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Auch ist auf Eßlinger Seite, was der größere Teil ist, uach
allerneuestem Beschluß der bürgerlichen Kollegien (vom letzten Donners
tag) geplant, die Straße entlang der Ebershalde nicht nur als Ver-
bindungs-, sondern als Bau- und Panoramastraße anszubilden.
Der Initiative der Stadlvertretung ist auch zu verdanken, daß
(bis jetzt jedenfalls eine Neuheit) diese Filialen durch Staatstelefon
mit der Stadtgemeinde verbunden sind.
So ist auch Aussicht vorhanden, daß im Laufe der Jahre in
dem einen oder andern dieser Weiler, die ja von der Natur so be
günstigt sind, z. B. auf dem Jägerhaus, eine Luftkuranstalt oder ein
ähnliches, dem Erholnngsbedürfnis dienendes Etablissement ent
stehen wird.
Auch aus dem Gebiete des Meliorationswesens hat sich vor
einigen Jahren die Stadt versucht, oder richtiger gesagt, versuchen
wollen.
Herr Kollege Canz hat im Jahr 1894 ein ins Detail aus
gearbeitetes Projekt einer Wiescn-Be- und Entwässerung für das
städtische Wiesenareal unterhalb der Körsch-Einmündung in den Neckar
geschaffen. Leider sind die folgenden Jahrgänge der Ausführung
insofern nicht günstig gewesen, als uns bei den damaligen starken
Niederschlägen und Winterfeuchte das Bedürfnis der künstlichen
Wiesenwässerung bestritten werden konnte, wogegen auch die über
zeugendsten Vorträge nichts halfen.
Wir hoffen jedoch, die Sache ist nur aufgeschoben und sie wird
in einem nächsten guten Weinjahr siegreich zum Durchbruch kommen!
Die Frage der Fäkalabfuhr, welche die Stadtgemeinde seit
2 Jahren ebenfalls wiederholt beschäftigte, hat ihre Erledigung in
einem inzwischen entstandenen Privatunternehmen gefunden.
Dagegen steht eine nun schon seit einem Jahrzehnt schwebende
Angelegenheit endlich vor dem demnächstigen Abschluß, die Erbauung
eines Leichenhauses.
Meine Herren Vorgänger haben sich wiederholt mit Plänen
befaßt und ich besitze jetzt im Ganzen 10 Entwürfe. Alle Stile
sind vertreten und die sämtlichen Himmelsrichtungen um und in dem
Friedhof als Bauplatz ausgesucht worden. Die Stadtgemeinde darf
jetzt nur wählen!
Da inzwischen ferner eine Erweiterung des Friedhofs gegen
Osten dringlich geworden ist, so wird wohl jetzt bei dieser Gelegenheit
das Leichcnhaus auf diesem neuerworbenen Areal seinen endgiltigeu
Standort finden. Der Ueberschlag für die Erweiterung des Friedhofs
ist schätzungsweise zu 70 000 Ji berechnet, für das Leichenhaus sind
40000 Jl ausgeworfen und es besteht ferner eine private Stiftung
von 10 000 JL zwecks architektonisch reicherer Ausstattung desselben.
Wenn ich noch erwähne, daß unsere Bauthätigkeit sich sogar
auf die Seite jenseits von Stuttgart erstreckt, siehe das Forsthaus
in Katzenbach, als letzte Erinnerung an den reichsstädtischen Besitz
der Dörfer Vaihingen und Möhringen, so glaube ich nunmehr das
Programm erschöpft zu haben.
Verehrte Herren Kollegen! Sie sehen, welch reiches Feld eine
städtische Bauverwaltung in Eßlingen bietet.
Daß die Stadtgemeinde zur Durchführung dieser Projekte viel
Geld braucht, und für künftige Aufgaben noch mehr brauchen wird,
ist selbstverständlich. Leider wurde in früheren Jahren versäumt,
mit der Erhöhung der jährlichen Umlagen, entsprechend der Ent
wicklung der Stadt gleichmäßig mit anderen Städten Schritt zu
halten, so daß jetzt die Aufgaben sich drängen und trotzdem die
Steuerschraube nun nachträglich stärker angezogen werden muß, manches
Versäumte nicht mehr einzubringen ist.
Ich glaube, Sie werden aus dem Vorgetragenen sich die An
sicht gebildet haben, daß insbesondere unsere städtische Verwaltung
speziell auf dem technischen Gebiete eine rege Thätigkeit entfaltet hat.
Wenn Sie, wie beabsichtigt, Ende dieses Monats Eßlingen
besuchen, so werden wir uns ein großes Vergnügen daraus machen,
Ihnen die hier geschilderten Bauwesen an Ort und Stelle vorzuführen.
Verzeihen Sie, wenn ich Ihre Zeit teilweise mit Dingen in
Anspruch genommen habe, die Sie selbstredend ebenso und vielleicht
besser anderswo treffen; zur Vervollständigung des Bildes der bau
lichen Entwicklung der Stadt durfte aber auch das minder Wichtige
nicht übergangen werden.
Wenn unsere Bauten auch nur zum geringen Teil eine hervor
ragende Bedeutung haben, so sind sie doch in mancher Hinsicht
eigenartig und beachtenswert, und wir hoffen, daß dieser Vortrag,
und noch mehr Ihr Besuch in Eßlingen Ihre angenehmen Er
innerungen au diese Stadt bereichern werden.
Bau der Mndesirrenanstalt in Meisseuau.
Dem Vortrage, welchen Baudirektor v. Bok in der geselligen
Vereinigung am 23. Januar d. I. gehalten hat, sind die folgenden
Mitteilungen entnommen:
Bis zum Jahre 1870 bestanden an Irrenanstalten in Württem
berg nur die staatliche Pflegeanstalt Zwiefalten und die Heilanstalt
Winnenthal. In den Jahren 1871—73 wurde die große Landes
anstalt Schussenried eingerichtet und 1877—81 wurde Zwiefalten
bedeutend erweitert. Einige Jahre später zeigte sich das Bedürfnis,
die genannten Anstalten von unheilbaren und dem Siechtum ver
fallenen Kranken zu entlasten und für diese eine neue Pfleganstali zu
beschaffen.
Von den im Besitze des Staates befindlichen Gebäuden wurde
das ehemalige, im Anfange des vorigen Jahrhunderts erbaute Kloster
Weissenau, welches in der Nähe einer größeren Stadt (Ravensburg)
und der Bahn liegt, als besonders hiezu geeignet befunden.
Im Jahre 1890 wurde mit dem Umbau des Klosters be
gonnen. Der Bauaufwand war einschließlich der Wasserversorgung
auf 605 000 Mk., die Mobiliaranschaffung auf 100 000 Mk. ver
anschlagt.
Bei Aufstellung des Planes tvurde davon ausgegangen, die
vorhandenen schönen großen Räume für die Unterbringung der
Kranken zu verwenden und für die untergeordneten Räume, wie
Bäder, Aborte rc. Anbauten gegen den inneren großen Hof zu er
stellen.
Es befinden sich deshalb die Krankenräume in de» 3 Geschossen
der gegen die Gärten liegenden Flügel, während die Beamtenwoh
nungen und Kanzleien im westlichen, an der Straße liegenden Flügel
untergebracht sind.
Das gewölbte Untergeschoß enthält die Keller, die Koch- und
Waschküche rc., sowie die Kessel für die Niederdruck-Dampfheizung.
Für die unruhigen Kranken wurden besondere mit dem Hauptgebäude
verbundene Zellenräume erstellt. In den an das Gebäude sich an
schließenden prächtigen Gärten befinden sich große, bedeckte Wandel
gänge, sowie verschiedene, zur Unterhaltung der Kranken dienende
Anlagen.
Die in dem Gebäude eingeführte Niederdruck-Dampfheizung
(System Käuffer), bei welcher Dampf von 0,05—0,1 Atm. bis auf
eine Entfernung von 200 m von der Dampferzeugungsstelle geleitet
wird, hat sich gut bewährt. In jedem Geschosse sind an den Hanpt-
kreuzungen der Korridore zentrale Abluftkanäle mit künstlicher Luft
absaugung eingebaut, durch welche die anstoßenden Gebäudeteile
ventiliert werden.
In den Räumen, in denen alte, außer Gebrauch gesetzte Kamine
zur Verfügung standen, wurden diese zur unmittelbaren Ableitung
der verbrauchten Luft verwendet.
Die Ausführung lag unter der Oberleitung des Vortragenden
i in den Händen des Baurats Geiger in Ravensburg.
Äeranegegeden »om Wiirttemd. verein fär Daukunde. Für denselben! Wberbanrat Dr. » Lrockma nu. — Druck oon Alfred Maller * ®o. — Verlag von S. Ae ise'e
Hofbniichandlnng, sämtlich in Ltnttgart.