Full text: Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart (1893-97)

Jahrgang 1894. 
T3W 
Inhalt: Bereinsthätigkeik. — Protokolle der siebenten, achten nnd neunten ordenllichen Versammlungen am 0. und 27. Oktober und 17. November. — 
Herbstfeier am 20. Oktober. — Abgeordnetenversammlung zu Straßburg. — Wanderversammlung der Architekten- nnd Ingenieur-Vereine zu 
Straßburg. — Verschiedenes. — Auszüge aas technischen Zeitschrif:e». 
Vereins Thätigkeil. 
Am 17. November neunte ordentliche Versammlung (Vereinsangelegenheiten und Vortrag des Herrn Prof. Laißle aber Brückenbauten 
in Amerika). 
Am 1. Dezember gesellige Vereinigung (Mitteilungen des Herrn Abt.-Ingenieur Mühlberger über seine Reise nach Kairo). 
Siebente ordentliche Versammlung am (>. Oktober 1894. 
Vorsitzender: Fuchs. Schriftführer: Hofacker. 
Anwesend 33 Mitglieder. 
Der Vorsitzende begrüßt die zahlreich erschienenen Mitglieder an 
dem ersten nach längerer Pause wieder stattfindenden Vereinsabend 
und gedenkt der Veränderungen im Mitgliederstand, speziell der da 
hingeschiedenen Mitglieder des Vereins, Baudirektor v. Landauer 
und Fabrikant Ro b. Stotz, zu deren ehrendem Andenken sich die 
Versammelten von den Sitzen erheben. 
Zur Verlesung kommt ein Aufnahmegesuch von Herrn Architekt 
Theophil Frey, Gemeinderat hier, sowie ein Dankschreiben von 
Herrn Bauinspektor Landauer und Landrichter Landauer für die 
am Grabe ihres Vaters gesprochenen Worte. 
Stadtbaurat Mayer erstattet Bericht über die Abgeordneten 
versammlung in Straßburg (über welche besondere Mitteilungen folgen). 
Hierauf spricht Baurat B e g e r über die Architekturerscheinungen 
in Straßburg. Beginnend mit dem alten Wahrzeichen der Stadt, 
dem stolzen Münster, geht der Redner über zu den Profanbauten 
aus der gothischen Zeit, erwähnt das Frauenhaus am Münsterplatz, 
die alte Dombauhütte, deren westlicher Flügel später im Renaissance 
stil niit der bekannten Wendeltreppe und dem schiefen Portal von 
Meister Thomas Ulbergcr aufgebaut wurde. Von den Werken 
der gothischen Architektur geht der Redner über zu den Renaissance 
bauten, welche in einer großen Anzahl hübscher Holzarchitekturen 
vertreten sind, deren besten eine das von dem verstorbenen Dombau 
meister Schmitz restaurierte Kammerzellsche Haus am Münsterplatz 
ist. Die Blütezeit der Renaissance in Straßburg knüpft sich an den 
Namen Johannes Schoch, den Schöpfer des Friedrichsbaus in 
Heidelberg; ihm verdankt die Stadt den schönsten Monumentalbau 
der Renaissance, das Hotel du Commerce. Der 30jährige Krieg 
legte auch in Straßburg die Baulhätigkeit lahm, die erst mit der 
französischen Herrschaft und mit der Verlegung des Bischofsitzes nach 
Straßburg wieder in Blüte kam. Aus dieser Zeit sind zu erwähnen: 
das jetzige Stadthaus, sowie das Statthalterpalais, aus der Re 
volutionszeit das im Stil Louis XVI. erbaute Orangeriegebäude, 
das Theater am Broglieplatz. 
Seit seiner Wiedervereinigung mit Deutschland Haupt- und 
Residenzstadt von Elsaß-Lothringen, hat Straßburg in den letzten 
Jahrzehnten einen bedeutenden Aufschwung genommen, wozu die 
Hinausschiebung der Festungswerke sehr wesentlich beigetragen hat. 
Von den aus Reichsmitteln erstellten Bauten sind zu nennen 
der K'aiserpalast, das Landesausschußgebäude, die Bibliothek und die 
Universitätsbauten. An diese Ausführungen knüpft der Redner noch 
folgende Schlnßbetrachtungen: 
Rechnen wir dies alles zusammen und dazu weiter die groß 
artige Bahnhofanlage, die vielen Neubauten für die Landes- und 
Bezirksbehörden, die Schulhansbanten, die neuen Kirchen, die Ge 
schäfts- und Vereinshäuser, so müssen wir uns sagen, daß in dem 
neuen Straßburg eine Summe frischen Lebens voll baulicher Ge 
danken nnd auf der Höhe der Wissenschaft stehender technischer Aus 
führungen hervorgegangen ist, welche für ein überaus kräftig pul 
sierendes Leben und für ein frohes, selbstbewußtes Schaffen beredtes 
Zeugnis ablegt. 
Meine Herren! Das moderne Straßburg fin de si£cle und 
nicht minder die in der Altstadt uns überkommenen Beispiele der 
verflossenen Stile, sie bieten dem Techniker ein sehr reiches und
	        

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