Full text: Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart (1893-97)

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das gewaltsame Herausziehen der nicht völlig geraden und im Quer 
schnitt nicht völlig gleichmäßigen Hölzer wäre das Gemäuer, in dessen 
Innerem der Mörtel lange nicht erhärten konnte, stark beschädigt 
worden. Die Hölzer wurden in der Mauerflucht abgesägl und bildeten 
so zugleich einen Querverband. Reste von Holz sind zwar nirgends 
mehr anzutreffen, da es im Lauf der Jahrhunderte verfault ist, aber 
daß das Einlegen von Holz zum Verband der Mauern bei den 
Römern üblich war, geht aus einer Stelle bei Vitruv hervor (1. Buch, 
5. Kap.), wo er zu diesem Zweck angekohltes Olivenholz deshalb 
empfiehlt, weil es unverwüstlich sei. Die Stelle lautet: Dum in 
crassitudine perpetuae taleae oleagineae ustilatae quam cre- 
berrime instruantur, uti utraeque muri frontes inter se, quem- 
admodum fibulis his taleis conligatae aeternam habeant 
firmitatem. Namque ei materiae nec caries. nec tempestates, 
nec vetustas potest nocere, sed ea et in terra obruta et in 
aqua conlocata permanet sine vitiis utilis sempiterno. Itaque 
non solum in muro, sed etiam in substructionibus quique 
parietes murali crassitudine erant faciundi hac ratione religati 
non cito vitiabuntur. 
und nach meiner Uebersetzung: 
Dann müssen der Dicke der Mauer nach durchgehende angekohlte 
Balken von Olivcuholz in großer Zahl eingelegt werden, damit die 
beiden Außenseiten der Mauer durch diese Balken wie mit Klammern 
verbunden ewige Dauer haben; denn diesem Holz kann weder Fäulnis, 
noch Wetter, noch Alter etwas anhaben, sondern selbst in die Erde 
vergraben, oder ins Wasser gelegt, verbleibt es unbeschädigt und 
immer brauchbar. Und so nicht blos bei Mauern, sondern auch bei 
Grundbauten, und auch die Wände, die in der Dicke einer Mauer 
gebaut werden sollen, werden nach dieser Verfahrnngsart verbunden 
nicht so bald beschädigt werden. 
Die Querhölzer allein genügten aber zu einem guten Verband 
nicht, es wurden daher in Abständen von 1,3—3,0 m eine oder 
mehrere durchgehende Schichten aus großen Ziegeln eingelegt. Die 
Ziegel waren in der Regel 2 Fuß römisch, oder da ein Fuß römisch — 
0,2963 m ist, rund 60 cm lang und breit und 4—5 cm dick. 
Daß die Römer die Steine, die in das Füllmauerwerk eingelegt 
wurden, vor dem Einlegen anfeuchteten, läßt sich mit großer Wahr 
scheinlichkeit aus einer Inschrift zu Puteoli aus dem Jahr 104 vor 
Christus schließen, welche Vorschriften über die Ausbesserung einer zum 
Serapistempel gehörigen Mauer enthält, der lex puteolana parieti 
faciundo. Durch diese lex wurde dem Bauunternehmer vorgeschrieben, 
daß er nur solche geschlagene Steine nehmen dürfe, die in trockenem 
Zustand nicht mehr als ein gewisses Gewicht haben. 
Den Römern wird also der nachteilige Einfluß, den trockene 
Steine dadurch auf den Mörtel ausüben, daß sie ihm das Wasser 
rasch entziehen, und Veranlassung zur Bildung von amorphem weichen 
kohlensauren Kalk (Kreide) geben, wohl bekannt gewesen sein. Das 
Anfeuchten war in Rom besonders geboten, da gerade dort viele 
Steine vulkanischen Ursprungs verwendet werden, die Wasser begierig 
ansaugen. 
Genau das gleiche nicht gestampfte Füllmauerwerk, das bei 
Mauern zu finden ist, wird auch bei Gewölben angetroffen. 
Nirgends waren Gewölbe so allgemein im Gebrauch, wie bei 
den Römern. Wo sie sich längere Zeit aufhielten, sind Reste davon 
zu finden. 
Gewölbe, und zwar solche aus Ziegelsteinen waren nach den 
Entdeckungen, die Layard, Lepsius und andere gemacht haben, schon 
den Aegyptern und den Babyloniern und Assyrern bekannt, ebenso 
Gewölbe aus Bausteinen, die ohne Mörtel versetzt wurden, den 
Etruskern, denen man lange Zeit die Erfindung der Kunst des 
Wölbcns, d. h. der Herstellung eines aus keilförmigen Steinen ge 
bildeten Bogens, dessen Fugen gegen einen Mittelpunkt gerichtet sind, 
zuschrieb. Aber erst die Römer bildeten den Gewölbebau, die von den 
Etruskern übernommene Erbschaft weiter aus und führten ihn in 
einer Weise durch, daß er von der Kaiserzeit an 3 1 / 2 Jahrhunderte 
hindurch die römische Baukunst vollständig beherrschte. Unerreicht 
bis auf den heutigen Tag stehen die gewaltigen Gewölbe zum 
Teil noch vorzüglich erhalten, zum Teil in Trümmern da, ehrwürdige 
Zeugen der längst vergangenen römischen Macht. 
Betrachtet man ein solches Gewölbe, etwa einen Bogen der fast 
endlosen Aquäducte in der Campagna bei Rom, durch welche ganze 
Bäche Wassers in mannshohen Kanälen in die Stadt geleitet wurden, 
so sieht man an der Stirne einen Bogen aus Ziegeln oder Bruch 
steinen, deren Fugen gegen einen gemeinschaftlichen Mittelpunkt ge 
richtet sind. Hinter der in gleicher Weise verkleideten Mauerfläche 
erscheint ein rauhes Gemäuer aus Tuffstein- oder Ziegelbrocken, das 
schon geschilderte Füllmauerwerk und zwar das nicht gestampfte. 
Betrachtet man sodann die innere Seite des Gewölbs näher, so 
entdeckt man in dem rauhen Gemäuer schmale Bögen aus Ziegeln, 
die durch quer laufende Bänder ebenfalls aus Ziegeln unter sich 
verbunden sind. Diese Bögen und Bänder konnten, wie die nähere 
Untersuchung ergiebt, nicht gleichzeitig mit dem Füllmauerwerk her 
gestellt worden sein und konnten auch keine Verstärkung des Gewölbs 
bilden, denn dazu waren sie zu schwach, sie mußten vielmehr zuerst 
hergestellt worden sein und den Zweck haben, dem Füllmauerwerk 
als Stütze zu dienen, das vom Widerlager bis zum Scheitel, dem 
Wesen eines Gewölbs völlig entgegen, durchaus in horizontalen 
Schichten, genau wie bei einer Mauer, angelegt erscheint. Durch 
das Hilfsmittel der Nippen war der Bau der Gewölbe sehr ver 
einfacht: die dünnen Rippen erforderten nur leichte Lehrbögen; waren 
sie nach Erhärtung des Mörtels zur Aufnahme eines Drucks fähig 
geworden, so konnten sie einen Teil der Last des Füllmauerwerks, 
das ihnen anklebte, aufnehmen, und diesem geradezu als Lehrbögen 
dienen. Ohne diese festen gemauerten Rippen wäre es gar nicht 
möglich gewesen, die großen römischen Gewölbe mit horizontal ge 
schichtetem Mauerwerk auszuführen. Denn wenn auch das Füllmauer 
werk bis auf etwa x / 3 seiner Höhe vom Kämpfer an aufwärts nahezu 
keinen Druck auf ein Lehrgerüst ausübte, so stieg doch der Druck von 
hier an bis zum Scheitel bei der oft erheblichen Dicke des Mauer 
werks so bedeutend, daß es gewagt gewesen wäre, ihn auf ein hölzernes 
Lehrgerüst zu übertragen, das bei jeder Witterungsänderung Aende 
rungen in der Form erleidet. 
Auch der Gewölbe bau der Römer hatte den Vorteil, daß er 
nur eine geringe Zahl von Bauhandwerkern erforderte und daß in 
der Hauptsache ungeübte Arbeiter genügten. 
Zu dem Gerippe wurden gewöhnlich zwei Arten von Ziegeln 
genommen: rechteckige Ziegel von zwei Fuß römisch — 60 cm Länge 
und 1 12 Fuß römisch = 15 cm Breite, und quadratische Platten 
von 60 cm Seitenlänge und 4—5 cm Dicke. Aus den rechteckigen 
Ziegeln wurden Gewölberippen erbaut, die von Mitte zu Mitte 60 cm 
Abstand erhielten; mit den quadratischen Platten wurden die Rippen 
in der Weise verbunden, daß Zellen von je 45/60 cm Weite ent 
standen, in die das Füllmauerwerk eingesetzt wurde. Dies ist die 
jenige Bauweise, die bei Gewölben aus den früheren Zeiten am 
häufigsten angetroffen wird. 
In anderen Fällen wurden die Rippen bis zu einem Abstand 
von 1 m auseinander gerückt. Die quadratischen Platten konnten dann 
keine Verbindung mehr zwischen den einzelnen Rippen bilden, sie 
standen vielmehr in der Form von Flügeln zu beiden Seiten der 
Rippen vor. 
In noch anderen Fällen wurden zwei Rippen durch Platten 
verbunden und die so gebildeten Rippenpaare 2 m und noch weiter 
auseinander gelegt. 
Bei Gewölben von großer Spannweite war eine Rippe, die nur 
die Stärke eines Ziegels hatte, ungenügend. In solchen Fällen wurde 
ein Doppelbogen, aus zwei Schichten von Ziegeln bestehend, so 
gebaut, daß zuerst nur ein einfacher Bogen errichtet wurde, der dann 
der zweiten Schichte als Lehrbogen diente. Solche Doppelbögen 
finden sich in dem 80 Fuß römisch — 23,7 m weiten Gewölbe der 
Basiliea des Constantin in Rom. 
Anstatt der Bänder aus quadratischen Platten werden hin und 
wieder auch solche aus mehreren Schichten von Ziegeln angetroffen, 
so z. B. bei dem Tempel der Venus und Roma in Rom. 
Rippen und Bänder wurden bei den Getvölben in der Regel 
nicht sichtbar gelassen, wie überhaupt bei den Römern ein innerer 
Zusammenhang zwischen der Konstruktion und der architektonischen 
Gestaltung eines Bauwerks in der Regel nicht bestand. Nur in 
außerordentlich seltenen Fällen läßt sich ein solcher nachweisen, so 
z. B. bei dem eben erwähnten Tempel der Venus und Roma, wo
	        

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