Full text: Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart (1893-97)

36 
Die neuen Mirgerhospitalbanten in Stuttgart. 
Vortrag, gehalten am 28. April 1894 von Alb. Pantlk, städt. Baninspektor. 
Wie bekannt, werden die neuen Bürgerhospitalbauten am 
1. Mai eingeweiht und bezogen, und dürfte es auch die Fachgenossen 
interessieren, über diese Bauten und ihre Ausführung nähere Details 
zu erfahren. Bemerkt wird, daß die Armen bauten noch nicht 
erstellt sind, sondern erst im Laufe dieses Jahrs in Angriff genommen 
werden sollen. 
Nachfolgendem Berichte über diese im Frühjahr 1892 begonnenen, 
auf dem städtischen Areal zwischen der Tunzhoferstraße, der Wolframs 
straße und der Eisenbahnlinie Stuttgart-Böblingen erstellten Neu 
bauten ist zunächst ein kurzer historischer Rückblick auf die Ent 
wicklung des Bauprojekts ooranzuschicken, während bezüglich der 
Geschichte des Bürgerhospitals auf einen Artikel in Nr. 88 (1894) 
des Schwäbischen Merkurs verwiesen werden kann. 
In einer Sitzung der Armendcputation am 14. September 1885 
wurde zum erstenmal die Frage erörtert, in welcher Weise für arme 
Familien Wohnungen beschafft werden könnten, da das Armenhaus 
für deren Unterbringung nicht mehr ausreiche. 
Es wurde vorgeschlagen, auf das Bürgerhospitalgebäude einen 
Stockaufbau für weitere Wohnungen herzustellen. 
Von der Bauabteilung des Gemeinderats wurde obiger Vorschlag 
in der Sitzung vom 29. September 1885 dem städtischen Hochbauamr 
zur Äußerung überwiesen und zugleich beschlossen, dem Wohnungs 
verein nahe zu legen, ob er nicht geneigt wäre, kleine Wohnungen 
gegen einen nieder zu verzinsenden Vorschuß der Stadt zu den Kosten 
des Unternehmens zu erbauen. 
Der Wohnungsverein lehnte jedoch das Ansinnen ab und auch 
der Aufbau auf das Bürgerhospitalgebäude konnte nicht befürwortet 
werden, schon wegen der Unzuträglichkelten, die ein Zusammenwohnen 
von Armenhausfamilien und Hospitaliten mit sich bringen würde; 
aber auch feuerpolizeiliche und konstruktive Bedenken standen entgegen. 
Weitere Schritte in der Sache wurden bis März 1886 unter 
lassen, um während des Winters noch nähere Anhaltspunkte über 
den Raumbedarf sammeln zu können. 
In der Etatsberatung der Ortsarmenbehörde und des Bürger- 
ausschusses vom 29. März 1886 wurde anerkannt, daß auch für die 
Obdachlosen weiterer Raum beschafft werden müsse, und ist zu diesem 
Zweck ein Stockaufbau auf das frühere Maschinenhaus der Gas 
fabrik zur Ausführung gekommen. 
Der Vergrößerung des Armenhauses, welches sich nachgerade 
als unzulänglich erwies, sollte erst nach Verlegung des Latrinenhofes 
in die Mönchhalde näher getreten werden. 
Es war nämlich beabsichtigt, auf dem freiwerdenden Areal des 
Latrinenhofs an die Ecke der Seiden- und Rosenbergstraße ein zweites 
Armenhaus zu bauen; ferner sollten die Angehörigen der Be 
schäftigungsanstalt aus dem Armenhaus entfernt und in Gebäulichkeiten 
der alten Gasfabrik untergebracht werden; es wurde zu diesem Zweck 
namentlich vorgeschlagen, einen Teil des Retortenhauses einzubauen. 
Bürgerhospital-Verwaltcr Bosler erörterte in einem größeren 
Bericht vom 15. Juli 1887 die Möglichkeit besserer Ausnützung der 
vorhandenen Gebäude. 
Das städtische Hochbauamt wies jedoch in einem Gutachten 
vom 29. Dezember 1887 die Unbrauchbarkeit des Retortcnhauses zur 
Einrichtung von Wohnungen nach, welchem Urteil sich die Ban 
abteilung anschloß; damit fand diese Frage vorerst ihren Abschluß, 
während die Vergrößerung des Armenhauses selbst der Armenhaus 
kommission zu weiterer Behandlung überwiesen wurde. 
Einen neuen Anstoß erhielt die Frage durch eine Eingabe des 
Ausschusses des nordwestlichen Bürgervcreins vom 21. März 1888, 
welcher sich gegen eine Vergrößerung des Armenhauses im Interesse 
des nordwestlichen Stadtteils aussprach und um Verlegung des 
Armenhauses, des Asyls für Obdachlose und der Beschäftigungsanstalt 
bat und damals schon das nun für diese Bauten und auch für das 
Bürgerhospital bestimmte Areal an der Tunzhoferstraße in Vorschlag 
brachte. 
Das Armenhaus sollte nach dieser Eingabe zu einer Schule 
umgebaut und das Areal der alten Gasfabrik teils für Lagerplätze 
des Tiefbauamts, teils zu anderen Zwecken verwendet oder als 
Bauplatz veräußert werden. 
Zu diesen Anregungen, gegen welche sich die bürgerlichen Kollegien 
nicht ablehnend verhielten, kam noch im Laufe des Jahres 1888 
die Frage wegen Gewinnung eines Platzes für eine gewerbliche und 
kaufmännische Fortbildungsschule. Es wurden die Räume und der 
noch unüberbaute Platz des jetzigen Bürgerhospitals in Vorschlag 
gebracht und zum erstenmal in Erwägung gezogen, ob nicht auch 
das Bürgerhospital mit den Armenhausbauten zu einer Baugruppe 
und unter einer Verwaltung auf dem Areal an der Tunzhoferstraße 
vereinigt werden könnten. 
In der Sitzung des Gemeinderats und Bürgerausschusses vom 
20. September 1888 wurde eine gemeinschaftliche Kommission zur 
weiteren Beratung der Fragen betr. die Verlegung 
a. des Bürgerhospitals, des Armenhauses, der Armenbeschäftigungs 
anstalt und des Asyls für Obdachlose, 
t>. der städtischen Gewerbeschule und der kaufmännischen Fort 
bildungsschule, 
eingesetzt. 
Nach vorhergegangener Erhebung des Raumbedarfs für die 
einzelnen Anstalten durch das städtische Hochbauamt und Abgabe 
einer Äußerung der Bürgerhospitalverwaltung trat die Kommission 
am 18. Oktober 1889 zu einer Beratung zusammen, in welcher das 
Bedürfnis der Verlegung allgemein bejaht und die Zusammenlegung 
des Bürgerhospitals, der Armenbauten, der Beschäftigungsanstalt 
und des Asyls für Obdachlose als möglich und wünschenswert er 
achtet wurde; nach den Plänen, welche das Hochbauamt in dieser 
Sitzung vorlegte, wurde auch der Platz zwischen der Tunzhofer- und 
Wolframsstraße und der Gäubahnlinie als besonders geeignet be 
zeichnet; der Platz auf der Prag aber, der bei seiner bedeutenden 
Ausdehnung und seinen günstigen Steigungsverhältnissen geeigneter 
gewesen wäre, nicht gewählt, und zwar mit Rücksicht auf seine größere 
Entfernung vom Güterbahnhof und von der Stadt, die wegen der 
Holzbeifuhr zur Beschäftigungsanstalt und der Abfuhr des zerkleinerten 
Materials zur Stadt nachteilig gewirkt haben würde. 
Das städtische Hochbauamt wurde beauftragt, gemeinschaftlich 
mit der Bürgerhospital- und Arnienhausverwaltung ein Programm 
aufzustellen, auf Grund dessen dann eine öffentliche Preisbewerbung 
zur Gewinnung von Plänen für die Bebauung des Platzes angeordnet 
werden sollte. 
Diesem Programm war vorausgeschickt, daß das Bürgerhospital 
die Bestimmung hat, zur Versorgung armer, arbeitsunfähiger, siecher 
und blödsinniger, vorherrschend älterer, gebrechlicher Personen, sowie 
zur vorübergehenden Aufnahme geisteskranker Personen beiderlei Ge 
schlechts, für welche die Stadt als Ortsarmenbehörde einzutreten hat, 
zu dienen. 
Es wurde vom städtischen Hochbauamt ein vorläufiges Projekt 
ausgearbeitet und dann in den Sitzungen der bürgerlichen Kollegien 
vom 3. und 22. Mai 1890 nicht nur das Programm gutgeheißen, 
sondern es wurden auch noch die weiteren Bestimmungen für die 
Konkurrenz beschlossen, so daß dieselbe am 22. Mai 1890 aus 
geschrieben werden konnte. 
Die Bausumme wurde im Betrag von 2307 000 Mk. in Aus 
sicht genommen und es wurden in die am 11. November 1890 ge 
nehmigten Anlehensmirtcl 2 300 000 Mk. eingestellt. 
Für Grunderwerbung sind rund 400 000 Mk. aufgewendet worden. 
Nach Erledigung der Konkurrenz wurde als Grundlage für die 
weitere Behandlung der Frage der mit dem ersten Preis bedachte 
Entwurf der Architekten Schmid & Burkhardt hier bestimmt.
	        

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.