Die früher üblichen Stiefel und der Gerok sind leider außer
Gebrauch gekommen. Die militärische Kopfbedeckung bildet auch heute
noch der sog. Schittenhelm. Der gewöhnliche Bürger trägt einfach
eine Kapp oder ein Kliihel, die von einem sog. Kcppler angefertigt
werden.
Die Lebensweise ist noch ziemlich dieselbe wie früher, und
keineswegs schlecht. Auf der Tafel sind nicht selten Hänel — oder
wie wir sagen würden: tsieckeler — zu treffen; bei besonderen An
lässen erscheint der sog. Kugrnhan, mitunter auch ein Kanßer.
Die schlechten Weinjahre haben sich leider auch im Lande der
Baukundigen fühlbar gemacht, so daß z. B. heutzutage ein Zeller
wohl nirgends mehr aufzutreiben ist.
Infolge dessen hat auch der Bierkonsnm wesentlich zugenommen.
Die Herstellung des einheimischen Bieres erfolge unter der Aufficht
eines längst im Lande ansäßigen erfahrenen Preu.
Die Wohnungen sind sehr einfach gehalten. Das Zimmer wird
gewöhnlich nicht tapeziert, sondern nur mit Ackert gestrichen. Das
Lieblingshanstier der Frauen ist wie bei uns die Kah.
Das gangbarste Geld ist der (sinlde. den Sie aber jedenfalls
nicht nach der österreichischen Währung beurteilen dürfen.
Eigentümliche Bezeichnungen sind für mancherlei Verrichtungen,
bezw. Personen üblich. So heißt z. B. der Meßner: Klocker, der
Hochwächler: lüeger, der bei uns übliche Zettelträger (vulgo Pappjean):
Kleber. Sackträger werden: Kupfer oder Kebsacker genannt. Was
eigentlich die Funktionen des sog. Käufer sind, habe ich nicht in Er
fahrung bringen können.
Gerade diese eigentümlichen Bezeichnungen haben es den Bau-
kundigen vermutlich angezeigt erscheinen lassen, zum leichteren Verkehr
mit fremden Besuchern des Landes einen besonderen Dolmetsch auf
zustellen.
Der Musik wird wenig und zudem in eigentümlicher Weise ge
huldigt. Ein Pfeiffer ist alles, was ich an ausübenden Musikern
angetroffen habe.
Wesentlich besser sieht es auf dem Gebiet der Dichtkunst aus.
Diese ist in ganz befriedigender Weise durch einen Schiller und einen
Mörike vertreten.
Ueber die religiösen Gebräuche scheint ein geflissentliches Still
schweigen beobachtet zu werden. Ich kann Ihnen daher nur so viel
mitteilen, daß dabei bis in die jüngste Zeit der Weyrauch eine
wesentliche Rolle gespielt hat, und ein Korherr die kirchlichen Zere
monien leitet. Der Pilgrim, den ich seinerzeit angetroffen habe,
scheint nicht mehr im Lande zu sein.
Was endlich die sanitären Verhältnisse des Landes betrifft, so
hat zwar die Hauptkrankheit, der Leibbrand, sich influenzaartig aus
gebreitet — man unterscheidet jetzt zwischen dem großen, dem kleinen
und dem Landes-Leibbrand —, allein die Krankheit ist, wie ich schon
früher berichtete, keineswegs gefährlich und darf Sie daher nicht
abhalten, dem sehenswerten Lande der Baukundigen einen Besuch
abzustatten.
Hiezu erlaube ich mir jetzt schon, Ihnen recht viel Vergnügen
zu wünschen!
Das neue König Karls-Bad in Wildbad.
Vortrag, gehalten von Oberbaurat Berner am 13. Januar 1894.
Den Bemühungen der Badeverwaltung, insbesondere des früheren, j
nunmehr in den Ruhestand getretenen kgl. Badearztes, Geh. Hofrats !
Dr. v. Renz war es zu verdanken, daß die Kgl. Finanzverwaltung !
sich veranlaßt fand, die Erstellung eines weiteren Bad-Etablissements '
nach demiDorbild des großh. Friedrichsbads im benachbarten Baden-
Baden, wenngleich in bescheidenerem Umfange, ins Auge zu fassen
und einen Antrag auf Bewilligung der hiefür erforderlichen Summe
von 470 000 Jl. bei den Landständen einzubringen, welcher denn
auch im Sommer 1889 die Genehmigung erhielt, so daß der Bau
selbst im Herbst dieses Jahres begonnen werden konnte. - Das neue
Etablissement sollte den Zweck erfüllen, einerseits durch die projektierten
röniisch-irischen und russischen Bäder, sowie durch die Errichtung einer
sog. schwedischen heilgymnastischen Anstalt die Wirkung der gewöhn
lichen Thermalbäder zu unterstützen, andererseits sollten darin auch
ErholungS- und Leseränme Unterkunft finden, für welche letzteren
bisher nur in sehr bescheidenem Maße gesorgt war.
Vorauszuschicken ist hier eine kurze Mitteilung über das sog.
alte König Karls-Bad. — Der Umstand, daß die Thermalquellen
besonders zur Zeit der höchsten Frequenz kaum für die Bedürfnisse
der zahlreichen Kurgäste ausreichten, führte schon vor Jahren zu
dem Versuch, die Ergiebigkeit der Quellen durch Bohrung zu ver
mehren, diese Versuche wurden aber, weil erfolglos, wieder aufge
geben, und man kam auf den Gedanken, dessen Priorität v. Renz
beansprucht, das zur Nachtzeit unnütz abfließende Thermalwasser zu
sammeln, und am Tage in Einzelbädern wieder zu verwenden.
Mittelst sinnreich konstruierter Röhrenleitungcn niit Schieberver
stellung wurde dieses 35—36 °C warme Wasser an 47 Zapfstellen in den
Badbassins gesammelt und nach einem tiefer liegenden gewölbten Reservoir
am linke» Enzufcr geleitet und von dort unter der Enz hindurch wieder
in ein höher liegendes Reservoir gepumpt, das gcgeu äußere Ab
kühlung sorgfältig geschützt war. Es soll heute auf diese hydro
technischen Einrichtungen nicht näher eingegangen werden; wer sich
darüber genau unterrichten will, findet Ausführliches in dem Renz'schcn
Buch, „Das Wildbad im Württcmbcrgischen Schwarzwald"; nur soviel
sei bemerkt, daß diese Arbeiten von ganzem Erfolg begleitet waren
und daß die Temperatur im neuen Bassin nur etwa um 1—1,5°
niedriger war als an den Quellen, und daß das „Nachtwasser" aus
reichte, um dem ersten König Karls-Bad täglich etwa 100—120
Einzelbäder zuzuführen.
Diese erste neue Badanlage enthält, wie aus dem Grundrisse er
sichtlich, 17 Einzelbäder, die sich um einen offenen Hof gruppieren,
einen kleinen Wasserturm mit dem Reservoir für kaltes Wasser
«Quellwasser) für die Touchen und die erforderlichen Nebcngelasse.
Mit Rücksicht auf die künftige Erweiterung wurde dieses 1882 fertige
Bauwesen gegen die Vorderseite nur mit einer provisorischen Fassade
versehen, die nun bei Beginn des Neubaus wieder gefallen ist. —
Nebenher sei benicrkt, daß man ursprünglich bezüglich der Ver
wendung des Vorderplatzcs vor dem König Karls-Bad noch ganz im
Unklaren war, resp. daß man von Konversations- und Spielsälen,
auch von einem Theaterbau redete, bis endlich, vornehmlich mit Rück
sicht auf den Erfolg des Fricdrichsbades in Baden-Baden der Gedanke
an ein ähnliches in Wildbad zu errichtendes Etablissement, Boden
gewann.
Der Bauplatz für das neue Bad ist ein sehr beschränkter, vorn
durch die Zufahrtstraße zu den Anlagen, seitlich durch 2 Nebengassen
begrenzt, 40 m lang, 20,5 m tief; auf dieser Grundfläche mußten
zwei vollständige Schwitz- und Dampfbäder, je für beide Geschlechter
(da eine zeillickie Trennung derselben unthunlich schien) untergebracht
werden, obgleich cs noch den gemachten Erfahrungen vielleicht besser
gewesen wäre, nur eine Sckiwitzbadanlage zu errichten, und dieser
dann entsprechend größere Abmessungen zu geben, denn es hat sich
herausgestellt, daß die Damcnabteilung sehr wenig besucht wird,
resp. daß dem Bedürfnis genügt wäre, wenn 2 Vormittage wöchentlich
für die Damen vorbehalten wären. — Ferner waren darin die Lese
zimmer und die Säle für Heilgymnastik, nebst Vestibül, Treppen
haus, Ruherünmen re. einzuteilen, und es ergab sich von selbst, daß
für die Bäder das Erdgeschoß gewählt und damit zugleich eine un
mittelbare Verbindung niit deni alten Badgebäudc erzielt wurde, so
daß nunmehr das Ganze ein Etablissement von sehr bedeutendem
Umfang — ca. 1350 l,rr> (Verschiebung der Aren) — darstellt