24
Die Briicken-BollkurrenM in Budapest, Turin und Bonn.
Vortrag von Ober-Ingenieur Kübler, gehalten am 18. April 1895.
Meine Herren, ich habe die Ehre, Ihnen heute kurzen Bericht
zu erstatten über meine Beteiligung an einigen interessanten Wett
bewerben, die zur Erlangung von Brückenentwürfen im Vorjahr und
in diesem Jahr stattgefunden haben, nämlich
I) für 2 Straßenbrücken über die Donau in Budapest,
II) „ 1 Straßenbrücke über den Po in Turin,
III) „1 „ „ „ Rhein in Bonn,
Gestatten Sie mir, zur richtigen Beurteilung des Weiteren vor
allem die wichtigsten Punkte der mustergiltigen Bewerbsbedingungen
für die in Rede stehenden Donaubrücken kurz zu wiederholen. Die
Hauptsätze lauten:
„Die Brücken sollen nicht nur in konstruktiver und technischer
Beziehung richtig, sondern auch den ästhetischen Anforderungen ent
sprechend entworfen werden: insbesondere ist zu berücksichtigen, daß
beide Brücken, in erster Reihe aber die Esküterbrücke (beim Schwur
platz), nicht nur dazu berufen sind, als Verkehrsmittel zu dienen,
sondern auch unter den bedeutendsten Bauten der Haupt- und König!.
Residenzstadt von Ungarn eine würdige Stelle einzunehmen. Die
ästhetische Wirkung ist besonders in der gefälligen Form und in den
ästhetisch befriedigenden Verhältnissen zu suchen. Bei der Esküter
brücke ist insbesondere der-Umstand im Auge zu halten, daß diese
hauptsächlich dem Personenverkehr dienende Brücke im Mittelpunkt
der Stadt und in der Nähe der noch heute zu den schönsten der
artigen Bauwerken zählenden Kettenbrücke erbaut wird; demzufolge
diese Brücke so zu entwerfen ist, daß sie in Bezug auf Schönheit
der Verhältnisse und entsprechende Ausstattung mit der Kettenbrücke
konkurrieren kann. Es wird ferner gefordert, daß diese Brücke den
freien Ausblick möglichst wenig beeinträchtige und den Eindruck einer
leichten Konstruktion mache. Die andere, die Fövamterbrücke (am
Zollplatz), welche in bereits größerer Entfernung von der Kettenbrücke
erbaut wird und hauptsächlich dazu dienen soll, den Lastenverkehr
zwischen den beiden Donauufern zu vermitteln, kann wohl mit ein
facherer Ausstattung und kräftigeren, aber jedenfalls gefälligen Formen
entworfen werden.
„Der lebhafte Schiffsverkehr auf der Budapester Donaustrccke
erfordert, daß er während des Brückenbaues möglichst wenig durch
Baugerüste beeinträchtigt werde; dieser Umstand ist daher bei der Ver
fassung des Entwurfes im Auge zu halten. Es wäre erwünscht, die
Montierung der Brückenkonstruktionen womöglich ohne in das Strom
bett eingebaute Gerüste bewerkstelligen zu können.
„In dem Bestreben, die Brücken allen technischen und ästhetischen
Anforderungen gemäß zu entwerfen, darf aber der Verfasser des Ent
wurfes die ebenfalls geforderte Sparsamkeit nicht außer Achr lassen
und soll dahin trachten, daß die Gesamtkosten beider Brücken den
Betrag von 10 Millionen Kronen (rund 8 1 /a Millionen Mark) wo
möglich nicht überschreiten.
„Bezüglich der Größe und Einteilung der Brückenöffnungen wird
besonderer Wert darauf gelegt, daß die Esküterbrücke womöglich mit
einer einzigen Oeffnung von 312,8 m geplant werde. Wenn es nicht
gelingen sollte, bei Anwendung einer einzigen Oeffnung außer den
technischen auch den ästhetischen Anforderungen Genüge zu leisten, oder
wenn die Baukosten einer solchen Brücke den Betrag von 5 Millionen
Kronen beträchtlich überschreiten würden, so ist in erster Reihe die
Fövamterbrücke und erst in zweiter Reihe die Esküterbrücke — bei
Ausschluß von 2 Oeffnungen — mit 3 Öffnungen zu entwerfen,
und zwar so, daß die Mittelöffnung bei der Esküterbrücke mindestens
170 m und höchstens 175 m und bei der Fövamterbrücke mindestens
175 m und höchstens 180 m betrage. An den beiden Enden der
Esküterbrücke ist als deren Verlängerung je eine 20 m weite Kai
öffnung zu entwerfen, statt welcher die Kaiufer aber auch durch eine
entsprechende Verlängerung der Hauptbrücke übersetzt werden können.
„Bei der Bestimmung der Breite von etwaigen Strompfeilern
ist außer der Beschaffenheit und Tragfähigkeit des Baugrundes auch
noch der Umstand zu beachten, daß das Donaubett auf derjenigen
Strecke, in welcher die beiden Brücken, und hauptsächlich die Esküter
brücke, gebaut werden sollen, durch die beiderseitigen Kaiufer beträcht
lich eingeengt wird, demzufolge bei diesen Pfeilern jede überflüssige
Breite zu vermeiden ist.
„Was die Höhenlage der Brückenbahn betrifft, so soll der Längs
schnitt der Brückenbahn in der 100 m langen Mittelstrecke einen
Kreisbogen bilden, an welchen sich rechts und links gegen die Wider
lager zu abfallende gerade Strecken von höchstens 25°/oo Gefälle
tangential anschließen.
„Die Breite und Anordnung der Brückenbahn ist so zu wählen,
daß bei der Esküterbrücke 10 m auf die Fahrstraße und je 3 m
auf die zu beiden Seiten der Fahrstraße liegenden Gehwege kommen;
bei der Fövamterbrücke dagegen sollen die Fahrbahn 11,5 m und
die Gehwege je 2,9 m breit werden. Für die Leitung einer eventuell
über die Brücken zu führenden elektrischen Straßenbahn ist unter
jedem der beiden Gleise ein 0,45 m tiefer Leitungskanal vorzusehen.
Mehrkosten, die durch Anordnung dieser Kanäle sich für die Fahr
bahnkonstruktion ergeben sollten, sind im Kostenanschlag besonders
auszuweisen. Die Fahrbahnkonstruktion ist so anzuordnen, daß später
Telegraphenkabel, sowie Wasser- und Gasleitungsröhren gelegt werden
können.
„Die der statischen Berechnung zu Grunde zu legenden Belastungen
sind, außer einer gleichmäßig verteilten größten Verkehrslast von
450 kg/qm der Brückenbahn, je 2 neben einander gestellte vierrädrige
Lastwagen von je 4 t Raddruck bei 3 m Achsstand, 1,5 m Spur
weite und 2,5 m Ladebreite für die Esküterbrücke, und von je 6 t
Raddruck bei 4 m Achsstand, 1,6 m Spurweite und 2,5 m Ladebreite
für die dem Lastenverkehr bestimmte Fövamterbrücke.
„Als größter Winddruck ist 250 kg pro qm Ansichtfläche der
unbelasteten Brücke in Rechnung zu stellen.
„Die höchstens zulässigen Anstrengungen pro qmm der nutz
baren Querschnittfläche sind:
für a) b)
Schweißeisen Flußeisen
bei den Hauptträgern 9 kg 10 kg
„ „ Brückenbahnträgern .... 7 „ 7,5 „
„ „ Windstreben 9 „ 10 „
für Niete, in einer Richtung beansprucht 7 „ 7,5 „
„ „ „ zwei Richtungen „ 6 „ 6.5 „
und Stauchdruck, d. i. Druck des Nietschaftes auf die Lochwand,
16 kg; für Gußeisen (nur für Lager zulässig) 8 kg Druck und
2,5 kg Zug. Auf Druck beanspruchte Stäbe sind mit Rücksicht auf
Knickfestigkeit zu berechnen."
Das Wichtigste war nun zunächst, die richtige Wahl der Kon
struktion zu treffen. Aber für diese Wahl waren thatsächlich schon
sehr enge Grenzen gesteckt; denn wenn man die augenblicklich ziem
lich teueren Verhältnisse in Budapest vergleicht mit den verhältnis
mäßig geringen Mitteln, die für die beiden Brücken zur Verfügung
gestellt waren, wenn man ferner die tiefe Lage der Brückenbahn und
die damit gegebene geringe Konstruktionshöhe von nur rund 1'/» m
ins Auge faßt und noch auf die weitere Bedingung achtet, nach
welcher für den sehr lebhaften Schiffsverkehr die Donau möglichst
von einengenden Montierungsgerüsten frei gehalten werden muß, so
konnte es sich für die Fövamterbrücke nur um eine Auslegerbrücke
mit 3 Oeffnungen handeln, und für die Esküterbrücke, für die mit
Recht der Wunsch nach einer einzigen Oeffnung so stark betont war,
blieb nur die Wahl einer Hängebrücke übrig. Unter letzteren wiederum
konnte, schon allein mit Rücksicht auf den Kostenpunkt, als weitaus
am vorteilhaftesten nur die Kabelbrücke ernstlich in Betracht komme».
Wenn auch selbst noch mit der Kabelbrücke die vorgesehene Bausumme
überschritten wird, so kam noch ein weiterer Umstand zu den bereits
erwähnten für mich als ausschlaggebend für die Wahl einer ein
teiligen Brücke hinzu. Ein Blick auf den Lageplan zeigt, daß das
Donaubett gerade beim Esküter (Schwurplatz) so auffallend stark
eingeengt ist und noch dazu eine so starke Krümmung an dieser Stelle
hat, daß durch eine noch weitere Einengung durch 2 Strompfeilcr
bei Hochwasser gefährliche Stauungen und vollends bei großem Eis
gang unheilbringende Katastrophen für die Stadt unausbleiblich sein