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Mfeier des Jubiläums des Vereins für Baukuude.
Der Württembergische Verein für Baukunde, über dessen Gründ
ung und bisherige Thätigkeit die weiter unten aufgeführte Rede des
Vereinsvorstandes, Oberbaurat d. Hänel, ausführliche Mitteilungen
enthält, feierte am 7. Januar d. I. abends im oberen Museum zu
Stuttgart sein 50jähriges Bestehen. Die Beteiligung und zwar auch
von auswärtigen Mitgliedern und von Damen war eine sehr leb
hafte, und verlief diese Festfeier bei heiterster Stimmung in sehr
gelungener Weise.
Besonders zu erwähnen ist hierbei die das Programm enthaltende
Festkarte mit dem reizend dargestellten Abzeichen der Baukunst und
der duftig gehaltenen Ansicht von Stuttgart (Entwurf der Herren
Lambert und Stahl).
Als Ehrengäste waren anwesend die Herren: die Staatsräte
Dr. v. Schall und v. Pischek, die Direktoren v. Balz, v. Schleicher,
Kunstschuldirektor v. Schraudolph, Bergrat Wepfer, Professor Zeman
in Vertretung des Vorstandes des Ingenieur-Vereins, als dessen Aus
schußmitglieder Professor Ernst, Dr Hauff und Lamprecht, sowie die
Vorstände des akademischen Ingenieur- und Architekten- und des all
gemeinen Polytechniker-Vereins, sowie des akademischen Liederkranzes.
Die Vorstände der Bauabteilung der Staatseisenbahnen, der Straßen-
und Wasserbauabteilung des Ministeriums des Innern, sowie der
Baugewerkschule waren durch die Herren Direktor v. Schlierholz,
Regierungsdirektor v. Leibbrand und Hofbaudirektor v. Egle zugleich
als Vereinsmitglieder vertreten.
Die Festfeier begann mit der von dem Prem'schen Orchester
vorgetragenen Beethoven'schen Festouverture, welcher die bereits er
wähnte und mit reichem Beifall aufgenommene Rede des Oberbaurats
v. Hänel folgte; es schloß sich daran der Vortrag von zwei Liedern
durch das Vereinsquartett (dirigiert von Bauinspektor Dulk). Mit
einer Polonaise begaben sich darauf die Festteilnehmer in den durch
zwei Pflanzengruppen mit den Büsten Ihrer Majestäten des Königs
Wilhelm II und der Königin Charlotte, sowie der höchstseligen Könige
Wilhelm I und Karl geschmückten Festsaal, welcher namentlich durch
den reichen Damenflor einen glänzenden Anblick darbot und in wel
chem sich bald eine sehr fröhliche Stimmung entwickelte. Derselben
entsprach auch die vom Baurat v. Seeger mit vielem Humor ver
faßte (weiter unten aufgeführte) Erläuterung der Speisekarte, welche
mit einem sehr flott gezeichneten Titelblatte durch die Herren Eisen
lohr und Weigle versehen war.
Selbstverständlich fehlte es nicht an mit reichem Beifall auf
genommenen Trinksprüchen. Der erste, vom Vereinsvorstand aus
gebrachte, galt Sr. Majestät dem Könige und gedachte dabei auch
des dem Verein durch die höchstseligen Könige Wilhelm I und Karl
so oft zugewendeten Wohlwollens. Der zweite wurde durch Stadt
baurat Kölle dem abtretenden Vorstande und dem Ausschüsse dar
gebracht, worauf der Vorstand auf alle Mitglieder, welche durch
Vorträge, Vorlegung von Zeichnungen und Plänen, Einrichtung von
Ausflügen u. s. w. sich verdient gemacht haben, toastierte. Es folgten
die Trinksprüche des Direktors v. Leibbrand auf die Ehrengäste und
deren Wohlwollen für den Verein, des Staatsrats v. Pischek aus die
gesellschaftlichen Leistungen des Vereins, des Direktors v. Balz auf
die Techniker als Bahnbrecher auf dem Felde des Kulturfortschritts,
des Staatsrats Dr. v. Schall auf die Familien und des Architekten
Feil auf die Damen, wobei auf den von einer Dame herstammenden,
auf die Speisekarte gesetzten Vers (siehe unten) hingewiesen wurde.
Ein weiterer Trinkspruch, durch Professor Walter ausgebracht, galt
den noch lebenden Senioren des Vereins (v. Landauer, v. Morlok,
v. Schlierholz, v. Egle, Gansser); v. Schlierholz dankte auch im
Namen seiner Kollegen, indem er, rückblickend auf die vielseitige
Thätigkeit des Vereins, auch der verehrten hingegangenen Stifter
des Vereins und seines alten Kollegen Leins gedachte und dem Verein
ferneres Gedeihen und Blühen wünschte; er trank auf das Wohl des
neuen Vorstandes, Baurat Fuchs. Hierauf folgten Glückwünsche von
der technischen Hochschule durch Oberbaurat v. Tritschler (Vertreter
des abwesenden Direktors), des Württembergischen Bezirksvereins
deutscher Ingenieure durch Professor Zemann und zuletzt ein Dank
des neu gewählten Vereinsvorstandes, Baurat Fuchs. Von Herrn
Ad. Grimminger, welcher am Erscheinen gehindert ivar, war ein
poetischer Glückwunsch eingesandt, welcher von einem Mitglied vor
getragen wurde —
Mch Schluß des Abendessens begannen die Aufführungen
(vier Bilder), über welche im nächsten Hefte ausführlich berichtet
werden wird; das erste und vierte Bild stammt vom Regierungs
baumeister Wolff, das zweite und dritte vom Baurat v. Seeger, der
Text von ersterem; die Regie war von den Regierungsbaumeistern
Wolff und Eisenlohr, die Bühnenausstattungen vom Hoftheatermaler
Plappert besorgt.
Nun folgte unter lebhafter Teilnahme der Tanz, welcher durch
Schnadahüpflen, verfaßt und vorgetragen von dem als Wiener Fiaker
kostümierten Bauinspektor Gebhard und durch ein von gleichfalls
kostümierten Sängern vorgetragenes Quartett „Dämon und Galathea"
unterbrochen wurde.
Erst lange nach Mitternacht endete das schöne Fest. —
An die Festfeier reihten sich an am 7. Januar nachmittags die
Besichtigung des Baues der neuen Neckarbrücke und der zugehörigen
Pläne und Modelle, und am 8. vormittags die Besichtigung des
Baues des Gewerbemuseums, sowie nachmittags diejenige der Friedens
kirche, wobei die Besucher durch Orgelspiel erfreut wurden; die Führ
ung geschah in liebenswürdigster Weise je durch die betreffenden Herren
Baumeister.
Den Abend des 8. verbrachten noch etwa 120 Festteilnehmer,
und zwar Herren und Damen, wieder im Museum in heiterster
Stimmung bei musikalischen und komischen Aufführungen; ein dabei
von Inspektor Laistner verfaßtes und vorgetragenes Gedicht folgt
weiter unten.
Rede des Vereinsvorstandes, Oberbaurat v. Hauet.
Hochgeehrte Festversammlung!
Sie haben unserer Einladung, das 50jährige Jubiläum des
Württenibergischen Vereins für Baukunde mit uns zu feiern, freund
lich Folge geleistet. Ihnen dafür zu danken, Sie herzlich willkommen
zu heißen und das Fest mit einigen Worten über die Bedeutung
desselben einzuleiten, diese ehrenvolle Aufgabe ist mir, dem heute ab
tretenden Vereinsvorstande, als die letzte meines Amtes zugefallen. Ich
glaube ihr am besten gerecht zu werden, indem ich Sie einlade zu
einem kurzen Rückblick auf die Entstehung und den bisherigen Lebens
lauf unseres Vereins.
Lassen Sie mich mit der Vorgeschichte beginnen, welche bis
zum Jahre 1833 hinaufreicht. Damals starb Karl Mar zell
Hei gelin, Lehrer der Baukunde und erster Vorstand der vier Jahre
vorher gegründeten Stuttgarter Gewerbeschule, aus welcher später