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das gewaltsame Herausziehen der nicht völlig geraden und im Quer
schnitt nicht völlig gleichmäßigen Hölzer wäre das Gemäuer, in dessen
Innerem der Mörtel lange nicht erhärten konnte, stark beschädigt
worden. Die Hölzer wurden in der Mauerflucht abgesägl und bildeten
so zugleich einen Querverband. Reste von Holz sind zwar nirgends
mehr anzutreffen, da es im Lauf der Jahrhunderte verfault ist, aber
daß das Einlegen von Holz zum Verband der Mauern bei den
Römern üblich war, geht aus einer Stelle bei Vitruv hervor (1. Buch,
5. Kap.), wo er zu diesem Zweck angekohltes Olivenholz deshalb
empfiehlt, weil es unverwüstlich sei. Die Stelle lautet: Dum in
crassitudine perpetuae taleae oleagineae ustilatae quam cre-
berrime instruantur, uti utraeque muri frontes inter se, quem-
admodum fibulis his taleis conligatae aeternam habeant
firmitatem. Namque ei materiae nec caries. nec tempestates,
nec vetustas potest nocere, sed ea et in terra obruta et in
aqua conlocata permanet sine vitiis utilis sempiterno. Itaque
non solum in muro, sed etiam in substructionibus quique
parietes murali crassitudine erant faciundi hac ratione religati
non cito vitiabuntur.
und nach meiner Uebersetzung:
Dann müssen der Dicke der Mauer nach durchgehende angekohlte
Balken von Olivcuholz in großer Zahl eingelegt werden, damit die
beiden Außenseiten der Mauer durch diese Balken wie mit Klammern
verbunden ewige Dauer haben; denn diesem Holz kann weder Fäulnis,
noch Wetter, noch Alter etwas anhaben, sondern selbst in die Erde
vergraben, oder ins Wasser gelegt, verbleibt es unbeschädigt und
immer brauchbar. Und so nicht blos bei Mauern, sondern auch bei
Grundbauten, und auch die Wände, die in der Dicke einer Mauer
gebaut werden sollen, werden nach dieser Verfahrnngsart verbunden
nicht so bald beschädigt werden.
Die Querhölzer allein genügten aber zu einem guten Verband
nicht, es wurden daher in Abständen von 1,3—3,0 m eine oder
mehrere durchgehende Schichten aus großen Ziegeln eingelegt. Die
Ziegel waren in der Regel 2 Fuß römisch, oder da ein Fuß römisch —
0,2963 m ist, rund 60 cm lang und breit und 4—5 cm dick.
Daß die Römer die Steine, die in das Füllmauerwerk eingelegt
wurden, vor dem Einlegen anfeuchteten, läßt sich mit großer Wahr
scheinlichkeit aus einer Inschrift zu Puteoli aus dem Jahr 104 vor
Christus schließen, welche Vorschriften über die Ausbesserung einer zum
Serapistempel gehörigen Mauer enthält, der lex puteolana parieti
faciundo. Durch diese lex wurde dem Bauunternehmer vorgeschrieben,
daß er nur solche geschlagene Steine nehmen dürfe, die in trockenem
Zustand nicht mehr als ein gewisses Gewicht haben.
Den Römern wird also der nachteilige Einfluß, den trockene
Steine dadurch auf den Mörtel ausüben, daß sie ihm das Wasser
rasch entziehen, und Veranlassung zur Bildung von amorphem weichen
kohlensauren Kalk (Kreide) geben, wohl bekannt gewesen sein. Das
Anfeuchten war in Rom besonders geboten, da gerade dort viele
Steine vulkanischen Ursprungs verwendet werden, die Wasser begierig
ansaugen.
Genau das gleiche nicht gestampfte Füllmauerwerk, das bei
Mauern zu finden ist, wird auch bei Gewölben angetroffen.
Nirgends waren Gewölbe so allgemein im Gebrauch, wie bei
den Römern. Wo sie sich längere Zeit aufhielten, sind Reste davon
zu finden.
Gewölbe, und zwar solche aus Ziegelsteinen waren nach den
Entdeckungen, die Layard, Lepsius und andere gemacht haben, schon
den Aegyptern und den Babyloniern und Assyrern bekannt, ebenso
Gewölbe aus Bausteinen, die ohne Mörtel versetzt wurden, den
Etruskern, denen man lange Zeit die Erfindung der Kunst des
Wölbcns, d. h. der Herstellung eines aus keilförmigen Steinen ge
bildeten Bogens, dessen Fugen gegen einen Mittelpunkt gerichtet sind,
zuschrieb. Aber erst die Römer bildeten den Gewölbebau, die von den
Etruskern übernommene Erbschaft weiter aus und führten ihn in
einer Weise durch, daß er von der Kaiserzeit an 3 1 / 2 Jahrhunderte
hindurch die römische Baukunst vollständig beherrschte. Unerreicht
bis auf den heutigen Tag stehen die gewaltigen Gewölbe zum
Teil noch vorzüglich erhalten, zum Teil in Trümmern da, ehrwürdige
Zeugen der längst vergangenen römischen Macht.
Betrachtet man ein solches Gewölbe, etwa einen Bogen der fast
endlosen Aquäducte in der Campagna bei Rom, durch welche ganze
Bäche Wassers in mannshohen Kanälen in die Stadt geleitet wurden,
so sieht man an der Stirne einen Bogen aus Ziegeln oder Bruch
steinen, deren Fugen gegen einen gemeinschaftlichen Mittelpunkt ge
richtet sind. Hinter der in gleicher Weise verkleideten Mauerfläche
erscheint ein rauhes Gemäuer aus Tuffstein- oder Ziegelbrocken, das
schon geschilderte Füllmauerwerk und zwar das nicht gestampfte.
Betrachtet man sodann die innere Seite des Gewölbs näher, so
entdeckt man in dem rauhen Gemäuer schmale Bögen aus Ziegeln,
die durch quer laufende Bänder ebenfalls aus Ziegeln unter sich
verbunden sind. Diese Bögen und Bänder konnten, wie die nähere
Untersuchung ergiebt, nicht gleichzeitig mit dem Füllmauerwerk her
gestellt worden sein und konnten auch keine Verstärkung des Gewölbs
bilden, denn dazu waren sie zu schwach, sie mußten vielmehr zuerst
hergestellt worden sein und den Zweck haben, dem Füllmauerwerk
als Stütze zu dienen, das vom Widerlager bis zum Scheitel, dem
Wesen eines Gewölbs völlig entgegen, durchaus in horizontalen
Schichten, genau wie bei einer Mauer, angelegt erscheint. Durch
das Hilfsmittel der Nippen war der Bau der Gewölbe sehr ver
einfacht: die dünnen Rippen erforderten nur leichte Lehrbögen; waren
sie nach Erhärtung des Mörtels zur Aufnahme eines Drucks fähig
geworden, so konnten sie einen Teil der Last des Füllmauerwerks,
das ihnen anklebte, aufnehmen, und diesem geradezu als Lehrbögen
dienen. Ohne diese festen gemauerten Rippen wäre es gar nicht
möglich gewesen, die großen römischen Gewölbe mit horizontal ge
schichtetem Mauerwerk auszuführen. Denn wenn auch das Füllmauer
werk bis auf etwa x / 3 seiner Höhe vom Kämpfer an aufwärts nahezu
keinen Druck auf ein Lehrgerüst ausübte, so stieg doch der Druck von
hier an bis zum Scheitel bei der oft erheblichen Dicke des Mauer
werks so bedeutend, daß es gewagt gewesen wäre, ihn auf ein hölzernes
Lehrgerüst zu übertragen, das bei jeder Witterungsänderung Aende
rungen in der Form erleidet.
Auch der Gewölbe bau der Römer hatte den Vorteil, daß er
nur eine geringe Zahl von Bauhandwerkern erforderte und daß in
der Hauptsache ungeübte Arbeiter genügten.
Zu dem Gerippe wurden gewöhnlich zwei Arten von Ziegeln
genommen: rechteckige Ziegel von zwei Fuß römisch — 60 cm Länge
und 1 12 Fuß römisch = 15 cm Breite, und quadratische Platten
von 60 cm Seitenlänge und 4—5 cm Dicke. Aus den rechteckigen
Ziegeln wurden Gewölberippen erbaut, die von Mitte zu Mitte 60 cm
Abstand erhielten; mit den quadratischen Platten wurden die Rippen
in der Weise verbunden, daß Zellen von je 45/60 cm Weite ent
standen, in die das Füllmauerwerk eingesetzt wurde. Dies ist die
jenige Bauweise, die bei Gewölben aus den früheren Zeiten am
häufigsten angetroffen wird.
In anderen Fällen wurden die Rippen bis zu einem Abstand
von 1 m auseinander gerückt. Die quadratischen Platten konnten dann
keine Verbindung mehr zwischen den einzelnen Rippen bilden, sie
standen vielmehr in der Form von Flügeln zu beiden Seiten der
Rippen vor.
In noch anderen Fällen wurden zwei Rippen durch Platten
verbunden und die so gebildeten Rippenpaare 2 m und noch weiter
auseinander gelegt.
Bei Gewölben von großer Spannweite war eine Rippe, die nur
die Stärke eines Ziegels hatte, ungenügend. In solchen Fällen wurde
ein Doppelbogen, aus zwei Schichten von Ziegeln bestehend, so
gebaut, daß zuerst nur ein einfacher Bogen errichtet wurde, der dann
der zweiten Schichte als Lehrbogen diente. Solche Doppelbögen
finden sich in dem 80 Fuß römisch — 23,7 m weiten Gewölbe der
Basiliea des Constantin in Rom.
Anstatt der Bänder aus quadratischen Platten werden hin und
wieder auch solche aus mehreren Schichten von Ziegeln angetroffen,
so z. B. bei dem Tempel der Venus und Roma in Rom.
Rippen und Bänder wurden bei den Getvölben in der Regel
nicht sichtbar gelassen, wie überhaupt bei den Römern ein innerer
Zusammenhang zwischen der Konstruktion und der architektonischen
Gestaltung eines Bauwerks in der Regel nicht bestand. Nur in
außerordentlich seltenen Fällen läßt sich ein solcher nachweisen, so
z. B. bei dem eben erwähnten Tempel der Venus und Roma, wo