Erste ordentliche Versammlung, am 4. Februar 1888.
Vorsitzender: Göller; Schriftführer: Laistner.
Anwesend: 22 Mitglieder und 3 Gäste.
Nach Eröffnung der Sitzung begrüßt der Vorsitzende zunächst
die Gaste und giebt sodann bekannt, daß die Herren Baurat Phi
lip pi, Negiernngsbaumeister Kräutle — von welchem der satznngs-
gemäß vorzulegende Lebensabriß nachträglich eingegangen ist —,
Regierungsbaumeister Schalter und Negierungsbauführer Kübler
durch Ansschnßbeschluß in den Verein aufgenommen worden sind
und Regiernngsbaumeister Braun in Ravensburg — vorgeschlagen
durch Bauinspektor Hescheler — um Aufnahme nachgesucht hat.
Hierauf werden die Protokolle der 9. und 10. Versammlung
verlesen. Bezüglich des letzteren kommt der Vorsitzende nochmals
auf die unliebsamen Erörterungen zu sprechen, die sich in der letzten
Versammlung an die Frage knüpften, ob Kölle berechtigt gewesen
sei, das amtliche Material über die Cannstatter Neckarbrücke zu
seinem Vortrag zu benützen. Er nimmt denselben entschieden in
Schutz und verliest zum Beweis, daß die frühere Benützung des
selben Materials in den Versammlungen der Bürgervereine seitens
der Ministerialabteilung für Straßen- und Wasserbau auch nicht
beanstandet worden sei, eine vom Sekretariat dieser Behörde an
die Bürgervereine gerichtete Zuschrift. Er betont namentlich auch
eine gewisse Analogie zwischen der Sachlage bei der letzten und bei
der heutigen, die Rathausfrage behandelnden Versammlung und
konnnt sodann zu dem Vorschlag, die ermähnten rein persönlichen
Auseinandersetzungen aus dem Protokoll zu streichen.
Leibbrand und Rheinhard sehen den Vergleich mit der
Rathausfrage nicht als zulässig an, da es sich hier nicht um Ver
wertung amtlichen Materials handle. Sie halten an dem in der
letzten Versa,nmlung eingenommenen Standpunkt fest, haben aber
gegen den beantragten Durchstrich im Protokoll nichts zu erinnern
Stadtbanrat Mayer glaubt in den Ausführungen des Vor
sitzenden die Bemerkung gehört zu haben, daß der Verein sich miß
billigend darüber ausgesprochen habe, daß von der Stadt Stuttgart
noch kein Programm für den Rathausbau hinausgegeben sei, und
fragt, ob der Verein schon irgend welche Anfrage in dieser Richtung
an die Stadtbehörde gestellt habe.
Der Vorsitzende bemerkt hierauf, daß eine solche Anfrage nicht
gestellt worden sei, und daß nicht der Verein, sondern nur einzelne
seiner Mitglieder die Ansicht geäußert hätten, es sollte ein Programm
von seiten der Stadt Stuttgart veröffentlicht worden sein.
Zum sachlichen Inhalt des Protokolls der 10. Versammlung
machen v. Hänel und Weyrauch noch einige kurze Bemerkungen,
worauf dann die beiden verlesenen Protokolle genehmigt werden.
Um die Zeit für die heutige Tagesordnung nicht zu sehr ein
zuschränken, schlägt der Vorsitzende vor, das Protokoll der Haupt
versammlung in der nächsten Versammlung zu verlesen; dies wird
allseitig gutgeheißen.
Vom Verbandsvorstand ist für Einsendung der Aeußerungen
der Einzelvereine zu der Frage der Meisterprüfungen im Bauge
werbe ein äußerster Termin auf den 10. Februar gestellt. Nach
kurzer Diskussion, in welcher die Notwendigkeit betont wird, den
wichtigen Gegenstand nicht allein von der Kommission behandeln zu
lassen, sondern in einer ordentlichen Versammlung durchznberaten,
und in der ferner Rheinhard darüber Klage führt, daß die vom
Verband gestellten Termine meist zu kurz bemessen seien, bestimmt
der Vorsitzende, daß der Gegenstand in der Sitzung vom 18. Fe
bruar zu Verhandlung komme» solle. Er richtet auch an die Kom
mission für die Fragen an die physikalisch-technische Reichsanstalt
die Bitte, ihren Bericht thunlichst zu beschleunigen.
Von Frankfurt ist Einladung zur Beteiligung an dein III.
internationalen Binnenschisfahrtskongreß ergangen und um Zusen
dung des Mitgliederverzeichnisses des Vereins unter Bezeichnung der
Teilnehmer an jenem Kongreß gebeten worden. Der Vorsitzende
bittet um event. Anmeldungen.
Hiemit sind die geschäftlichen Angelegenheiten erledigt und es
wird in die eigentliche Tagesordnung, Berichterstattung der Kom
mission für die Frage des Rathansnenbanes, eingetreten.
Der Vorsitzende bemerkt einleitend, daß seinerzeit in die Kom
mission gewählt worden seien die Herren Braunwald, Göller,
Laißle, v. Leins, Banrat Rheinhard, v. Tritschler und
Walter. Von diesen haben Braunwald und v. Tritschler
die Wahl nicht angenommen, weshalb statt ihrer die in der Stim
menzahl nächsten: Dollinger und Eiscnlohr in die Kommis
sion eingetreten seien. Diese habe v. Leins mit Ausarbeitung
eines GutachrenS über die schwebende Frage betraut, welcher Aus
gabe derselbe inst dankenswerter Hingebung entsprochen habe.
Der Referent verliest nun seinen von der Kommission gutge
heißenen und dem Verein zur Zustimmung empfohlenen Bericht.
Der Wortlaut desselben, sowie die zugehörigen Zeichnungen sind im
zweiten Heft des Vereinsjahrcs 1887/88 wiedergegeben. Der Re-
| ferent beschließt seinen mit Beifall aufgenommenen Bericht mit dem
Wunsche, cs möchte die Stadtg-meinde Stuttgart nicht vor den
Kosten einer zweckentsprechenden allgemeinen Konkurrenz zurück
schrecke», und diese bestehe im vorliegenden Falle darin, daß ein
und dasselbe Programm für beide in Frage kommenden Plätze zu
Grunde gelegt werde.
Die Kommission hat nun nachstehende Beschlüsse gefaßt, die
als Antrüge an die Vcrsanimlung gebracht werden:
1. daß der Verein für Banknnde das von Oberbaurat v. Leins
verfaßte Referat mit seinen Zeichnungsbeilagen in unver
änderter Fassung gut heißen möge,
2. daß noch besonders hervorgehoben werden möge, es sei für
das neu zu erbauende Rathaus der Bauplatz am Markt dem
jenigen der Legionskaserne vorzuziehen,
3. daß der Verein bei den städtischen Behörden die Ausschrei
bung einer sog. Jdeenkonkurcenz für die beiden in Frage
stehenden Plätze beantragen möge,
4. daß der Verein aussprechen möge, der Neubau des Rat
hauses an der alten Stelle sei auch zur Hebung der Verkehrs-,
baulichen und hygienischen Verhältnisse der Altstadt förderlich,
5. daß der Verein das Referat des Herrn Oberbanrat v. Leins
mit den Zusätzen, welche die Kommissionsbeschlüsse 2, 3 und
4 enthalten, dem Gemeinderat und Bürgerausschuß hiesiger
Stadt überreichen möge,
6. daß der Verein jenes Referat mit Zeichnungsbeilagen dem
Druck übergeben möge, um jedem Vereinsmitglied und jedem
Mitglied des Gemeinderats und Bürgerausschusses ein Exem
plar zustellen zu können.
Ehe in die Debatte eingetreten wird, bemerkt v. Leins noch,
daß er, weil ihm kein Programm zur Verfügung gestanden sei,
den Grundriß für den Rathausneubau auf dem Marktplatz der all
gemein bekannten Broschüre zu Gunsten dieses Projekts entlehnt
habe. Der Vorwurf, daß der Grundriß zu klein sei, werde kaum
zu befürchten sein, da er nicht unwesentlich mehr Flache aufweise,
als derjenige, der schon vor mehreren Jahren anläßlich der Ver
gleichung aller überhaupt in Betracht kommenden Plätze von einer
jedenfalls besser eingeweihten Seite für den Marktplatzbau als ge
nügend erachtet worden sei.
Leib brand ergreift nunmehr das Wort und führt ans, daß
es ihm namentlich mit Rücksicht auf das Fehlen eines bestimmten