Full text: Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart (1893-97)

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Die ältesten Bauwerke der Römer gleichen vollständig den Bauten 
der Etrusker. Sie wurden aus gewaltigen Steinblöcken, rohen oder 
bearbeiteten, und immer ohne Mörtel, vielfach wohl auch durch 
Baumeister, die aus Etrurien herbeigerufen wurden, ausgeführt. Auch 
nachdem sich die Römer von dem etruskischen Einfluß frei gemacht 
hatten und die Bauformen der Griechen nachahmten, wurden große 
Steinblöcke zu monumentalen Bauten noch bis in das erste Jahr 
hundert vor Christus herein ausschließlich angewendet. Aber der 
praktische Geist der Römer fand allmälig doch heraus, daß man beim 
Bauen über viele Schwierigkeiten hinwegkomme, wenn man anstatt 
großer sorgfältig bearbeiteter Steinblöcke zerkleinerte Steine nimmt 
und diese mit Mörtel verbindet. Die Römer fanden, daß sich die 
verschiedenartigsten Steine, die überall leicht zu bekommen sind, ver 
wenden lassen, daß die neue Bauweise in der Hauptsache mit den 
ungeübtesten Leuten, Soldaten, Gefangenen, Sklaven, die in fast 
unbeschränkter Zahl zur Verfügung standen, durchgeführt werden könne 
und nur wenige wirkliche Bauhandwerker nötig seien. Wegen dieser 
Vorzüge bürgerte sich die neue Bauweise — etwa mit dem Beginn 
der Kaiserzeit (31 vor Christus) — rasch im ganzen römischen Reich 
ein, ohne daß übrigens die alte Bauweise ganz verdrängt worden 
wäre. Die Römer sind die Erfinder des Mauerwerks aus kleinen 
Steinen von unregelmäßiger Form, des Emplekton oder Füllmauer 
werks, wie ich es weiterhin heißen werde, denn es steht fest, daß weder 
die Aegypter, noch die Babylonier und Assyrer, noch die Etrusker, 
noch endlich die Griechen, dieses Mauerwerk vor den Römern kannten. 
Es sind zwei verschiedene Arten von Füllmauerwerk zu unter 
scheiden, nämlich gestampftes und nicht gestampftes. 
Das gestampfte ist nur in zwei Fällen anzutreffen, das einemal 
bei verhältnismäßig dicken Mauern, die mit Quadern verkleidet sind, 
das anderemal bei Grundmauern in einem Boden, der entweder von 
selbst oder doch mit einer leichten Verschalung senkrecht hielt, wie 
dies z. B. bei dem Boden in der Umgebung von Rom der Fall ist. 
Bei der Ausführung zwischen Quadern wurde zuerst eine 10 
bis 15 cm starke Schichte aus Mörtel eingebracht. Zum Mörtel 
wurde in Rom Kalk und Puzzolanerde — pulvis Puteolanus — 
hergestellt aus den vulkanischen Tuffen von Puteoli, dem heutigen 
Puzzuoli, nördlich von Neapel gelegen, anderwärts nur Kalk und 
grober Sand genommen. Zement im heutigen Sinne des Worts 
kannten die Römer nicht, wie auch das lateinische Wort caementum 
nicht Zement bedeutet, sondern einen roh bearbeiteten Stein, wie 
er aus dem Steinbruch kommt, einen Bruchstein oder Mauerstein, 
und caementa marmorea Marmorbrocken. Auf die Mörtelschicht 
wurde eine ebenso starke oder auch noch etwas stärkere Schicht ge 
schlagener Steine etwa von der Größe, wie sie heutigen Tags zur 
Straßenuuterhaltung verwendet werden, gebracht und eingestampft. 
Dabei drang der Mörtel in die Räume zwischen den einzelnen Steinen 
ein. So folgte Schicht auf Schicht und zwar durchaus in horizon 
taler Lage. 
Daß diese Art von Füllmauerwerk in der beschriebenen Weise 
hergestellt worden sein muß, läßt sich an einer Reihe von Bauwerken 
nachweisen, an denen abwechslungsweise Schichten aus reinem Mörtel 
und Schichten, die vorzugsweise aus dicht an einander gepreßten 
kleinen Steinen bestehen, auf einander folgen, so insbesondere an 
vielen Grabdenkmälern an der via Appia bei Rom. Die Stein 
brocken bestehen hier aus festein Tuff oder aus schwarzer Lava, die 
beide in der Nähe gefunden werden. 
Ganz in gleicher Weise wurde das gestampfte Füllmauerwerk 
bei Grundmauern hergestellt. An solchen Mauern lassen sich sogar 
noch die Eindrücke nachweisen, die von der Bretterverschalung und 
ihren Pfosten herrühren. 
In allen anderen Fällen, als den beschriebenen — und diese 
anderen Fälle waren weitaus die zahlreicheren — wurde nicht ge- 
stanipftes Mauerwerk angewendet. Dieses unterscheidet sich von dem 
gestampften dadurch, daß unbearbeitete größere, aber doch noch 
verhältnismäßig kleine Steine von einer Länge und Breite von 
12—15 cm und einer Dicke von etwa 7 cm horizontal und in 
regelmäßiger Weise in ein 3—4 cm dickes Mörtelbett in Abständen 
von 4—5 cm unter sich eingelegt wurden. Jede Steinschicht wurde 
von der nächsten durch ein ebensolches Mörtelbett getrennt. Mit 
einem derartigen Füllmauerwerk konnte außerordentlich rasch gebaut 
werden. 
Es war früher eine allgemein verbreitete Ansicht, daß man es 
hier mit jenem Mauerwerk zu thun habe, das wir in der Neuzeit 
mit dem französischen Namen Beton bezeichnen, d. h. mit einem vor 
der Verwendung in der Mauer bereiteten Gemenge von Mörtel und 
Steinen; allein dieser Ansicht widerspricht der Umstand, daß alle Steine 
genau horizontal und auf ihrer größten Grundfläche liegen, sowie 
daß es praktisch undurchführbar ist, Steine von der angegebenen 
Größe durch Mischen mit Mörtel zu einem Beton zu verarbeiten. 
Uebrigens ist es nicht zweifelhaft, daß die Römer auch den 
eigentlichen Beton kannten, denn der bekannte Architekt und Kriegs- 
baumeistcr Vitruv empfiehlt in seinem Buch 6c arcbitectura (5. Buch, 
12. Kapitel) zu Bauten am Meer ein Mauerwerk mit Worten, die 
in Verbindung mit einer nachfolgenden Stelle eine andere Deutung 
als auf Betou nicht zulassen. Gefunden wurde aber ein solcher Beton 
noch nicht, und jedenfalls war er nicht allgemein im Gebrauch.') 
Die Stelle lautet * 2 ); 
Eae autem structurae, quae in aqua sunt futurae, videntur 
sic esse faciendae, uti portetur pulvis a regionibus, quae sunt 
a Cumis continuatae ad promontorium Minervae, isque mis- 
ceatur uti in mortario duo ad unum respondeant. Deinde 
tune in eo loco qui definitus erit, arcae stipitibus robusteis 
et catenis inclusae in aquam demittendae destinandaeque fir 
mier, deinde intra ex transtillis inferior pars sub aqua et 
exaequanda et purganda, et caementis ex mortario, materia 
mixta quemadmodum supra scriptum est, ibi congerendum, 
donec compleatur structura spatium quod fuerit inter arcas. 
und nach meiner Uebersetzung: 
Solches Mauerwerk aber, das im Wasser errichtet werden soll, 
wird auf folgende Weise aufgeführt werden müssen: Man beschaffe 
den Sand aus den Gegenden, die sich von Cumä an bis zum Vor 
gebirge der Minerva erstrecken, und mische ihn so, daß im Mörtel 
zwei Teile hievon einem Teil (Kalk) entsprechen. Hierauf muß man 
an der Stelle, die dazu ausersehen worden ist, Kasten aus eichenen 
Hölzern und mit Zangen verbunden, in das Wasser hinablassen und 
an Pfählen festmachen; dann muß man von den Querbalken aus 
den Meeresgrund innerhalb ausbaggern und den ganzen Raum mit 
Bruchsteinen, die mit Mörtel von der beschriebenen Mischung ver 
bunden werden, vollständig ausfüllen. 
Bedenkt man nun einerseits, daß es sich darum handelt, einen 
mit Wasser gefüllten Kasten auszumauern und daß Vitruv angiebt, 
es sei zum gewöhnlichen Kalk ein hydraulischer Zuschlag zu nehmen 
— denn eben zwische Cumä und dem Vorgebirge der Minerva findet 
sich Puzzolanerde —, andererseits, daß Vitruv in der erwähnten 
nachfolgenden Stelle angiebt, daß man dann, wenn man keinen 
hydraulischen Zuschlag habe, doppelte Kästen machen, den Zwischen 
raum zwischen beiden mit Thon ausstampfen und hernach den inneren 
Kasten auspumpen müsse, so ist es ganz unzweifelhaft, daß mit dem 
in der ersten Stelle aufgeführten Mauerwerk nur ein Beton gemeint 
sein kann. 
Vergleicht man die beiden Arten von Füllmauerwerk mit einander, 
und berücksichtigt man weiter, daß es im Wesen der Römer lag, 
ihre Bauausführungen möglichst einfach zu gestalten, so ergiebt sich 
von selbst, daß das nicht gestampfte Füllmauerwerk überall da an 
gewendet werden mußte, wo die Mauern nur mit kleinen Bruchsteinen 
oder Ziegeln verkleidet wurden, die beim Stampfen dem Druck des 
halbflüssigen Mörtels nicht Stand gehalten hätten. 
In den Mauern findet man in mehr oder weniger regelmäßigen 
Abständen horizontal gerichtete Hohlräume, teils von viereckigem, teils 
von unregelmäßigem Querschnitt, die entweder durch die ganze Mauer 
hindurchgehen, oder nur bis zu einer gewissen Tiefe hineinreichen. 
Diese Hohlräume können nur von Gerüsthölzern herrühren, die beim 
Mauern nötig waren. Giengen die Hölzer durch die ganze Mauer 
hindurch, so mußten sie im Mauerwerk belassen werden, denn durch 
>) Vgl. Choisy S. 19. 
2 ) Vgl. die Ausgabe des Vitruv von Rose und Müller-Strübing, Leip 
zig 1867.
	        
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