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Ueber den Entwurf für neue Normen zur Berechnung des
Honorars für Arbeiten der Architekten und Ingenieure und die
von den Einzelvereinen dagegen erhobenen Bedenken wird eine leb
hafte Diskussion geführt. Schließlich wird zur weiteren Bearbeitung
des Gegenstandes ein Ausschuß gewählt, bestehend aus K a y s e r
(Berlin) Vorsitzender, Haller (Hamburg) und Eisenlohr
(Stuttgart) als Architekten, und H a v e st a d t (Berlin), Gleim
(Hamburg), Lueger (Stuttgart) als Ingenieure.
Für die Feststellung der Regen-Riederschlüge in Deutschland
ist an 78 Städte das Ersuchen gerichtet worden, die Arbeit durch
Beobachtungen zu unterstützen; daraus sind bisher nur 16 Antworten
eingelaufen und von diesen lauten 12 ablehnend. Unter diesen Um
ständen wird eine weitere Berichterstattung auf unbestimmte Zeit bis
zum Vorliegen weiteren Materials verschoben.
Die Denkschrift, betreffend die Umlegung städtischer Grundstücke
nnd die Zonenenteignung, welche bei der Abgeordneten-Versammlung
in Straßburg beschlossen war, ist bis auf einige Ergänzungen und
die Zeichnungen festgestellt; sie wird bis Ende dieses Jahres fertig wer
den. Für die Zeichnungen werden die Kosten mit 300 Ji. bewilligt.
Die sämtlichen Unterlagen für das neue Normalprofilbuch für
Walzeisen sind fertig gestellt und die Verhandlungen zum Abschluß
des Vertrages mit dem Verleger La Ruelle in Aachen eingeleitet.
Es wird beschlossen, mit Rücksicht auf den gemeinnützigen Zweck auf
den geringen Gewinn, der sich für den Verband aus dem Unternehmen
ergeben würde — je 0,50 Ji. für das Exemplar — zu verzichten,
wie dieses bereits von dem Verein deutscher Ingenieure und dem
Verein deutscher Eisenhüttenleute ausgesprochen worden ist.
Die Frage der Beanspruchung des Eisens wird vom Arbeits
plan abgesetzt, weil eine Einigung der Mitglieder des betreffenden
Ausschusses nicht zu erzielen gewesen ist.
Ueber die Stellung der städtischen höheren Baubeamten sind
von den einzelnen Vereinen zahlreiche Mitteilungen eingegangen,
jedoch erscheint das Material für die Ausarbeitung einer Denkschrift
noch nicht geeignet. Der Ausschuß wird deshalb einen Fragebogen
aufstellen und auf Grund der darauf einlaufenden Antworten seine
Arbeiten fortsetzen.
Hiemit ist die Tagesordnung erschöpft.
Rede des Präsidenten v. Ieibdrand bei dem Festmahle am Schlüsse der EntlMnngs
frier des Denkmals für Friedrich voll Schmidt in Vielt.
Hochverehrte Herren!
In Deutschland, im Schwabenlande stand die Wiege Schmidt's.
Sie dürfen deshalb wohl erwarten, daß sich auch ein Vertreter
Deutschlands bei Ihnen einfindet, um Ihnen zu dem heutigen Ehren
tage namens des Verbandes der deutschen Ingenieur- und Architekten-
Vereine vom Herzen Glück zu wünschen.
Ich thue dies freudigen Sinnes, meine verehrten Herren. Sie
gestatten mir dabei vielleicht, daß ich mit einigen Worten versuche,
die Wege zu schildern, auf denen Schmidt zu Ihnen gekommen und
der Ihre geworden ist.
In einem einsamen Waldwinkel des schwäbischen Landes erblickte
Schmidt das Licht der Welt. In der zu seiner Zeit gar stillen
Residenzstadt Stuttgart legte er den Grund zu seiner wissenschaftlichen
Bildung; dort, meine Herren, war es auch, wo er den Zweispitz, den
Meißel und Hammer führen mußte, um neben harter Arbeit noch
zu studieren. So leicht, wie es heute die akademische Jugend, wie
es heute die werdenden Bauküustler haben, hatte es Schmidt nicht;
ungeachtet dessen jedoch, daß er im Stuttgarter Gymnasium nicht zu
den vollberechtigten gehörte, daß er dort nicht Griechisch lernte, daß
er nur der sogenannten Barbarenklasse angehörte, ungeachtet dessen
ist er ein rechter ganzer Mann geworden. (Bravo! Bravo! Hände
klatschen.) Das gäbe eigentlich zu denken angesichts der Frage über
die Ausbildung der jungen Bautechniker, die Sie in Oesterreich
gerade so wie uns in Deutschland zur Zeit beschäftigt, aber ich
unterlasse es, dieses Thema heute zu verfolgen.
Die Zeiten waren nicht günstig für den werdenden Baukünstler,
als Schmidt in der Hauptsache ausstudiert und ausgelernt von
Stuttgart wegziehen mußte. Wir hatten im Württemberger Lande
zu Anfang der vierziger Jahre noch wenig Leben im Gebiet der
Baukunst, einem Mann von der Schaffensfreude, von der Willens
kraft und dem Selbstbewußtsein Schmidt's mußten die schwarz-roten
Grenzpfähle zu eng werden, er wandte sich nach Köln zum dortigen
Dom. Unzweifelhaft hat er dort den Grund zu seiner späteren,
gorwiegend gothischen Schaffensrichtung gelegt und die Ueberzeugung
gewonnen, daß auf diesem Felde sein künftiger Beruf liege.
Wir könnten in Deutschland, wir sollten in Schwaben neidisch
auf Sie in Oesterreich blicken, weil das Geschick Schmidt nicht im
engeren und weiteren Vaterlande gelassen hat, daß es nicht möglich
gewesen ist, diesen Mann uns zu erhalten. Aber, meine Herren, so
sind wir nicht. Wir wissen, daß die Kunst an keine Landesgrenzen
gebunden ist; der Kunst gehört die Welt. (Bravo!) Und so sind
wir nicht neidischen Blickes dem Aufwärtskommen, dem Vormärts-
streben Schmidt's gefolgt, sondern nur Freude und Stolz hat uns
erfüllt, daß er doch einer der unsrigen ist, daß sein Wirken und
Schaffen Ihre Anerkennung, Ihre Bewunderung in so hohem Maße
gesunden hat. (Bravo!)
Einer meiner geehrten Herrn Vorredner hat schon mit beredten
Worten darauf hingewiesen, daß Schmidt ganz Wiener geworden ist.
Es liegt dies vielleicht eben darin, daß er nicht ausschließlich Bau
künstler war. Wir Jünger der Baukunst in Deutschland kommen
mehr und mehr auch zu der Ueberzeugung, daß wenn einer ein ganzer,
ein voller Mann werden soll, er nicht stehen bleiben darf bei seinem
Berufe, daß er sich vielmehr auch am öffentlichen Leben beteiligen
muß, daß er mitarbeiten inuß in der Gemeinde, im Staat; und das
hat Schmidt gethan. Ihn hat das Vertrauen seiner Mitbürger in
das Rathaus und ihn hat die Gnade Sr. Majestät des erlauchten
Kaisers auch in das hohe Herrenhaus des österreichischen Staates
berufen.
Meine Herren! Gerade in diesem weitgehenden Ziele, in dieser
Auffassung der praktischen Bedürfnisse des Lebens seitens des ge
feierten Schmidt, gerade hierin erkenne ich einen nicht kleinen Teil
seiner wirklichen, unvergleichlichen Größe.
Meine Herren, hat auch Schmidt bei Ihnen in einer langen
Reihe von Jahren rastlos gearbeitet und sind czpch Werke, herrlich
und einzig in ihrer Art, aus seinem Geiste und seiner schaffenden
Hand entsprungen, so säumten auch wir in Deutschland und in
Schwaben nicht, diese herrliche Kraft uns zu Nutze zu machen. Bei
den größten baulichen Aufgaben der deutschen Nation, beim Bau
des deutschen Reichstagshauses in Berlin, bei der Aufrichtung des
Nationaldenkmals im Niederwald am schönen Rhein und vielen anderen
großen Bauwerken hat er beratend mitgewirkt.
Als das schwäbische Land seine größte gothische Aufgabe, den
Ausbau des Ulmer Münsters zu lösen im Begriffe stand, da war
es immer wieder Schmidt, der sein gewichtiges Wort auf unser Bitten
einlegte, nie hat er uns seinen Rat und seine thatkräftige Mitarbeit
vorenthalten: dafür möchte ich ihm im Namen der deutschen Architekten
schaft in dieser Stunde ausdrücklich danken. (Bravo! Bravo!)
Meine Herren! Ein Denkmal, einzig schön, haben Sie heute
angesichts des stolzesten Baues des großen Meisters enthüllt. Ich
habe den Gedanken, meine Herren, daß dieses Denkmal für uns in
Deutschland auch noch eine besondere Bedeutung hat. Wiederholt
hatte ich das Glück, in der Nähe Schmidts bei unseren großen Ver
bandstagungen, insbesondere in Stuttgart zu sein und da zu sehen,
welche Glut von Begeisterung diesem Manne entgegenströmte, wenn
er erschien. Wie fand der bewundernde Jubel kein Ende, als er
uns in Köln ein Bild von der Wiederherstellung des Stephansdomes
in Wien in glänzenden Worten entrollte, noch lebhafter ist mir als
Schwabe in Erinnerung, wie es uns in der Seele packte, als er im