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In Betreff der Frage, betreffend die Gefahren des Bauschwindels
wird geltend gemacht, daß dieselbe vorwiegend juristischer Natur sei,
und da die Reichs- und Staatsbehörden den Gegenstand in Beratung
gezogen haben, wird beschlossen, diese Frage vorläufig von der Tages
ordnung abzusetzen.
Über die Frage, betreffend die Ausbildung der Studierenden
des Baufaches, entspinnt sich eine lebhafte Diskussion; es wird be
schlossen, das von den Einzelvereinen eingegangene Material, welches
vollständig in den Verbandsmitteilungen abgedruckt werden wird, den
Einzelvereinen nochmals zur Beratung zu überweisen, worauf ein
Ausschuß, bestehend aus den bisherigen Berichterstattern (den Herren
Barkhausen und Lauter) und den Herren Kaemp, Wetz und v. Leib
brand, die Ergebnisse zur weiteren Beschlußfassung zusammenstellen wird.
Als Grundsatz für die weitere Behandlung ist beschlossen:
1) es ist in Beratung zu ziehen die praktische Ausbildung der
Studierenden des Baufaches vor, während und nach dem
Hochstudium;
2) diese Beratung ist gesondert durchzuführen bezüglich der Archi
tekten, Bauingenieure und Maschineningenieure.
Eine lebhafte Besprechung findet auch statt hinsichtlich der Frage
über die Einführung einer für ganz Deutschland giltigen Bezeichnung
der akademisch gebildeten Techniker. Beschlossen ist, daß diese ein
heitliche Bezeickmung der für den Staatsdienst geprüften Techniker
sehr zu empfehlen ist, und daß die weitere Behandlung dieser Frage
dem Benehmen der Einzelvereine mit ihren Staatsregierungen zu
überlassen ist, wobei vorausgesetzt wird, daß die Abgangsprüfung
auf allen Hochschulen gleichartig gestaltet wird. Ein staatlicher Schutz
wird für die fragliche Bezeichnung notwendig erklärt und der Wunsch
ausgedrückt, daß den technischen Hochschulen unter ähnlichen Be
dingungen wie den Universitäten das Recht zugestanden wird, den
Doktortitel zu verleihen.
Hinsichtlich der Stellung der städtischen höheren Baubeamten
wird beschlossen, daß aus sachlichen und persönlichen Gründen den
obersten Baubcamten größerer Städte die vollberechtigte Mitglied
schaft der städtischen Verwaltung zustehe, wie dieses in mehreren
Teilen Deutschlands, besonders in den östlichen Provinzen Preußens,
thatsächlich bereits mit bestem Erfolg der Fall ist.
Ein Ausschuß wird gewühlt mit der Aufgabe, über die Dienst
verhältnisse der höheren städtischen Baubeaniten und über die er
forderlichen Verbesserungen derselben auf Grund der Vereinsberichte
eine Denkschrift auszuarbeiten. Dieser Ausschuß besteht aus den
Stadtbauräten Weber (Nürnberg), Kölle (Stuttgart), Heuser (Aachen),
Meyer (Bromberg), Pfeiffhorn (Düsseldorf) und den Stadtbauinspektoren
Jansen (Magdeburg) und Zekeli (Berlin).
Bericht des Gewölbe-Ausschusses.
Von dem Oesterreichischen Ingenieur- und Architekten-Verein ist
unserem Verein die unter vorstehendem Titel zusanimengestellte, sehr
reichhaltige Denkschrift (ein Sondcrabdruck aus der Zeitschrift jenes
Vereins, 1895, Nr. 20— 34) zugesandt worden. Dieselbe enthält
sehr eingehende Berichte über Versuche, welche auf Grund eines im
März 1890 gefaßten Beschlusses jenes Vereins durch einen aus
21 Mitgliedern bestehenden Ausschuß angestellt worden sind.
Diese Versuche konnten in einem bisher noch nicht erreichten
Umfange angestellt werden, weil das Unternehmen des Oesterreichischen
Vereins nicht nur von baugewerblichen Firmen, sondern auch von
verschiedenen Behörden, von Eisenbahnverwaltungen, von industriellen
Gesellschaften, von einzelnen Sachverständigen u. s. w. (in einem
Gesamiwerte, welcher zu mehr als 40 000 fl. anzuschlagen ist) durch
Geldbeiträge, unentgeltliche Lieferungen u. s. w. unterstützt wurde.
Von den Versuchen bezogen sich 17 auf die gebräuchlichsten
Deckenkonstruktionen mit Gewölben kleinerer Spannweiten, 2 auf
Unterbaugewölbe mit 10 m Spannweite und endlich 5 auf größere
Objekte mit 23 m Spannweite und zwar bestanden die letzteren aus
einem Gewölbe von Bruchsteinmauerwerk,
„ „ „ Ziegelmauerwerk,
„ „ „ Stampfbeton,
„ „ nach dem System Monier,
und einer eisernen Bogenbrücke.
Bei den Versuchen wurden die Formveränderungen der Gewölbe bei
verschiedenen Belastungen beobachtet unter Berücksichtigung der vorher
genau ermittelten Festigkeits- und Elastizitäts-Verhältnisse der an
gewendeten Baumaterialien.
Die Versuchs-Ergebnisse sind in der Denkschrift zur Berechnung
der verschiedenen Gewölbe verwendet und es sind daran Schlußfolger
ungen geknüpft und Vorschläge für die Ausführung größerer Ge
wölbe aufgestellt.
Das Werk verdient jedenfalls die größte Anerkennung.
Der srauMIche Ostlraual und der Einsturz der Staumauer von Bou?ey.
Vortrag von Bauinspektor Gugenhau am 2. November 1895.
(Mit 2 Tafeln Zeichnungen.)
Durch die Wiedervereinigung von Elsaß-Lothringen mit Deutsch
land verlor Frankreich Teile des Marne-Rhein- und Rhein-Rhone-
Kanals und damit seine durchgehende, über Straßburg führende
Kanalverbindung von der Nordsee zum Mittelmeec.
Die Franzosen, welche von dem hohen nationalökonomischen
Werte der schiffbaren Wasserstraßen vollständig durchdrungen sind,
suchten schon im Jahre 1872, trotz des äußerst mißlichen Standes
ihrer Finanzen nach dem Kriege, diese verloren gegangene Kanal
verbindung wieder herzustellen.
In technischer Beziehung kamen hierbei zwei von der Maas
ausgehende Tracen in Frage; der Kanal ließ sich von dort aus
entweder durch das obere Mosel- oder durch das obere Marne-Tchal
nach dem Oberlauf der bei Lyon in die Rhone mündenden Saöne
führen (vergl. Fig. 1).
Man entschied sich für erstere Verbindung, welche eine Ein
beziehung der Industrie-Mittelpunkte Nancy und Epinal mittels
Seilenkanälen ermöglichte.
Die Ausführung dieses neuen Kanals, des sogenannten Ost
kanals, wurde durch Gesetz vom 24. März 1874 genehmigt.
Derselbe läuft in einem Abstand von ca. 60 km der neuen
Grenze parallel; er besteht aus zwei vollständig von einander ge
trennten Teilen, einem nördlichen und einem südlichen. Die Ver
bindung zwischen beiden Teilen wird durch ein Stück des Marne-
Rhein-Kanals hergestellt.
Die nördliche, etwa 275 km lange Hälfte wird durch die kanalisierte
Maas gebildet; sie führt von der belgischen Grenze oberhalb Nainur
über Sedan, Verdun bis Troussey. Die Schiffbarmachung der Maas
erfolgte durch Einlegen von beweglichen Wehren (Nadelwehren nach
System Poiree), sowie durch Herstellung von kürzeren, mit Schleusen
versehenen Umgehungskanälen, durch welche die stärkeren Fluß
krümmungen abgeschnitten wurden.
Bei Troussey verläßt der Ostkanal die Maas; er übersetzt, mit
dem Marne-Rhein-Kanal vereinigt, die Wasserscheide zur Mosel mittels
eines Tunnels. Die Länge dieser gemeinsamen Strecke bis zur Festung
Toul beträgt 37 km.
In seiner südlichen Hälfte, von Toul aufwärts, folgt der Ost
kanal auf 22 km Länge bis Pont St. Vincent der Mosel, welche
auf diese Länge ebenfalls kanalisiert wurde.
Hier, an der Einmündungsstelle des von Nancy direkt komnienden
Kanalarmes, beginnt der eigentliche (Lateral) Kanal, welcher zunächst
noch 60 km moselaufwärts bis Golbey führt.
Golbey ist der untere Endpunkt des 4 km langen Sackkanals
von Epinal und zugleich der Anfangspunkt der 45 m hohen Schleusen
treppe nach der Vogesen-Hochebene.