Full text: Versammlungs-Berichte / Württembergischer Verein für Baukunde in Stuttgart (1888)

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So viel aber hat sich ergeben, daß genannte Reparaturen sich 
in der Hauptsache nur auf die freistehenden fein gegliederten oder 
durchbrochenen Bauteile zu erstrecken hatten, und daß die bedeckten ! 
oder vollen Mauerteile fast durchgehends noch in gutem Zustande 
sich befinden. 
In den letzten Jahrzehnten aber wurde wahrgenommen, daß 
verschiedene frei stehende Teile am Hauptturm schnell der vollstän 
digen Verwitterung entgegen gehen, und hat deshalb der Stiftungs 
rat einen Baufonds angesammelt, im Jahre 1882 aber wurde 
Herr Münsterbaumeister Beyer in Ulm veranlaßt, eine Aeußerung über 
die am obern Teil des Turms sichtbaren Beschädigungen re. abzugeben, 
und es hat sich Herr Beyer nach vorangegangener Untersuchung 
dahin ausgesprochen, daß die frei aufsteigende kühne Wendeltreppe 
infolge der schon weit vorgerückten Verwitterung des Steins in 
einem baufälligen Zustande sich befinde und daß ebenso auch ver 
schiedene Wasserspeier erneuert werden müssen. 
Bei der von mir im Jahr 1884 vorgenommenen weiteren 
Untersuchung hat es sich aber gezeigt, daß auch die zwei obersten 
Turm-Etagen baufällig sind, und so wurde beschlossen, eine Ge- 
samtrestanration des Turms vorzunehmen. (Redner beschreibt so 
dann diese Arbeit im Einzelnen). 
Die Gesamthöhe des Turms beträgt nunmehr inkl. des sog. Männ- 
leins 62,11 Meter vom Kirchenboden an gemessen, welch letzterer 
durchschnittlich 1,5 Meter beim Turm über dem Straßenterrain liegt. 
Das Männlein selbst hat eine Höhe von 2,35 Meter. 
Gleichzeitig mit der äußern Turmrestauration wurde auch im 
Innern der Kirche durch die Versetzung der Orgel und der damit 
zusammenhängenden Veränderung der Orgelempore eine wesentliche 
Verbesserung vorgenommen. (Redner beschreibt auch diese Arbeite»). 
Herr Münsterbaumeistcr Beyer ist mit der Ausarbeitung eines 
für den Ausbau der Vortürme bestimmten Planes beauftragt, da 
mit auch dieser für den Techniker so interessante Bau zu seiner 
Vollendung gelange und die beiden Chortürme mit Helmen, das 
Schiff aber mit dem ihm schon vor einem halben jahrtausend zu 
gedachten Basilikadach geschmückt, und so dieses Denkmal der alt 
deutschen Baukunst seinen Mitschwestern in Köln, Ulm und Eßlingen 
gleichgestellt werde. 
Die weiter in Heilbronn vorhandene evang. Skt. Nikolaikirche, 
welche im 14. Jahrhundert erbaut und in welcher 1525 der erste 
evangelische Gottesdienst gehalten wurde, ist der damaligen Zeit 
entsprechend im Spitzbogen- bezw. gotischen Stil durchgeführt, be 
darf aber im Innern noch eines entsprechenden Deckenausbaues. 
Die katholische Kirche zu St. Peter und Paul (ehemals 
Deutsch-Ordenskirche) steht mit dem Deutschen Haus (nunmehr 
Landgericht) in Verbindung. Der ältere Teil dieser Kirche ist das 
im streng romanischen Stil erbaute Erdgeschoß des Kirch 
turms, im übrigen ist die Kirche im gothischen Stil ausgeführt, 
im Jahr 1721 wurde dieselbe aber im sog. Jesuitenstil umgebaut. 
(Nicht mehr vorhanden: Franziskanerkloster aus dem 13. Jahr 
hundert 1270. Von den Franzosen abgebrannt. Katharinenhospital 
v. 1306. Karmeliterkloster v. 1440. Klarakloster v. 1350). 
Das Teutsche Haus selbst gehört in der Hauptsache der Re 
naissance an und bietet mancherlei Sehenswerte. Die Gebäude 
i» der Deutschhofstraße wurde» 1717 bis 1718 erstellt. 
Das Rathaus auf dem Markt wurde in der ersten Hälfte 
des 16. Jahrhunderts an der Stelle des 1535 abgebrannten alten 
Rathauses errichtet. Dasselbe ist in der Hauptsache in der damals 
schon stark entwickelten Renaissance erstellt; doch zeigen sich noch ver 
schiedene gothische Formen. Besonders hervorzuheben ist die auf 
Arkaden ruhende Freitreppe, die mit allegorischen Figuren: Liebe, 
Wohlthätigkeit, Stärke und Gerechtigkeit geziert ist; die künstliche 
Uhr, welche 1579—1580 von Harbrecht von Schaffhansen (der 
die berühmte astronomische Uhr im Straßbnrger Münster vollendet 
hat) verfertigt wurde. 
Das sich an das Ralhans anschließende frühere Oberamtei 
gebäude stammt aus dem Ende des 16. Jahrhunderts und ist mit 
einem herrlichen steinernen Giebel versehen. Dieses Gebäude ist 
nunmehr mit dem Rathaus vereinigt. 
Da die der Witterung ausgesetzten Steine schon stark gelitten 
haben, so besteht seit mehreren Jahren der Gedanke, eine Restau 
ration im Aeußern vornehmen zu lassen und hat auch Herr Pro 
fessor Reinhardt im Jahr 1872 einen Plan hiefür ausgearbeitet. 
Ein definitiver Beschluß hierüber wurde noch nicht gefaßt, hin 
gegen aber ein Fonds angesammelt. 
Das Besireben geht bis jetzt dahin, bei der Restauration sich 
soweit immer möglich an das Vorhandene zu halten. 
Die vorgelegten Photographien gebe» in dieser Richtung den 
nötigen Aufschluß. 
Erwähnenswert ist noch, daß nach der Beschreibung von C. 
Jäger in dem im Jahr 1535 abgebrannten Rathaus in den un 
tern Räumen eine öffentliche Badstube sich befand. 
Das anstoßende städtische Archiv wurde in den Jahren 1765 
bis 1769 im reinen Zopfstil erbaut; einige Jahre später wurde 
auch das hübsch durchgeführte alte Schießhans im Rokokostil er 
stellt. 
Zu den weiteren interessanten älteren Bauten gehören: 
Das Wcingandsche Haus an der linken Seite des Markt 
platzes — ehemalige Wohnung des Reichsschultheißen s. Plan! 
welches mit der Sage des Kätchens von Heilbronn eng verknüpft und 
schon aus diesem Grunde hier zu erwähnen ist. Dasselbe kann 
wohl als in: Frührenaissance-Stil mit starken Anklängen an die 
Gothik hergestellt, bezeichnet werden. 
Das Hägelcsche Haus beim Kirchbrunnen, wohl auch eines der 
ältesten Häuser. 
Der jetzige Besitzer will dem erstgenannten Gebändebesitzer 
bezüglich der Geburtsstätte des Kätchens den Rang streitig machen. 
Erst in de» letzte» Monaten hat derselbe neben seiner Bierrestauration 
auch noch eine altdeutsche Weinstube, wozu der hübsche Erker und 
die alte Kasettcndecke geeignet verwendet werden konnte, eingerichtet. 
Es ist dieses Lokal wohl in beiderlei Richtung den reiselustigen 
Technikern zu empfehlen. 
Weiter ist der Besichtigung noch wert das im Jahr 1600 
erbaute alte Schlachthaus, nunmehrige historische Museum und 
Botenhalle, auch die Sonne in der Sülmerstraße ans den 90. 
Jahren vom vorige» Jahrhundert, welche von dem Architekten Krutt- 
hofen aus der Pfalz im edlen Stil durchgeführt ist, und das 
Rauchsche Haus 1804—1807 errichtet, durch Herrn Professor Rein 
hardt vor 11 Jahren in edler Renaissance restauriert, dient der 
Stadt zur wesentlichen Zierde; außerdem ist noch zu nennen das 
Staatsrat v. Goppelische Haus, das in pompejanischer Bauweise 
von Hofbaumeister Dr. Zanth erstellt wurde. 
Daß aber in Heilbronn auch in den letzten Jahrzehnten auf 
dem Gebiet der Bautechnik vieles und nennenswertes geschehen ist, 
habe ich schon in dem geschichtlichen Teil summarisch angeführt und 
darf ich deßhalb hier nur noch das Wesentlichste hievon besonders 
nennen: 
Die Synagoge, 1874 bis 1877 nach Wolfs Plänen im 
maurisch-byzantinischen Stile meisterhaft ausgeführt. Leider aber 
hat dieses Bauwesen schon bedeutende Sorgen wegen den immer 
noch stattfindenden starken Setzungen hervorgerufen, und behalte 
ich mir vor, auf diese Frage an einem späteren Abend zurückzu 
kommen. 
Der Harmoniebau in den Jahren 1876 — 77 von Professor 
Reinhardt im edlen Renaissancestil und prächtiger Ausstattung der 
Jnncnräume ausgeführt. Das Wohnhaus von Hagenbucher vom 
gleichen Meister hergestellt. Das Bankhaus von Rümelin und das 
Wohngebäude von Kaufmann Koch, von Professor Walter ausge 
führt. Das im Deutsch-Renaissancestil durchgeführte Wohngebäude 
von Dr. Schliz nach dem Plan von Keyser und von Großheim (s. Plan) 
in Berlin hergestellt. Das Bankgebäude der Filiale der Vercins- 
bank von Mautet, Moosbrugger sowie noch verschiedene andere 
Wohngebäude und die neuen Schulgebäude legen Zeugnis davon 
ab, daß auch in Heilbronn der Sinn für das Schöne und Edle 
obwaltet. 
Bezüglich der Baukosten kann ich anführen, daß in Heilbronn 
der Massivbau infolge des vorhandenen Steinreichtunis wohl um 
mindestens 15 °/ 0 billiger zu stehen kommt als in Stuttgart; so 
stellte sich z. B. die neue höhere Mädchenschule auf 13,85 M. pro 
Kubikmeter vom Terrain his inkl. Dachgesims gemessen samt der 
vorhandenen Zentralheizung.
	        
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