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Die ältesten Bauwerke der Römer gleichen vollständig den Bauten
der Etrusker. Sie wurden aus gewaltigen Steinblöcken, rohen oder
bearbeiteten, und immer ohne Mörtel, vielfach wohl auch durch
Baumeister, die aus Etrurien herbeigerufen wurden, ausgeführt. Auch
nachdem sich die Römer von dem etruskischen Einfluß frei gemacht
hatten und die Bauformen der Griechen nachahmten, wurden große
Steinblöcke zu monumentalen Bauten noch bis in das erste Jahr
hundert vor Christus herein ausschließlich angewendet. Aber der
praktische Geist der Römer fand allmälig doch heraus, daß man beim
Bauen über viele Schwierigkeiten hinwegkomme, wenn man anstatt
großer sorgfältig bearbeiteter Steinblöcke zerkleinerte Steine nimmt
und diese mit Mörtel verbindet. Die Römer fanden, daß sich die
verschiedenartigsten Steine, die überall leicht zu bekommen sind, ver
wenden lassen, daß die neue Bauweise in der Hauptsache mit den
ungeübtesten Leuten, Soldaten, Gefangenen, Sklaven, die in fast
unbeschränkter Zahl zur Verfügung standen, durchgeführt werden könne
und nur wenige wirkliche Bauhandwerker nötig seien. Wegen dieser
Vorzüge bürgerte sich die neue Bauweise — etwa mit dem Beginn
der Kaiserzeit (31 vor Christus) — rasch im ganzen römischen Reich
ein, ohne daß übrigens die alte Bauweise ganz verdrängt worden
wäre. Die Römer sind die Erfinder des Mauerwerks aus kleinen
Steinen von unregelmäßiger Form, des Emplekton oder Füllmauer
werks, wie ich es weiterhin heißen werde, denn es steht fest, daß weder
die Aegypter, noch die Babylonier und Assyrer, noch die Etrusker,
noch endlich die Griechen, dieses Mauerwerk vor den Römern kannten.
Es sind zwei verschiedene Arten von Füllmauerwerk zu unter
scheiden, nämlich gestampftes und nicht gestampftes.
Das gestampfte ist nur in zwei Fällen anzutreffen, das einemal
bei verhältnismäßig dicken Mauern, die mit Quadern verkleidet sind,
das anderemal bei Grundmauern in einem Boden, der entweder von
selbst oder doch mit einer leichten Verschalung senkrecht hielt, wie
dies z. B. bei dem Boden in der Umgebung von Rom der Fall ist.
Bei der Ausführung zwischen Quadern wurde zuerst eine 10
bis 15 cm starke Schichte aus Mörtel eingebracht. Zum Mörtel
wurde in Rom Kalk und Puzzolanerde — pulvis Puteolanus —
hergestellt aus den vulkanischen Tuffen von Puteoli, dem heutigen
Puzzuoli, nördlich von Neapel gelegen, anderwärts nur Kalk und
grober Sand genommen. Zement im heutigen Sinne des Worts
kannten die Römer nicht, wie auch das lateinische Wort caementum
nicht Zement bedeutet, sondern einen roh bearbeiteten Stein, wie
er aus dem Steinbruch kommt, einen Bruchstein oder Mauerstein,
und caementa marmorea Marmorbrocken. Auf die Mörtelschicht
wurde eine ebenso starke oder auch noch etwas stärkere Schicht ge
schlagener Steine etwa von der Größe, wie sie heutigen Tags zur
Straßenuuterhaltung verwendet werden, gebracht und eingestampft.
Dabei drang der Mörtel in die Räume zwischen den einzelnen Steinen
ein. So folgte Schicht auf Schicht und zwar durchaus in horizon
taler Lage.
Daß diese Art von Füllmauerwerk in der beschriebenen Weise
hergestellt worden sein muß, läßt sich an einer Reihe von Bauwerken
nachweisen, an denen abwechslungsweise Schichten aus reinem Mörtel
und Schichten, die vorzugsweise aus dicht an einander gepreßten
kleinen Steinen bestehen, auf einander folgen, so insbesondere an
vielen Grabdenkmälern an der via Appia bei Rom. Die Stein
brocken bestehen hier aus festein Tuff oder aus schwarzer Lava, die
beide in der Nähe gefunden werden.
Ganz in gleicher Weise wurde das gestampfte Füllmauerwerk
bei Grundmauern hergestellt. An solchen Mauern lassen sich sogar
noch die Eindrücke nachweisen, die von der Bretterverschalung und
ihren Pfosten herrühren.
In allen anderen Fällen, als den beschriebenen — und diese
anderen Fälle waren weitaus die zahlreicheren — wurde nicht ge-
stanipftes Mauerwerk angewendet. Dieses unterscheidet sich von dem
gestampften dadurch, daß unbearbeitete größere, aber doch noch
verhältnismäßig kleine Steine von einer Länge und Breite von
12—15 cm und einer Dicke von etwa 7 cm horizontal und in
regelmäßiger Weise in ein 3—4 cm dickes Mörtelbett in Abständen
von 4—5 cm unter sich eingelegt wurden. Jede Steinschicht wurde
von der nächsten durch ein ebensolches Mörtelbett getrennt. Mit
einem derartigen Füllmauerwerk konnte außerordentlich rasch gebaut
werden.
Es war früher eine allgemein verbreitete Ansicht, daß man es
hier mit jenem Mauerwerk zu thun habe, das wir in der Neuzeit
mit dem französischen Namen Beton bezeichnen, d. h. mit einem vor
der Verwendung in der Mauer bereiteten Gemenge von Mörtel und
Steinen; allein dieser Ansicht widerspricht der Umstand, daß alle Steine
genau horizontal und auf ihrer größten Grundfläche liegen, sowie
daß es praktisch undurchführbar ist, Steine von der angegebenen
Größe durch Mischen mit Mörtel zu einem Beton zu verarbeiten.
Uebrigens ist es nicht zweifelhaft, daß die Römer auch den
eigentlichen Beton kannten, denn der bekannte Architekt und Kriegs-
baumeistcr Vitruv empfiehlt in seinem Buch 6c arcbitectura (5. Buch,
12. Kapitel) zu Bauten am Meer ein Mauerwerk mit Worten, die
in Verbindung mit einer nachfolgenden Stelle eine andere Deutung
als auf Betou nicht zulassen. Gefunden wurde aber ein solcher Beton
noch nicht, und jedenfalls war er nicht allgemein im Gebrauch.')
Die Stelle lautet * 2 );
Eae autem structurae, quae in aqua sunt futurae, videntur
sic esse faciendae, uti portetur pulvis a regionibus, quae sunt
a Cumis continuatae ad promontorium Minervae, isque mis-
ceatur uti in mortario duo ad unum respondeant. Deinde
tune in eo loco qui definitus erit, arcae stipitibus robusteis
et catenis inclusae in aquam demittendae destinandaeque fir
mier, deinde intra ex transtillis inferior pars sub aqua et
exaequanda et purganda, et caementis ex mortario, materia
mixta quemadmodum supra scriptum est, ibi congerendum,
donec compleatur structura spatium quod fuerit inter arcas.
und nach meiner Uebersetzung:
Solches Mauerwerk aber, das im Wasser errichtet werden soll,
wird auf folgende Weise aufgeführt werden müssen: Man beschaffe
den Sand aus den Gegenden, die sich von Cumä an bis zum Vor
gebirge der Minerva erstrecken, und mische ihn so, daß im Mörtel
zwei Teile hievon einem Teil (Kalk) entsprechen. Hierauf muß man
an der Stelle, die dazu ausersehen worden ist, Kasten aus eichenen
Hölzern und mit Zangen verbunden, in das Wasser hinablassen und
an Pfählen festmachen; dann muß man von den Querbalken aus
den Meeresgrund innerhalb ausbaggern und den ganzen Raum mit
Bruchsteinen, die mit Mörtel von der beschriebenen Mischung ver
bunden werden, vollständig ausfüllen.
Bedenkt man nun einerseits, daß es sich darum handelt, einen
mit Wasser gefüllten Kasten auszumauern und daß Vitruv angiebt,
es sei zum gewöhnlichen Kalk ein hydraulischer Zuschlag zu nehmen
— denn eben zwische Cumä und dem Vorgebirge der Minerva findet
sich Puzzolanerde —, andererseits, daß Vitruv in der erwähnten
nachfolgenden Stelle angiebt, daß man dann, wenn man keinen
hydraulischen Zuschlag habe, doppelte Kästen machen, den Zwischen
raum zwischen beiden mit Thon ausstampfen und hernach den inneren
Kasten auspumpen müsse, so ist es ganz unzweifelhaft, daß mit dem
in der ersten Stelle aufgeführten Mauerwerk nur ein Beton gemeint
sein kann.
Vergleicht man die beiden Arten von Füllmauerwerk mit einander,
und berücksichtigt man weiter, daß es im Wesen der Römer lag,
ihre Bauausführungen möglichst einfach zu gestalten, so ergiebt sich
von selbst, daß das nicht gestampfte Füllmauerwerk überall da an
gewendet werden mußte, wo die Mauern nur mit kleinen Bruchsteinen
oder Ziegeln verkleidet wurden, die beim Stampfen dem Druck des
halbflüssigen Mörtels nicht Stand gehalten hätten.
In den Mauern findet man in mehr oder weniger regelmäßigen
Abständen horizontal gerichtete Hohlräume, teils von viereckigem, teils
von unregelmäßigem Querschnitt, die entweder durch die ganze Mauer
hindurchgehen, oder nur bis zu einer gewissen Tiefe hineinreichen.
Diese Hohlräume können nur von Gerüsthölzern herrühren, die beim
Mauern nötig waren. Giengen die Hölzer durch die ganze Mauer
hindurch, so mußten sie im Mauerwerk belassen werden, denn durch
>) Vgl. Choisy S. 19.
2 ) Vgl. die Ausgabe des Vitruv von Rose und Müller-Strübing, Leip
zig 1867.