4
I-förmigem Profil überspannt werden. Die Brücke wird, mit
Ausnahme der Nieten, aus basischem Martinflusseisen (Stahl)
hergestellt; zu ersteren wird Sch weisseisen verwendet. Die
Konstruktion ist einfach und klar, kein Eisen wird gekröpft,
sämtliches Eisenwerk ist vollständig zugänglich. Die mit den
bisherigen Lieferungen von Martinflusseisen vorgenommenen
umfassenden Versuche bei der Abnahme haben durchaus gute
Ergebnisse geliefert: Die Streckgrenze bewegt sich zwi
schen 2430 bis 3080 kg/qcm, die Bruchzugbelastung von 3710
bis 4480 kg/qcm, die Dehnung von 25 bis 37 pCt. Biege- und
Ausbreitungsproben der von der Gutehofthungshütte und Bur
bach (Dillingen) kommenden Materialien sind tadellos.
Die Entwürfe für die Architektur sind der Bedeutung
des vorliegenden Bauwerkes entsprechend: Mächtige Pylonen
mit davorsitzenden Figuren (Landwirtschaft, Industrie, Kunst
und Macht) heben die Zugänge zur Brücke bedeutsam hervor;
auf die Insel und den Wasen führen bequeme, auf Bogen
ruhende Freitreppen von der Brücke herab; sie sind mit
mächtigen Vorköpfen gegen den Eisstoss in der Form von
Schiffsschnäbeln ausgerüstet. Flussab sind zwei Unterbauten
zur Aufstellung von Standbildern in Aussicht genommen. Hier
wäre die Möglichkeit gegeben, für ein Denkmal König Karls, der
ein so lebhaftes Interesse für den Brückenbau bezeugte, einen
würdigen Standort zu gewinnen; sähe am zweiten Postament
auf dem Treppenpfeiler des Wasens das Standbild des Königs
Wilhelm I. auf das von ihm in’s Leben gerufene Volksfest,
so wäre wohl auch ein würdiger Mittelpunkt des letzteren
gewonnen. Und so würde die Brücke ganz von selbst zur
»Königsbrücke« werden. Die Flusspfeiler sind einfacher ge
halten: schlanke scharfe Vorköpfe schützen gegen Eisstoss,
eiserne Aufsätze können Beleuchtungszwecken dienen. Der
Steinbau der Brücke soll aus besten Buntsandsteinen auf
Granitsockeln hergestellt werden. Das Eisenwerk wäre leicht
zu zieren und mit rötlichem Farbanstrich zu versehen. Ein
kräftiges schmiedeisernes Geländer hätte die Gehwege zu
säumen. Die mit vorzüglicher Auffassung von Lambert und
Stahl gemalte Ansicht giebt im ganzen ein zutreffendes Bild
von der äusseren Erscheinung der Brücke.
Werden die Anschlüsse der Strassen an die Brücke auf
Cannstatter und Stuttgarter Seite in der geplanten grossartigen
Weise ausgeführt, so steht zu hoffen, dass das bis zum Volks
fest des nächsten Jahres fertige Bauwerk nicht bloss dem
Verkehr unendlich dienlich sein wird, sondern dass es auch
diejenigen erfreut, die bei der Lösung grösserer staatlicher
und kommunaler Aufgaben nicht nur Befriedigung des prak
tischen Bedürfnisses, sondern auch Rücksichtnahme auf das
Schöne erwarten.
Der Redner gedenkt noch mit herzlichen Dank- und Anerken
nungsworten aller seiner technischen und administrativen Mit
arbeiter.
Der Vorsitzende dankt dem Redner und beglückwünscht ihn
anknüpfend an die betreffenden Auseinandersetzungen im Vortrage
namens des Vereines, dass es ihm gelungen, der Technik auf dem
Gebiet des Baues steinerner Brücken einen neuen Weg zu weisen'),
und giebt der Freude darüber Ausdruck, dass es gerade ein württem-
bergischer Ingenieur ist, der diesen Erfolg zu verzeichnen habe.
Br. Oberbürgermeister Nast als Vertreter Cannstatts, fasst seinen
Dank in einem Hoch auf den erfolgreichen Verfasser des Brücken
baues Hrn. v. Leibbrand zusammen, in welches die Anwesenden
herzlich einstimmen.
') Z. 1885 8. 629; Zeitschrift für Bauwesen 1890.
Kommissionsverlag und Expedition der Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure: Julius Springer, Berlin N.
A. W. Schade’s Buchdruckerei (L. Schade) in Berlin, Stallschreiberstr. 45/46.