Full text: Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart (1893-97)

größeren Sicherheit unb zur Unterstützung im Betrieb, sowie zur Ab 
kürzung der Betriebszeit in 2 Geschoßen 2 Akkumulatoren-Batterien 
mit je 280 Elementen aufgestellt, welche Strom für etwa 5000 
Lampen auf 3 Stunden liefern können. 
Für den Straßenbahnbetrieb ist in letzter Zeit eine dritte Batterie 
eingestellt worden, um den bei diesem Betrieb auftretenden Strom 
schwankungen, unter welchen die Maschinen notleiden müssen, zu be 
gegnen und um die Betriebszeit Morgens und Abends abzukürzen. 
Zur Beschaffung des nötigen Kondensationswassers wurde ein Gradier 
werk von 14 m Höhe erstellt, auf welches das von den Konden 
sationspumpen kommende heiße Wasser mittelst Kreiselpumpen bis in 
die Höhe befördert wird, um durch stufenförmigen Fall und durch 
Siebkäften geleitet, auf die zur Wiederverwendung für die Konden 
sation geeignete Temperatur von 20—24° C. abgekühlt zu werden. 
Das Leitungsnetz besteht aus zwei Hauptteilen, dem Leitungs 
netz für die Straßenbahn und dem Lichtleitungsnetz. Das letztere 
ist nach dem sog. Dreileitersystem mit blankem Metallleiter und 
doppeltarmierten Kabeln (von Felten & Guilleaume geliefert) für 
die Außenleiter angelegt. Die Leitungen liegen 0,8—1,0 m tief 
unter den Trottoirs und sind mit weichem Sand überdeckt. 
Das Lichtleitungsnetz zerfällt in Zuleitungen nach 28 Speise- 
punkten (mit Prüfdraht zur Kontrolle der Spannung versehen) und 
in Verteilungsleitungen nach 108 Verteilungskästen, in welche Sicher 
heits-Ausschalter eingesetzt sind. 
Das Versorgungsgebiet hat eine Ausdehnung von 4400 m in 
der Länge und von 2700 m in der Breite. An das Werk sind derzeit 
205 Konsumten mit 515 Hausanschlüffen und zusammen 20 000 
installierten Glühlampen, 552 Bogenlampen und 102 Motoren an 
geschlossen. Das Leitungsnetz erstreckt sich auf 3300 m Radius vom 
Elektrizitätswerk. 
Im November v. I. betrug der Stromverbrauch 
1. Lichtabgabe zu Glühlampen . . 990 850 Watt 
2. „ „ Bogenlampen . . 192 900 „ 
3. Kraftabgabe zu Kleinmotoren . . 342 450 „ 
4. „ an die Straßenbahnen 87 048 000 „ 
5. Verschiedenes (eigener Verbrauch p.p.) 26 450 „ 
zusammen: 88 600 650 Watt 
Das Leitungnetz der Straßenbahn, größtenteils ebenfalls unter 
irdisch angelegt, besteht bis jetzt aus 8 Speiseleitungen mit einer 
Gesamtlänge von 105 km. Der entfernteste Punkt liegt 35 km 
von der Zentrale ab. 
Am 10. September 1895 wurde erstmals Strom an die 
Straßenbahn abgegeben und am 11. Oktober desselben Jahres wurde 
der Lichtbetrieb eröffnet. 
Die Kosten haben betragen: 
1. Für Hoch- und Tiefbauten 275 000 Mk. 
2. Für Dampfmaschinen, Dampfkessel u. Zubehör 550 000 „ 
3. Dynamomaschinen, Apparaten-Anlage . . 300 000 „ 
4. Akkumulatoren-Anlage 175 000 „ 
5. Das Kabelnetz 920 000 
6. Die Haus-Anschlüsse 220 000 „ 
7. Verschiedenes 90 000 „ 
zusammen: 2 530 000 Mk. 
In Betreff der Verwendung der elektrischen Energie für den 
Betrieb der Straßenbahnen ist als besonderer Vorteil zu betonen, 
daß Steigungen bis zu I0°/o ohne besondere Hilfsmittel sich über 
winden lassen und daß deshalb dieser Betrieb auch in den neuen, an 
den Berghängen sich hinziehenden Straßen eingeführt werden konnte. 
Zristruiittnlcrikiiri-e in Wilg aus Astronomie, Geodäsie nnd deren Wichtigkeit 
aus Forschungsreisen. 
Vortrag von Fabrikant Tesdorpf, gehalten am 10. April 1897. 
Hochansehnliche Versammlung! 
Nicht durch eingehende Jnstrumentenbeschreibungen oder durch 
Entwickelungen von Vermessungstheorien will ich Ihre Aufmerksam 
keit in Anspruch nehmen, sondern vielmehr durch allgemeinere Be 
trachtungen, die die wesentlichsten Grundzüge der Jnstrumentenkunde, 
sowie deren Bedeutung auf wissenschaftlichem und auch auf technischem 
Erbiet umfassen, dieses interessante Gebiet, soweit es in einem der 
Zeit nach kurz bemessenen Vortrag möglich ist, beleuchten. 
Das Material, welches sich hierbei bei der Zusammenstellung 
ergiebt, ist ein so umfangreiches, daß es schwer ist, die eng zu 
ziehenden Grenzen gleichmäßig für die einzelnen Abschnitte zu verteilen. 
Wo wir, und zu welcher Zeit der Geschichte wir die Thätigkeit 
der Kulturvölker in Betrachtung ziehen, finden wir, daß durch den 
überwältigenden Anblick des Firmaments sich der Wunsch und das 
ernste Bestreben geltend machte, die Lage der Millionen von Ge 
stirnen in einen Rahmen zu bringen, der es ermöglichte, einen Ver 
gleich für die jeweilige Gegenwari und auch für die kommenden 
Geschlechter anzustellen. 
Die Empfindungen, die einen Jedem von uns befangen beim 
Anblick des gestirnten Himmels, wo das Antlitz nicht zur Erde, 
sondern aufwärts gerichtet ist, belehren uns, daß ein ewiger Wechsel 
in scheinbar ewigem Bestand unter allgemeinen Gesetzen zu Grunde liegt. 
So sehr auch zeitweise die Forschungen auf dem Gebiet der 
Astronomie, der älteren Schwester der Geodäsie, von der wir später 
sprechen wollen, in früheren Jahrhunderten den Anschein über 
schwenglicher Geistesvisionen, ja ketzerischer Ansicht beschuldigt wurden, 
so erfüllte dennoch diese Wissenschaft viele Gemüter mit leidenschaft 
licher Wißbegierde, welcher wir unsere frühesten Berechnungen und 
Aufzeichnungen verdanken. 
Beinahe 4 Jahrtausende unserer Weltgeschichte hindurch existierte 
von exakten Messungen der Himmelskörper nichts, ebensowenig von 
solchen, die uns ein Bild unserer Erde gegeben haben würden. 
Erst zwei Jahrhunderte vor Beginn der christlichen Zeitrechnung 
sehen wir die Ptolomäer die ersten diesbezüglichen Schritte thun. 
Die Alexandrinische Schule, die Förderin und Schützerin der 
Wissenschaften, bethätigte ihre Kraft des geistigen Aufschwungs auch 
auf diesem Gebiet. 
Die darauf folgende Uebermacht der Römer, abhold diesen Be 
strebungen, begrub bei dem ersten gewaltsamen Verfall ihres Reiches 
auch diese Errungenschaften, wie überhaupt die ganze damals be 
kannte Welt in ihren Fugen erschüttert wurde. 
Ein Nomadenvolk der Wüste, die eroberungslustigen Araber, 
pflegten wieder im 7. Jahrhundert insbesondere diesen Zweig der 
Wissenschaft. Auch diese Errungenschaften gingen durch den Unter 
gang dieses Heldenstammes verloren; tiefe Nacht der Barbarei hielt 
jedes Aufkommen edlerer Bestrebungen in Banden. 
Aberglaube, verrohte Sitten, abenteuerliche und barbarische 
Kriege erzeugten im Gefolge stumpfe Ermattung, Not und verheerende 
Seuchen. 
Nach langem, langem Schlummer, fünfzehnhundert Jahre nach 
Beginn unserer Zeitrechnung, regte sich wieder der Genius, er verpflanzte 
die Kultur auch in noch bis dahin unbekannte, ja ungeahnte Erdteile. 
Der erwachende Genius ließ einen Kolumbus die neue Welt, 
einen Copernicus das neue Planetensystem entdecken. 
Das letzte Jahrhundert ist nun als ein Triumphzug sowohl 
für die Astronomie als auch für die daneben sich entwickelnde Geodäsie 
zu betrachten. 
Die beiden auf abstrakten Berechnungen und rein mathematischen 
Folgerungen aufgebauten Wissenschaften haben sich langsam mit er 
staunenswerter Schärfe und Richtigkeit entwickelt. 
Wie durch die Philosophie, die das geistige Denkvermögen auf 
neue Bahnen leitete, der Geist sich auf Flügeln über die alltäglichen 
Lebensanschauungen erhob, wie durch deren Vorkämpfer und Ver 
treter diese geistigen Richtungen Allgemeingut wurden und zu weiteren
	        

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