Full text: Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart (1893-97)

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Die Briicken-BollkurrenM in Budapest, Turin und Bonn. 
Vortrag von Ober-Ingenieur Kübler, gehalten am 18. April 1895. 
Meine Herren, ich habe die Ehre, Ihnen heute kurzen Bericht 
zu erstatten über meine Beteiligung an einigen interessanten Wett 
bewerben, die zur Erlangung von Brückenentwürfen im Vorjahr und 
in diesem Jahr stattgefunden haben, nämlich 
I) für 2 Straßenbrücken über die Donau in Budapest, 
II) „ 1 Straßenbrücke über den Po in Turin, 
III) „1 „ „ „ Rhein in Bonn, 
Gestatten Sie mir, zur richtigen Beurteilung des Weiteren vor 
allem die wichtigsten Punkte der mustergiltigen Bewerbsbedingungen 
für die in Rede stehenden Donaubrücken kurz zu wiederholen. Die 
Hauptsätze lauten: 
„Die Brücken sollen nicht nur in konstruktiver und technischer 
Beziehung richtig, sondern auch den ästhetischen Anforderungen ent 
sprechend entworfen werden: insbesondere ist zu berücksichtigen, daß 
beide Brücken, in erster Reihe aber die Esküterbrücke (beim Schwur 
platz), nicht nur dazu berufen sind, als Verkehrsmittel zu dienen, 
sondern auch unter den bedeutendsten Bauten der Haupt- und König!. 
Residenzstadt von Ungarn eine würdige Stelle einzunehmen. Die 
ästhetische Wirkung ist besonders in der gefälligen Form und in den 
ästhetisch befriedigenden Verhältnissen zu suchen. Bei der Esküter 
brücke ist insbesondere der-Umstand im Auge zu halten, daß diese 
hauptsächlich dem Personenverkehr dienende Brücke im Mittelpunkt 
der Stadt und in der Nähe der noch heute zu den schönsten der 
artigen Bauwerken zählenden Kettenbrücke erbaut wird; demzufolge 
diese Brücke so zu entwerfen ist, daß sie in Bezug auf Schönheit 
der Verhältnisse und entsprechende Ausstattung mit der Kettenbrücke 
konkurrieren kann. Es wird ferner gefordert, daß diese Brücke den 
freien Ausblick möglichst wenig beeinträchtige und den Eindruck einer 
leichten Konstruktion mache. Die andere, die Fövamterbrücke (am 
Zollplatz), welche in bereits größerer Entfernung von der Kettenbrücke 
erbaut wird und hauptsächlich dazu dienen soll, den Lastenverkehr 
zwischen den beiden Donauufern zu vermitteln, kann wohl mit ein 
facherer Ausstattung und kräftigeren, aber jedenfalls gefälligen Formen 
entworfen werden. 
„Der lebhafte Schiffsverkehr auf der Budapester Donaustrccke 
erfordert, daß er während des Brückenbaues möglichst wenig durch 
Baugerüste beeinträchtigt werde; dieser Umstand ist daher bei der Ver 
fassung des Entwurfes im Auge zu halten. Es wäre erwünscht, die 
Montierung der Brückenkonstruktionen womöglich ohne in das Strom 
bett eingebaute Gerüste bewerkstelligen zu können. 
„In dem Bestreben, die Brücken allen technischen und ästhetischen 
Anforderungen gemäß zu entwerfen, darf aber der Verfasser des Ent 
wurfes die ebenfalls geforderte Sparsamkeit nicht außer Achr lassen 
und soll dahin trachten, daß die Gesamtkosten beider Brücken den 
Betrag von 10 Millionen Kronen (rund 8 1 /a Millionen Mark) wo 
möglich nicht überschreiten. 
„Bezüglich der Größe und Einteilung der Brückenöffnungen wird 
besonderer Wert darauf gelegt, daß die Esküterbrücke womöglich mit 
einer einzigen Oeffnung von 312,8 m geplant werde. Wenn es nicht 
gelingen sollte, bei Anwendung einer einzigen Oeffnung außer den 
technischen auch den ästhetischen Anforderungen Genüge zu leisten, oder 
wenn die Baukosten einer solchen Brücke den Betrag von 5 Millionen 
Kronen beträchtlich überschreiten würden, so ist in erster Reihe die 
Fövamterbrücke und erst in zweiter Reihe die Esküterbrücke — bei 
Ausschluß von 2 Oeffnungen — mit 3 Öffnungen zu entwerfen, 
und zwar so, daß die Mittelöffnung bei der Esküterbrücke mindestens 
170 m und höchstens 175 m und bei der Fövamterbrücke mindestens 
175 m und höchstens 180 m betrage. An den beiden Enden der 
Esküterbrücke ist als deren Verlängerung je eine 20 m weite Kai 
öffnung zu entwerfen, statt welcher die Kaiufer aber auch durch eine 
entsprechende Verlängerung der Hauptbrücke übersetzt werden können. 
„Bei der Bestimmung der Breite von etwaigen Strompfeilern 
ist außer der Beschaffenheit und Tragfähigkeit des Baugrundes auch 
noch der Umstand zu beachten, daß das Donaubett auf derjenigen 
Strecke, in welcher die beiden Brücken, und hauptsächlich die Esküter 
brücke, gebaut werden sollen, durch die beiderseitigen Kaiufer beträcht 
lich eingeengt wird, demzufolge bei diesen Pfeilern jede überflüssige 
Breite zu vermeiden ist. 
„Was die Höhenlage der Brückenbahn betrifft, so soll der Längs 
schnitt der Brückenbahn in der 100 m langen Mittelstrecke einen 
Kreisbogen bilden, an welchen sich rechts und links gegen die Wider 
lager zu abfallende gerade Strecken von höchstens 25°/oo Gefälle 
tangential anschließen. 
„Die Breite und Anordnung der Brückenbahn ist so zu wählen, 
daß bei der Esküterbrücke 10 m auf die Fahrstraße und je 3 m 
auf die zu beiden Seiten der Fahrstraße liegenden Gehwege kommen; 
bei der Fövamterbrücke dagegen sollen die Fahrbahn 11,5 m und 
die Gehwege je 2,9 m breit werden. Für die Leitung einer eventuell 
über die Brücken zu führenden elektrischen Straßenbahn ist unter 
jedem der beiden Gleise ein 0,45 m tiefer Leitungskanal vorzusehen. 
Mehrkosten, die durch Anordnung dieser Kanäle sich für die Fahr 
bahnkonstruktion ergeben sollten, sind im Kostenanschlag besonders 
auszuweisen. Die Fahrbahnkonstruktion ist so anzuordnen, daß später 
Telegraphenkabel, sowie Wasser- und Gasleitungsröhren gelegt werden 
können. 
„Die der statischen Berechnung zu Grunde zu legenden Belastungen 
sind, außer einer gleichmäßig verteilten größten Verkehrslast von 
450 kg/qm der Brückenbahn, je 2 neben einander gestellte vierrädrige 
Lastwagen von je 4 t Raddruck bei 3 m Achsstand, 1,5 m Spur 
weite und 2,5 m Ladebreite für die Esküterbrücke, und von je 6 t 
Raddruck bei 4 m Achsstand, 1,6 m Spurweite und 2,5 m Ladebreite 
für die dem Lastenverkehr bestimmte Fövamterbrücke. 
„Als größter Winddruck ist 250 kg pro qm Ansichtfläche der 
unbelasteten Brücke in Rechnung zu stellen. 
„Die höchstens zulässigen Anstrengungen pro qmm der nutz 
baren Querschnittfläche sind: 
für a) b) 
Schweißeisen Flußeisen 
bei den Hauptträgern 9 kg 10 kg 
„ „ Brückenbahnträgern .... 7 „ 7,5 „ 
„ „ Windstreben 9 „ 10 „ 
für Niete, in einer Richtung beansprucht 7 „ 7,5 „ 
„ „ „ zwei Richtungen „ 6 „ 6.5 „ 
und Stauchdruck, d. i. Druck des Nietschaftes auf die Lochwand, 
16 kg; für Gußeisen (nur für Lager zulässig) 8 kg Druck und 
2,5 kg Zug. Auf Druck beanspruchte Stäbe sind mit Rücksicht auf 
Knickfestigkeit zu berechnen." 
Das Wichtigste war nun zunächst, die richtige Wahl der Kon 
struktion zu treffen. Aber für diese Wahl waren thatsächlich schon 
sehr enge Grenzen gesteckt; denn wenn man die augenblicklich ziem 
lich teueren Verhältnisse in Budapest vergleicht mit den verhältnis 
mäßig geringen Mitteln, die für die beiden Brücken zur Verfügung 
gestellt waren, wenn man ferner die tiefe Lage der Brückenbahn und 
die damit gegebene geringe Konstruktionshöhe von nur rund 1'/» m 
ins Auge faßt und noch auf die weitere Bedingung achtet, nach 
welcher für den sehr lebhaften Schiffsverkehr die Donau möglichst 
von einengenden Montierungsgerüsten frei gehalten werden muß, so 
konnte es sich für die Fövamterbrücke nur um eine Auslegerbrücke 
mit 3 Oeffnungen handeln, und für die Esküterbrücke, für die mit 
Recht der Wunsch nach einer einzigen Oeffnung so stark betont war, 
blieb nur die Wahl einer Hängebrücke übrig. Unter letzteren wiederum 
konnte, schon allein mit Rücksicht auf den Kostenpunkt, als weitaus 
am vorteilhaftesten nur die Kabelbrücke ernstlich in Betracht komme». 
Wenn auch selbst noch mit der Kabelbrücke die vorgesehene Bausumme 
überschritten wird, so kam noch ein weiterer Umstand zu den bereits 
erwähnten für mich als ausschlaggebend für die Wahl einer ein 
teiligen Brücke hinzu. Ein Blick auf den Lageplan zeigt, daß das 
Donaubett gerade beim Esküter (Schwurplatz) so auffallend stark 
eingeengt ist und noch dazu eine so starke Krümmung an dieser Stelle 
hat, daß durch eine noch weitere Einengung durch 2 Strompfeilcr 
bei Hochwasser gefährliche Stauungen und vollends bei großem Eis 
gang unheilbringende Katastrophen für die Stadt unausbleiblich sein
	        

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