Full text: Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart (1893-97)

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lag so schön gerade, daß nicht die geringste Unregelmäßigkeit zn er 
kennen war. Wie die Konstruktion sich bei größerer Höhe der Pfeiler 
modifiziert, behalte ich vor, Ihnen bei anderer Gelegenheit vorzu 
führen; ich bemerke hier nur, daß Hestletvorks von Holz bis 
30 m Höhe vorhanden sind, über Schluchten an steilem Terrain mit 
Fundationen, die einen« europäischen Ingenieur Schrecken einjagen 
würden, aber man fährt gut und sicher, und nur die fast regel 
mäßig wiederkehrenden, stundenlangen Verspätungen der Züge lassen 
durchblicken, daß die Unterhaltung dieser Bauten große Aufmerksam 
keit erfordert. Daß auf der Northern Pacific und noch häufig 
anderswo die Tunnels mit wenigen Ausnahmen mit Holz aus 
gezimmert sind, erscheint einem Europäer vollends schrecklich, gibt 
aber ein Zeugnis davon ab, daß das amerikanische Holz äußerst 
dauerhaft ist, denn sonst wäre es undenkbar, daß nach 12 jährigem 
Bestehen der Bahn sogar die Flußpfeiler großer Brücken aus Holz 
hergestellt sind. Man verwendet zu jeder Art von Bauten nur ge 
sägtes, nicht behauenes Holz, das Beschlagen wäre zu teuer! 
Ueber die amerikanischen Wälder im allgemeinen will ich noch 
bemerken, daß im Norden New-Iorks .noch prächtige Wälder vor 
handen sind; voller geschlossener Hochwald, der Unterschied gegenüber 
Europa ist nur der, daß die Waldnutzung in der Art geschieht, 
daß die erforderlichen Stämme herausgehauen werden, die Zweige 
aber znm Verfaulen im Walde liegen bleiben. Anders sieht die 
Sache schon bei Ehciago und noch weiter gegen Westen aus; längs 
der Bahn erblick« man häufig massenhaft durch Feuer zerstörte oder 
durch den Wind geknickte Baumstümpfe, an deren Entfernnng niemand 
denkt, nachts erleuchten immer da und dort Waldbrände den Weg. 
Zwischen den zerstörten Bäumen dringen die jungen Pflanzen auf, 
aber von einem wirklichen Wald ist kaun« mehr zu reden. 
Erst im Staat Washington und in Californien erscheinen wieder 
herrliche Wälder mit Riesenbäumen; in Californien ist die Ver 
schiedenheit der Bäume gegenüber Europa noch größer als im Osten; 
als einzige Bekannte fand ich die Wellingtons (Big tree) und den 
Eucalyptus, der aber in Kalifornien auch nicht ursprünglich vor 
handen war, aber in vielen Städten als Straßmbaum gepflanzt ist 
und eine Stärke von 40 cm und mehr erreicht hat. Ganz in 
teressant ist es auch, in einzelnen Städten die ^ueca-Palme als 
Straßenbaum zu sehen. 
In Amerika wohnen nun bekanntlich ailch Menschen und zwar 
ziemlich viele. In den großen Städten ivird es dem Europäer ganz 
ängstlich zu Mute, wenn man sich auf den Tro-toirs durch diese 
Menschenmasse durchwinden muß. Mau ist anfangs sehr besorgt, 
schon in den ersten fünf Minuten ausgeraubt zu werden, aber bald 
sieht man, daß die Amerikaner gerade so ungeniert sich auf der 
Straße bewegen wie hier, und man läßt bald die Häifie aus der 
Hosentasche. Namentlich die Damen bewegen sich sehr gemütlich, 
kein Drängen beim Uebergang über die Straßen; wenn mar. einer 
Dame folgt, ist man sicher, beim Uebergang über die mit Ftftr- 
lverken vollgestopfte Straße nicht überfahren zu werden. An, meiste 
überrascht hat mich die große Ruhe des Volkes: kein Stoßen, kci» 
Schimpfwort, kein wüstes Geschrei, keine Polizei beim größten Ge 
dränge. Einen gewissen Grad von Bildung hat der geringste Ar 
beiter, die großen Standesunterschiede sind nicht vorhanden, der Um 
stand, daß die Schulbildung eine gleichmäßigere ist, daß bei Resen 
Hoch und Nieder denselben Wagen benützt, mag viel hierzu bei 
tragen. 
Sehr aufgefallen sind mir im Osten die häufig bleichen Ce« 
sichter, die Magerkeit, der kleine Typus namentlich der Damen, ds 
viele Eisessen und das Klima überhaupt, mag daran schuld sei; 
die vielfach geschmacklose Kleidung läßt die Damenwelt nicht ?- 
sonders anziehend erscheinen. 
(Schluß folgt.) 
Auszüge aus technischen Zeitschriften. 
(Der Zeitschrift des Hannoverschen Vereins entnommen.) 
Saale-Brücke zu Bernburg. Wegen Baufälligkeit der alten 
hölzernen Straßenbrücke (Hängewerk von 31,ss m Lichtweite) ist im 
Jahre 1891 eine eiserne Brücke mit 45,s rn Stützweite hergestellt. 
Die beiden Hauptträger (sog. Parabelträger) haben 14 Felder von 
je 3,rr m Weite und in der Mitte zwischen den Gurtschwerlinien 
eine Höhe von 5,8 m. Die kleinste zulässige Lichthöhe über Straßen 
oberkante war für den Wagenverkehr mit 4,5» m gegeben, so daß 
die oberen Gurtungen in den mittleren 5 Feldern gegeneinander 
kräftig versteift werden konnten. Lichter Abstand der Hauptträger 
6,«» m, Breite der dazwischen liegenden Fahrbahn 6,» m; Nutzbreite 
der an beiden Seiten ausgekragten Fußwege je 2,-s m. — Die 
Fahrbahn besteht aus 15 cm hohem Granitpflaster, 3 cm starker 
Kiesschicht und 10 cm im Mittel starken Asphalt-Beton auf Hänge 
blechen. Das Gewicht dieser Fahrbahndecke beträgt 720 kg für 1 qm. 
Der Beton bestand aus Kies von 2 bis 5 cm Korngröße, Asphalt 
und Kreosotöl. Die von ihm berührten Eisenflächen wurden vorher 
mit einem Goudron-Anstrich versehen. Der Beton hat sich nach 
Wasserdichtigkeit und Festigkeit bisher bewährt. Die gußstählernen 
Auflager sind als Kipplager hergestellt. Die beiden beweglichen 
Lager ruhen auf je 6 Stahlwalzen von 70 cm Länge und 7 cm 
Durchmesser. — Die Berechnung erfolgte unter Annahme einer be 
weglichen Last von 400 kg auf 1 qm und eines Wagens von 5 1 
Raddruck bei l,s m Spurweite, 3,s m Radstand und 3x6 m Ladungs 
fläche in der jeweilig ungünstigsten Stellung. Die Beanspruchung 
des gewählten Schweißeisens beträgt alsdann 1000 kg für 1 qcm 
in den Gurtungen und 800 kg in den Wandgliedern der Haupt- 
träger, endlich 650 kg in den Fahrbahn- und Fußwegteilen. 
Die Aufstellung des eisernen Ueberbaues (im Ganzen >55 l Schweiß 
eisen und 2,7» t Gußeisen und Stahl) erfolgte in der kurzen Zeit 
vom 27. Juni bis zum 15. August, und kostete einschl. Eisenlieferung 
rund 65 000 Ji. — Mit guten Zeichn. 
(Z. d. Ber. deutsch. Ing. 1893, S. 1—5.) 
Pirr der National-Cisenbahn von Tehuantrpec zu Salina 
Crux. Länge des zweigleisigen Piers 274 m, Breite 9,u m. An 
dem äußersten Ende ist auf 68 m Länge eine größere Breite von 
18,s m angeordnet, die int mittleren Teile überdacht ist. Wassertiefe 
am Kopfende bei Hochwasser 13 m. Die Oberfläche des Piers liegt 
noch 4 m über diesem Wasserstande. Der eiserne Überbau ruht auf 
gußeisernen Schraubenpfählen von 38 cm und 46 cm Durchmesser, 
deren Schrauben 91 und 122 cm Durchmesser haben. Die aus einzelnen 
Zylindern zusammengeschraubten Pfähle sind in verschiedenen Höhen 
durch kräftige wagerechte Steifen und gekreuzte Rundeisenstangen 
verbunden. Als Decke dient ein 7,« cm starker Bohlenbelag. — 
Mit Zeichn. (Engineering 1893, I, S. 315.) 
Papaghni-Brückr im Zuge der Madras-Eisenbahn (Indien.) 
15 Oeffnungen von je 40 m Lichtweite. Die aus Schweißeisen 
mittels Nietverbindung hergestellten Hauptträger sind 42 m lang, 
4,8 m hoch und liegen 5,« m von einander entfernt. Der eiserne 
Ueberbau einer Oeffnung wiegt ausschl. der Schienen 150 1. Die 
letzteren ruhen mittels hölzerner Langschwellen auf Schienenträgern, 
die in Abständen von je 2,4 m von Querträgern getragen werden. 
Bei der Probebelastung zeigten die Hauptträger Durchbiegungen von 
1,3 bis 1,5 cm. (Engin. news 1893, I, S. 33.) 
Die Bogenbrücke über den Nord-Ostsee-Kanal bei Krünthal 
(Zeitschrift des Hannoverschen Vereins 1893, S. 72) steht ihrer Spannweite 
nach (165,s m) unter den Bogenbrücken Europas an vierter Stelle 
und unter den Bogenbrücken der ganzen Welt an fünfter Stelle. 
Die Bogenbrücke Lutz I. über den Douro bei Porto ist von allen 
die weiteste und mißt 172 m. (Zentralbl. d. Vanverw. 1893, S. 160.) 
Dee-Brücke zn Hawarden (England). Die zweigleisige Brücke 
besteht aus zwei festen, je 36,s m weiten Brücken mit Halbparabel 
trägern und einer 87,» m langen Drehbrücke. Die letztere bietet 
manches Ungewöhnliche und ist eingehend beschrieben. Ihre Pfeiler 
bestehen aus kreisförmigen in Backsteinen gemauerten Brunnen mit 
Betonfüllung auf hohem eisernen Schlinge. Der 21 m hohe Dreh-
	        

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