Full text: Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart (1893-97)

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struktionsmaterialien Heuer in Wien und zwar am 24. und 
25. Mai abgehalten werden soll; der Verein wird um Unter 
stützung dieser Arbeiten gebeten. 
5) Eine Zuschrift, betr. eine Einladung des Jngenieurvereins in 
Chicago für die Besucher der Weltausstellung. 
Der Vorsitzende giebt nunmehr Kenntnis von dem Ausflug, 
welcher am 4. Juni nach Honau-Lichtenstein unternommen werden soll. 
Den Hauptgegenstand der Tagesordnung bildet der jetzt folgende 
Vortrag von Baurat Ehmann über die Wasserversorgung von 
Ludwigsburg; die Ausführungen dieses Vortrags sind weiter 
unten vollständig wiedergegeben; sie werden durch eine große Anzahl von 
Plänen und Zeichnungen unterstützt, welche von den Anwesenden nach 
dem Schluffe des Vortrags eingehend besichtigt werden. Die inter 
essante Darlegung des Gegenstands findet den vollen Beifall der 
Versammlung; bei dem Danke, den der Vorsitzende im Namen des 
Vereins dem Vortragenden darbringt, weist derselbe besonders darauf 
hin, wie große Anerkennung der Umstand verdiene, daß Baurat 
Ehmann so bald schon wieder dem Verein aus dem reichen Vorrat 
seiner praktischen Erfahrungen und Ausführungen Mitteilungen ge 
macht habe. 
Schluß der Versammlung gegen 10 Uhr. 
Merke gesellige Bereinigung am 27. Mai 1893. 
Vorsitzender: v. Hänel. Schriftführer: Hosacker. 
Anwesend: 16 Mitglieder. 
Regierungsbaumeister Wallersteiner bringt einen Bericht des 
in China zur Wahrung der technischen Interessen eines großen deutschen 
industriellen Werkes seit drei Jahren weilenden Mitgliedes, Regierungs 
baumeister Baur, zur Verlesung: derselbe hat aus Anlaß der Ueber- 
schwemmungen des Pei-ho im Juli 1892 in der Nähe von Tientsin, 
diesen Bericht verfaßt und dem Vortragenden zur Verfügung gestellt. 
Nach dem Inhalt desselben unterscheiden sich die Niederschlags 
verhältnisse jenes Teils von China wesentlich von den unsrigen, indem 
dort von dem etwa 0,65 m Höhe betragenden jährlichen Gesammt- 
niederschlag, der sich von dem bei uns fallenden mit 0,61 m nicht 
viel unterscheidet, auf die Monate Juli und August mehr als die 
Hälfte zu rechnen ist. Diese binnen so kurzer Zeit auftretenden 
großen Massermassen führten in dem flachen Lande Dammbrüche 
und in deren Gefolge Ueberschwemmungen großer Strecken bebauten 
tiefer liegenden Geländes herbei. 
In dem Bericht führt nun Baur nach genauen Untersuchungen 
und Messungen die Maßregeln an, auf Grund deren diesen so oft 
wiederkehrenden Ueberflutungen vorgebeugt werden könnte. Es sind 
dies Nivellements-Aufnahmen von Querprofilen, sowie Wasserge 
schwindigkeitsmessungen, deren Durchführung jedoch bei der Größe 
des ungefähr 229 000 qkm betragenden Niederschlagsgebietes sehr 
große Summen kosten würde. 
Im Anschluß an diesen Bericht, welcher im nächsten Heft aus 
führlich wiedergegeben werden wird, giebt Direktor v. Schlierholz aus 
Briefen Baur's Mitteilungen über die mannigfachen technischen Auf 
gaben, welche an Baur während seines Aufenthaltes in China schon 
herangetreten sind und für die Vielseitigkeit seines Könnens und 
Wissens beredtes Zeugnis ablegen. Zur weiteren Orientierung hatte 
Direktor v. Schlierholz eine Anzahl Photographien aufgelegt, welche 
in hohem Grade das Interesse der Mitglieder erregten. Der stell 
vertretende Vorsitzende, Oberbaurat v. Hänel, drückt dem Referenten 
Wallersteiner den Dank der Versammlung für den mit Skizzen er 
läuterten Bericht aus und knüpft daran den Wunsch, daß Baur seine 
Kräfte bald in den Dienst seines engeren Vaterlandes stellen möge. 
Ausflug nach Kouau-Lichtenstein am Sonntag den 4. Juni 1893. 
Zu diesem Ausflug hatten sich auf dem Bahnhof in Stuttgart 
morgens 7 Uhr gegen 70 Personen eingefunden, welche Beteiligung 
später noch durch Zuzug von Obertürkheim, Ulm, Sulz u. s. w. ver 
stärkt wurde. 
Die Reutlinger Mitglieder hatten sich mit ihren Damen voll 
zählig eingestellt, um den Verein zu begrüßen. Rasch wurden die 
von der Gesellschaft besetzten Wagen dem Zuge der Echatzthalbahn 
angehängt und bald war der bauleitende Ingenieur, Baurat Zimmer, 
in lebhafte Erläuterungen der seit einem Jahr dem Betrieb über 
gebenen und nunmehr befahrenen Strecke vertieft. 
Die zahlreich erschienenen Damen stiegen auf der vorletzten Station, 
Unterhausen, aus, um unter der Führung von Reg.-Baumeister 
Schlierholz auf bequemerem Pfade dem Lichtensteine zuzustreben. 
Bald nach 10 Uhr war die vorläufige Endstation Honau erreicht; 
von derselben, 525 m über dem Meere liegend, hat die Bahn die 
auf rund 700 m liegende Hochfläche des Albplateaus zu gewinnen. 
Sie erreicht dies in einer Steigung von 1:10 auf etwa 1800 m 
Länge, mittelst der Konstruktion als Zahnradbahn, an welche sich 
auf der Höhe der Alb die Strecke Honau-Münsingen wieder als 
Adhäsionsbahn anschließt. 
Die Bahn legt sich mit ihrem Unterbau an den rechtsseitigen 
Hang des Echatzthals, ist, mit Rücksicht auf die Zahnstange, mit 
Curven von durchweg 280 m Halbmesser traciert und hat bei ihrer 
Ansteigung die verschiedenen Schichten des tveißen Jura zu durch 
fahren. Von hohem Interesse für alle Besucher waren nun die Er 
klärungen über die verschiedenen Konstruktionen, welche notwendig 
waren, um die zum Teil mehr oder weniger zur Verwitterung ge- 
geneigten Gesteinsschichten zu einem soliden Unterbau zu gestalten; 
an der Hand zahlreicher Pläne wurden diese Erläuterungen sowohl 
vom Oberingenieur der Bahnstrecke, Vereinsvorstand Baurat Fuchs, 
als auch von Baurat Zimmer mit seinen Beamten gegeben; die Er 
klärung des Bremsbergs, welcher den gefahrlosen Thal- und Berg 
transport der Rollwagen ermöglicht, übernahm dessen Konstrukteur, 
Professor Teichmann. Nach etwa IV2 Stunden war die Höhe er 
reicht und auf schön tracierter Straße, von Baurat Rheinhardt er 
baut, konnte man sich dem Lichtenstein zuwenden, der schon lange 
von seiner luftigen Höhe herübergrüßte. 
Nach kurzer Stärkung im Forsthause wandte sich die ganze Ge 
sellschaft dem Schlosse zu, das für gewöhnlich seine Pforten an den 
Sonntagen nicht öffnet. Durch Vermittelung von Direktor von 
Schlierholz hatte indessen der Besitzer, Seine Durchlaucht der 
Herzog von Urach, besonders mit Rücksicht auf das fachliche 
Interesse des Vereins, in dankenswerter Weise die Erlaubnis erteilt, 
den Schloßhof, sowie die Sammlung von Sculpturen aus dem 
früheren Lusthaus zu besichtigen. Es war genügend Zeit vorhanden, 
um die interessanten Gegenstände zu besichtigen und sich der zahl 
reichen schönen Ausblicke auf die in wechselnder Beleuchtung doppelt 
schöne Landschaft zu erfreuen. 
Um 3 Uhr sollte der Bahnhof Honau erreicht sein, wo der 
Sonderzug nach Reutlingen die Gesellschaft erwartete; vorher hatten 
verschiedene Teilnehmer die mitten im Dorf Honau gelegene Olga 
höhle besichtigt. 
Um 4 Uhr erfolgte die Ankunft in Reutlingen, wo im Gast 
haus zum Kronprinzen der geräumige Saal die auf über 70 Personen 
(51 Herren, 25 Damen) angewachsene Gesellschaft zum Mittagessen auf 
nahm, welches durch verschiedene Toaste seine besondere Würze erhielt. 
Das erste Hoch des Vorstandes, Baurat Fuchs, galt der Stadt Reut 
lingen, welche Begrüßung Baurat Zimmer erwiderte; Regierungsdirek 
tor von Leibbrand gedachte der Verdienste des Vorstandes, der letztere 
rühmte die Bemühungen der Reutlinger Mitglieder, besonders der Herren 
Baurat Zimmer und Reg.-Baumeister Schlierholz, um den 
heutigen Tag; der letztgenannte feiert die anwesenden Damen. Unter 
der Führung von Obcrbaurat von Hänel hatten sich eine Reihe 
von Studierenden der technischen Hochschule der Excursion angeschlossen; 
einer derselbe dankte nun seinem Lehrer, worauf von Hänel erwiderte. 
Die Liebenswürdigkeit eines anwesenden Gastes (Fabrikant 
Rickli), welcher das Klavierspiel übernahm, ermöglichte einen kurzen 
Tanz für die anwesende Jugend, dem sich ein kleiner Rundgang 
durch Reutlingen anschloß. Im Garten des Kronprinzen blieben 
noch einige Minuten übrig, um den Abschiedstrunk mit den Reut 
linger Freunden einzunehmen. Bald nach IOV2 Uhr erfolgte die 
Ankunft in der Residenz, wo alles, hoch befriedigt von dem har 
monisch verlaufenen Tage, wohlbehalten anlangte.
	        
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