbe im Schiff und
Chor von Wesner hergestellt. Insbesondere aber schwächen die
später (1577, 1617, 1745 und 1823) eingebauten, teilweise
stillosen Emporen den sonst imposanten Gesamteindrnck. 1841/42
wurden im Aeußern 22 kleine Umbauten (Lädchen und Feueressen rc.)
entfernt, und die Terrassen mit den gothischen Brüstungen her
gestellt.
Gehe ich nun anschließend an das Gesck)!chtliche dieses Bau
denkmals auf die zur Zeit stattfindende Restauration bezw. Wieder
herstellung des Kilianturms über.
Vorauszuschicken erlaube ich mir, daß die ganze Kirche aus
Heilbronuer Keupersandsteinen, die in den der Stadt gehörenden
Brüchen beim Jägerhaus gewonnen wurden, ausgeführt ist. Nach
den gemachten Erhebungen wurden etwa 150 Jahre nach der Fertig
stellung des Turmes d. h. in den Jahren 1679/83 ausgedehntere
Renovierungen am Turme vorgenommen, weitere Reparaturen er
folgten im 18. und namentlich am Schiff der Kirche gegen die
Mitte des 19. Jahrhunderts.