Full text: Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart (1893-97)

— 35 
Dautechnische SWen vom deutsch-österreichischen Binnenschiffsahrts-Kongrest. 
Von Stadtbaiiinspektor Ke pp l er in Epiingen. (Aus der „süddeutschen Bauzeitung" entnommen.) 
Vom 25. bis 28. Mai d. I. fand in Wien der ll. Verbands 
tag des Deutsch-Oesterreich -Ungarischen Verbandes für Binnen 
schifffahrt statt. 
Die imposante Beteiligung aus den entferntesten Bezirken des 
deutschen Reiches und der österreichischen Monarchie bewies, welch 
großes Interesse den Bestrebungen des Verbandes allseitig entgegen 
gebracht wird. Der Eröffnungssitzung im niederösterreichischen Land 
hause wohnten der Handelsminister Freiherr v. Glanz, der deutsche 
Geschäftsträger Prinz Lichnowsky, der bayerische Gesandte Freiherr 
ü. Podewils, der sächsische Gesandte Graf Wallwitz, Landmarschall 
Baron Gudenus, Bürgermeister der Stadt Wien Or. Lueger, 
Kammerpräsident Mauthner, Vertreter des Eisenbahnministers und 
zahlreiche Reichsrats- und Landtagsabgeordnete und Vertreter von 
Korporationen bei, während der Minister des Innern und Minister 
präsident Graf Badeni die Teilnehmer des Verbandstages durch eine 
Empfangseinladung beehrte. 
Der Präsident des Donauvereins, Reichsratsabgeordneter Or. 
Ruß, als Vorsitzender des Tages begrüßte die Versammlung in einer 
längeren Ansprache, aus welcher speziell der Hinweis darauf, daß 
Se. k. k. Majestät in seiner letzten Thronrede die Bedeutung der 
Wasserstraßen hervorgehoben habe, und daß die Regierung mit bezüg 
lichen Anträgen an die Kammer kommen werde, seitens der Versamm 
lung lebhafte Zustimmung fand. 
Aus dem umfangreichen Material von Referaten und Besich 
tigungen — es waren allein 32 Vortragsnummcrn auf die Tages 
ordnung gesetzt, in Rücksicht der Zeitkürze fast des Guten zu viel — 
welche insbesondere die drei großen Kanalisationsprojekte Donau- 
Oder, Donau-Moldau-Elbe und Donau-Main, sowie die Verbesserung 
der Schiffahrt auf den bemerkten Flüssen betrafen, dürften eine An 
zahl in bautechnischer Beziehung hervorragender Gegenstände den 
Leserkreis des Vereins für Baukunde speziell interessieren. Als solche 
erlaubt sich Verfasser, welcher im Auftrag der Stadt Eßlingen a. N. 
den Kongreß zu Studienzwecken über die Frage der Schiffbarmachung 
des mittleren Neckars besuchte, in erster Linie die gegenwärtig in 
Gang befindlichen Arbeiten zur Umwandlung des Donau 
kanals in einen Schleusenkanal herauszugreifen. 
Diese Bauten bilden einen Bestandteil der sog. Wiener Ver 
kehrsanlagen (Stadtbahn). Die nachstehenden Notizen sind den bei 
der Besichtigung der Baustelle gegebenen Erklärungen des k. k. Ober 
baurats Taussig zu verdanken. 
Bekanntlich besteht zum oberen Abschluß des 16 km langen 
Donaukanals bei Nußdorf als Schutz gegen Ueberschtvemmung der 
Stadt Wien ein Schwimmthor oder Sperrschiff. 
Dasselbe ist in technischen Zeitschriften wiederholt beschrieben 
worden, daher hier nur kurz bemerkt werden soll, daß diese Sperr 
vorrichtung aus beiderseitigen Quaimauern und einer Grundschwelle 
besteht. 
_ Zwischen diese .elc$&wiakivcfyev 
Ouaimauern wird nun —r + J } 
das Sperrschiff quer 
eingefahren und mit 
telst Wasserballast so 
weit versenkt, daß cs 
den Eisgang und Hoch 
wasser abhält, ander 
seits aber zwischen 
seiner Unterkante und 
der Kanalsohle noch 
so viel Wasser als für 
den Kanal erforderlich 
ist, durchläßt. 
Bei niedrigem 
Wasserstand befindet 
sich das Schwimmthor in einer Nische der linksseitigen Quaimauer 
(Siehe Fig. 1.) 
Das geschlossene Thor stützt sich am linken Ufer gegen einen 
festen Anschlag, während derjenige auf dem rechten Ufer beweglich 
gemacht ist. 
Die Dimensionen des Thores sind 48,5 m Länge bei 9,5 m 
größter Breite und 7,5 m Höhe. Das Sperrschiff hat seit seinem 
Bestehen — Mitte der 70er Jahre — die Stadt Wien vor Ueber- 
schwemmungen vom Donaukanal aus in befriedigendster Weise bewahrt. 
Inzwischen ist auch gegen Ueberschwemmung vom Donaustrom 
selbst durch Erstellung eines Hochwasserdammes Vorsorge getroffen 
worden. Dagegen sind die Schifffahrtsverhältnisse z. Zt. keine be 
friedigenden, indem bei Niedrigwasser des Donauflusses sich so geringe 
Wassertiefen im Kanal ergeben, daß große Schiffe überhaupt nicht 
einfahren können. 
Außerdem zeigen sich sehr erhebliche Mißstände in sanitärer 
Beziehung dadurch, daß die in den Kanal ausmündenden Abwasser 
der Stadt Wien bei deni bemerkten geringen Wasserstand nicht mehr 
genügend Verdünnung erfahren und in der Folge bei großer Hitze 
belästigend ausdünsten. Da ferner aus Anlaß neuer, sehr tiefliegen 
der Eisenbahnanlagen für die Wiener Stadtbahn und mit Rücksicht 
auf Flutauslässe der städtischen Kanalisation eine Vertiefung der 
Sohle des Kanals erforderlich wird, um den Wasserstand zu senken, 
so stellte sich hiemit auch das Bedürfnis heraus, eine neue, möglichst 
vollkommen regulierbare Absperrvorrichtung an Stelle des Sperrschiffs, 
bei welchem immer noch Wasserstände von 4 m über Null möglich 
sind, zu setzen. 
Hiezu wurde ein bewegliches Wehr, System Cameree, wie in 
nebenstehender Skizze schematisch dargestellt, gewählt. 
Cs4ns/cftb 
Hängensc/iriM 
Fig. 2. 
Bezüglich Details kann auf die bereits geschehenen Veröffent 
lichungen über dieses Wehrsystem verwiesen werden. Das Wehr 
besteht aus eisernen Nadeln, welche in mäßigen Abständen (ca. 80 cm) 
neben einander gestellt sind, oben durch einen eisernen Bolzen ge 
halten werden und unten sich gegen einen Anschlag stemmen. Zwischen 
die Träger werden eiserne Tafeln in Führungen herunter gelassen. 
! Die untersten dieser Tafeln sind mit Jalousien versehen, um den 
Durchfluß des Wassers zu regulieren. 
Der höchste Stand der Donau ist 6,3 m über Null, der niedrigste 
0,84 unter Null, so ergiebt sich die sehr ansehnliche Wasserdruckhöhe 
von 7,14 m, welche das Wehr auszuhalten hat. Die Breite des 
Wehres beträgt ca. 40 m. Von diesem Bauwerk ist z. Zt. die 
Gründung der Widerlager und der Sohlschwelle beendigt. 
Um nun in Zukunft bei Hochwasser des Donaustromes gleich 
wohl den Donaukanal zur Schifffahrt benützen zu können, ist etwas 
unterhalb des Kanaleinganges eine Kammerschleuse mit eigenem 
Stichkanal vorgesehen und z. Zt. ebenfalls im Bau begriffen. (Siehe 
Figur 3.) 
Die Maße der Kammerschleuse sind 85 m Länge und 15 m 
Breite, dieselbe ist also nur zum Durchlässen einzelner Schiffe, aber 
nicht ganzer Schleppzüge geeignet, was damit begründet wird, daß 
der Donaukanal in erster Linie nicht als Schifffahrtsweg (der korri 
gierte Donaustrom ist 3 km kürzer), sondern als Winterhafen 
dienen soll. 
Um dem Donaukanal genügenden Wasserzufluß zu sichern, wenn 
die Donau gefroren ist und die in dem Wehre befindlichen Jalousien 
etwa infolge von angesetztem Grundeis sich verstopfen, sind 3 sog. 
Alimentationskanäle angenommen, welche das Wasser tief unter der 
Eiszone dem Donauflnsse entnehmen und unterhalb des Wehres 
bezw. der Schleuse in das Kanalwasser ausmünden. Zur Zeit ist 
I ein solcher Umlaufkanal — siehe Abbildung — fertiggestellt. Der
	        

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.