Full text: Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart (1893-97)

41 
In Betreff der Frage, betreffend die Gefahren des Bauschwindels 
wird geltend gemacht, daß dieselbe vorwiegend juristischer Natur sei, 
und da die Reichs- und Staatsbehörden den Gegenstand in Beratung 
gezogen haben, wird beschlossen, diese Frage vorläufig von der Tages 
ordnung abzusetzen. 
Über die Frage, betreffend die Ausbildung der Studierenden 
des Baufaches, entspinnt sich eine lebhafte Diskussion; es wird be 
schlossen, das von den Einzelvereinen eingegangene Material, welches 
vollständig in den Verbandsmitteilungen abgedruckt werden wird, den 
Einzelvereinen nochmals zur Beratung zu überweisen, worauf ein 
Ausschuß, bestehend aus den bisherigen Berichterstattern (den Herren 
Barkhausen und Lauter) und den Herren Kaemp, Wetz und v. Leib 
brand, die Ergebnisse zur weiteren Beschlußfassung zusammenstellen wird. 
Als Grundsatz für die weitere Behandlung ist beschlossen: 
1) es ist in Beratung zu ziehen die praktische Ausbildung der 
Studierenden des Baufaches vor, während und nach dem 
Hochstudium; 
2) diese Beratung ist gesondert durchzuführen bezüglich der Archi 
tekten, Bauingenieure und Maschineningenieure. 
Eine lebhafte Besprechung findet auch statt hinsichtlich der Frage 
über die Einführung einer für ganz Deutschland giltigen Bezeichnung 
der akademisch gebildeten Techniker. Beschlossen ist, daß diese ein 
heitliche Bezeickmung der für den Staatsdienst geprüften Techniker 
sehr zu empfehlen ist, und daß die weitere Behandlung dieser Frage 
dem Benehmen der Einzelvereine mit ihren Staatsregierungen zu 
überlassen ist, wobei vorausgesetzt wird, daß die Abgangsprüfung 
auf allen Hochschulen gleichartig gestaltet wird. Ein staatlicher Schutz 
wird für die fragliche Bezeichnung notwendig erklärt und der Wunsch 
ausgedrückt, daß den technischen Hochschulen unter ähnlichen Be 
dingungen wie den Universitäten das Recht zugestanden wird, den 
Doktortitel zu verleihen. 
Hinsichtlich der Stellung der städtischen höheren Baubeamten 
wird beschlossen, daß aus sachlichen und persönlichen Gründen den 
obersten Baubcamten größerer Städte die vollberechtigte Mitglied 
schaft der städtischen Verwaltung zustehe, wie dieses in mehreren 
Teilen Deutschlands, besonders in den östlichen Provinzen Preußens, 
thatsächlich bereits mit bestem Erfolg der Fall ist. 
Ein Ausschuß wird gewühlt mit der Aufgabe, über die Dienst 
verhältnisse der höheren städtischen Baubeaniten und über die er 
forderlichen Verbesserungen derselben auf Grund der Vereinsberichte 
eine Denkschrift auszuarbeiten. Dieser Ausschuß besteht aus den 
Stadtbauräten Weber (Nürnberg), Kölle (Stuttgart), Heuser (Aachen), 
Meyer (Bromberg), Pfeiffhorn (Düsseldorf) und den Stadtbauinspektoren 
Jansen (Magdeburg) und Zekeli (Berlin). 
Bericht des Gewölbe-Ausschusses. 
Von dem Oesterreichischen Ingenieur- und Architekten-Verein ist 
unserem Verein die unter vorstehendem Titel zusanimengestellte, sehr 
reichhaltige Denkschrift (ein Sondcrabdruck aus der Zeitschrift jenes 
Vereins, 1895, Nr. 20— 34) zugesandt worden. Dieselbe enthält 
sehr eingehende Berichte über Versuche, welche auf Grund eines im 
März 1890 gefaßten Beschlusses jenes Vereins durch einen aus 
21 Mitgliedern bestehenden Ausschuß angestellt worden sind. 
Diese Versuche konnten in einem bisher noch nicht erreichten 
Umfange angestellt werden, weil das Unternehmen des Oesterreichischen 
Vereins nicht nur von baugewerblichen Firmen, sondern auch von 
verschiedenen Behörden, von Eisenbahnverwaltungen, von industriellen 
Gesellschaften, von einzelnen Sachverständigen u. s. w. (in einem 
Gesamiwerte, welcher zu mehr als 40 000 fl. anzuschlagen ist) durch 
Geldbeiträge, unentgeltliche Lieferungen u. s. w. unterstützt wurde. 
Von den Versuchen bezogen sich 17 auf die gebräuchlichsten 
Deckenkonstruktionen mit Gewölben kleinerer Spannweiten, 2 auf 
Unterbaugewölbe mit 10 m Spannweite und endlich 5 auf größere 
Objekte mit 23 m Spannweite und zwar bestanden die letzteren aus 
einem Gewölbe von Bruchsteinmauerwerk, 
„ „ „ Ziegelmauerwerk, 
„ „ „ Stampfbeton, 
„ „ nach dem System Monier, 
und einer eisernen Bogenbrücke. 
Bei den Versuchen wurden die Formveränderungen der Gewölbe bei 
verschiedenen Belastungen beobachtet unter Berücksichtigung der vorher 
genau ermittelten Festigkeits- und Elastizitäts-Verhältnisse der an 
gewendeten Baumaterialien. 
Die Versuchs-Ergebnisse sind in der Denkschrift zur Berechnung 
der verschiedenen Gewölbe verwendet und es sind daran Schlußfolger 
ungen geknüpft und Vorschläge für die Ausführung größerer Ge 
wölbe aufgestellt. 
Das Werk verdient jedenfalls die größte Anerkennung. 
Der srauMIche Ostlraual und der Einsturz der Staumauer von Bou?ey. 
Vortrag von Bauinspektor Gugenhau am 2. November 1895. 
(Mit 2 Tafeln Zeichnungen.) 
Durch die Wiedervereinigung von Elsaß-Lothringen mit Deutsch 
land verlor Frankreich Teile des Marne-Rhein- und Rhein-Rhone- 
Kanals und damit seine durchgehende, über Straßburg führende 
Kanalverbindung von der Nordsee zum Mittelmeec. 
Die Franzosen, welche von dem hohen nationalökonomischen 
Werte der schiffbaren Wasserstraßen vollständig durchdrungen sind, 
suchten schon im Jahre 1872, trotz des äußerst mißlichen Standes 
ihrer Finanzen nach dem Kriege, diese verloren gegangene Kanal 
verbindung wieder herzustellen. 
In technischer Beziehung kamen hierbei zwei von der Maas 
ausgehende Tracen in Frage; der Kanal ließ sich von dort aus 
entweder durch das obere Mosel- oder durch das obere Marne-Tchal 
nach dem Oberlauf der bei Lyon in die Rhone mündenden Saöne 
führen (vergl. Fig. 1). 
Man entschied sich für erstere Verbindung, welche eine Ein 
beziehung der Industrie-Mittelpunkte Nancy und Epinal mittels 
Seilenkanälen ermöglichte. 
Die Ausführung dieses neuen Kanals, des sogenannten Ost 
kanals, wurde durch Gesetz vom 24. März 1874 genehmigt. 
Derselbe läuft in einem Abstand von ca. 60 km der neuen 
Grenze parallel; er besteht aus zwei vollständig von einander ge 
trennten Teilen, einem nördlichen und einem südlichen. Die Ver 
bindung zwischen beiden Teilen wird durch ein Stück des Marne- 
Rhein-Kanals hergestellt. 
Die nördliche, etwa 275 km lange Hälfte wird durch die kanalisierte 
Maas gebildet; sie führt von der belgischen Grenze oberhalb Nainur 
über Sedan, Verdun bis Troussey. Die Schiffbarmachung der Maas 
erfolgte durch Einlegen von beweglichen Wehren (Nadelwehren nach 
System Poiree), sowie durch Herstellung von kürzeren, mit Schleusen 
versehenen Umgehungskanälen, durch welche die stärkeren Fluß 
krümmungen abgeschnitten wurden. 
Bei Troussey verläßt der Ostkanal die Maas; er übersetzt, mit 
dem Marne-Rhein-Kanal vereinigt, die Wasserscheide zur Mosel mittels 
eines Tunnels. Die Länge dieser gemeinsamen Strecke bis zur Festung 
Toul beträgt 37 km. 
In seiner südlichen Hälfte, von Toul aufwärts, folgt der Ost 
kanal auf 22 km Länge bis Pont St. Vincent der Mosel, welche 
auf diese Länge ebenfalls kanalisiert wurde. 
Hier, an der Einmündungsstelle des von Nancy direkt komnienden 
Kanalarmes, beginnt der eigentliche (Lateral) Kanal, welcher zunächst 
noch 60 km moselaufwärts bis Golbey führt. 
Golbey ist der untere Endpunkt des 4 km langen Sackkanals 
von Epinal und zugleich der Anfangspunkt der 45 m hohen Schleusen 
treppe nach der Vogesen-Hochebene.
	        

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.