Full text: Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart (1898-1904)

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zeugte ein vorgelegter Plan zur Erweiterung der Stadtkirche zu 
Möckmühl (Fig. 19) und derjenige für Roigheim* (Fig. 20) und 
Möglingen* (Fig. 21), während in der Kirche zu Wannweil (Fig. 22) 
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gig. 20. 
Fig. 21. 
Fig. 22. 
die Vergrößerung zwischen dem stehengebliebenen gothischen Chor und 
dem romanischen Westgiebel und Turmbau durch das Hinausrücken 
beider Längswände erreicht wurde. 
Gruppe III. Abgrenzung zwischen Schiff und Chor. Eine 
weitere Schwierigkeit entstehe oft durch die Höhenunterschiede, welche 
zwischen den vorhandenen Chordecken und den Schiffdecken bestehen. 
Da wo es sich um hohe Chöre handle, seien in der Regel auch hohe 
Chorbögen vorhanden, die 
anstoßenden Schiffdecken seien 
aber meist viel niederer und 
horizontal, dieselben schneiden 
daher oft in den Oberteil des 
Chorbogenlichts ein (Kirch- 
heim u. T. (Fig. 23 u. 24) 
früherer und jetzigerZustand). 
Unter diesen Umständen lasse 
Fm 28. Fig. 24. sich leicht durch gesprengte 
Schiffdcckcn helfen, wo aber die Höhe des Chorbogens schon von 
Ansang an mit Rücksicht auf die horizontale Schiffdcckenform in 
niederer Gestalt gehalten wurde, da empfehle es sich anläßlich der 
Ausführung einer gesprengten Schiffdecke aus akustischen, wie aus 
ästhetischen Gründen, den Chorbogen entsprechend zu erhöhen, was 
sich bei der nötigen Erfahrung ohne jegliche Ge 
fahr bewerkstelligen lasse (Bietigheim, Blaubeuren*, 
Hall (St. Katharinenkirche Fig. 25), Oberroth, 
Laufen-Herberg (Fig. 8 u. 9). In Fällen, wo 
aber die Chordecke sich sehr nieder befinde und der 
Chorbogen einigermaßen mit dem erhöhten Schiff- 
raume in guten Einklang gebracht werden wolle, sieben 
dreierlei Auswege offen. Wenn es sich hiebei nur Fig. 25. 
um ein einfaches Kreuzgewölbe im Chor handle, wie es ja oft vor 
komme, wenn der Chor sich unter dem Glockenturm befinde, da könne 
man die gegen das Schiff anstoßende Gewölbekappe 
nischenartig gegen das Schiff aufwärts steigen lassen 
und erhalte dann eine höhere Chorbogenform (Metter 
zimmern* Fig. 26). Wo solches aber nicht möglich 
sei, könne man die Chorbogenöffnung in ihrer niedrigen 
Fig. 26. Gestalt belassen und einen höher gelegenen zweiten 
Bogen dadurch ausprägen, daß man den Mauergrund 
innerhalb dieses höheren Bogens auf eine zulässige Tiefe zurücksetzt, 
so daß über der eigentlichen Chorbogenöffnung sich ein vertiefter 
Bogcnzwickel bildet, der zu wirkungsvoller Ausschmückung 
willkommene Gelegenheit bietet (Uhlbach Fig. 27). Eine 
ähnliche Wirkung könne bei noch spärlicheren Mitteln 
auch durch bloße Ausmalung eines überhöhten Bogen 
feldes erreicht werden. (Oberfischach Fig. 13, Schwab- 
bach, Möckmühl.) Fig. 27. 
Hin und wieder komme auch der Fall vor, daß 
sich Chor und Schiff in gleicher Breite befinden und zwar ohne 
Unterbrechung durch einen Chorbogen, wobei man die Grenze zwischen 
beiden nur an der verschiedenen Höhenlage der Decken erkennen könne. 
Hier gelte es durch passende Einschaltung eines neuen Chorbogens 
1 
Fig. 28. 
(wenn auch nur von der Kämpferhöhe an) eine schickliche Ausbildung 
zu erzielen. (Heumaden Fig. 6 u. 28, Weissach*.) 
Der Vortragende schilderte sodann einen erst um die Mitte dieses Jahr 
hunderts vorgekommenen Fall in der Kirche zu Scharn 
hausen a. d. Fildern, wo wegen Neubeschaffung einer 
Orgel, welche wie früher auf der Empore im Chor 
Aufstellung finden sollte, das schöne spätgotische Kreuz 
gewölbe abgebrochen wurde, damit für das Orgelwerk 
der nötige Höhenranm geschaffen werde; dies war jedoch 
nicht genug, auch der Chorbogen wurde abgebrochen, um 
die Töne in das nicht viel höhere eben abgedeckte Schiff 
besser hinüberzuführen. Die bis auf Stockhöhe noch 
erhaltenen ruinenhaften Ueberreste des Chorbogens, sowie die Ge 
wölbeanfänger zeugen noch heute von diesem modernen Bandalismus. 
Welche Rolle der Abgrenzung zwischen Schiff und Chor durch 
die Ausbildung des Chorbogcns zufalle, davon bieten die beiden 
Illustrationen Fig. 45, Tafel, Katharinenkirche in Schw. Hall, und 
Fig. 46, Friedhofkirche zu Reutlingen wirkungsvolle Veranschaulichung. 
Gruppe IV. Verlängerung des Langhauses. Als vierte 
Gruppe wurden diejenigen Beispiele vorgeführt, bei welchen die nötige 
Vergrößerung des Jnnenraumes durch Verlängerung des Langhauses 
bewirkt wurde. Hieher gehört das schon 
erwähnte Projekt für Kochendorf* (Fig. 4, 
5, Taf., 29 ii.30). Bisweilen komme es vor, 
daß die Verlängerung sich nur auf den 
Anbau eines Chores oder einer Chornische 
beschränke (Lustnau, Vaihingen a. E. 
Fig. 31). Ein höchst origineller Anbau 
dieser Art wurde in der projektierten Um 
gestaltung einer der beiden Giebelseiten 
der Stadtkirche zu Göppingen* vorgezeigt 
Fig. 30. 
m 
F'g. 31. 
Fig- 32. 
Fig. 29. 
(Fig. 32). Der dortige 
länglich rechteckige 
Kirchenraum stammt 
aus der Zeit der Spät 
renaissance und hat 
keinen Chor, um nun 
einen solchen zu er 
reichen und gleichzeitig 
das scheunenhafte Gepräge der kahlen Giebelwand zu beseitigen, ist, 
da es sich hier nicht um Vergrößerung des Kirchcnraumes handelte, 
teils durch Abkürzung des letzteren und teils durch Vorbauen vor 
die alte Giebelfront im Chor er 
reicht, welcher mit den daneben 
projektierten Treppenhäusern der 
Giebelseite und der stilvollen Ab 
deckung des Giebels Ergänzungen 
bildet, die dem Aeußern dieses Bau 
werks zu einer harmonischen Ge 
samterscheinung verhelfen. Ein 
weiteres Verlängerungs-Projekt, 
welches in viererlei Varianten vor 
lag, bezog sich auf die Kirche in 
Untergruppenbach* (Fig. 33), ebenso 
ein solches für Baiersbronn* 
(Fig. 34), bei welchem die Verlängerung noch mit Querschiffen ver 
bunden ist. 
Gruppe V. Vergrößerung durch Querhaus. Dieses Beispiel 
führte über zur fünften Gruppe der Vergrößerung durch 
Querhausarme. Da wo die Mittel sehr mäßig oder die 
örtlichen Verhältnisse sehr eingeschränkt seien, begnüge 
man sich oft mit der Ausführung nur eines Querschiff 
arms, welcher dann entweder an das Langhaus anstoße 
(Geifertshofen* Fig. 35), oder in den Chor einmünde. 
Letztere Anordnung sei in beschränkten Verhältnissen oft 
von Vorteil, vorausgesetzt, daß die Kanzel sich an dem t *' 9 ■ 
dem Anbau gegenüberliegenden Chorbogenpfeiler befindet. Hiebei 
seien die Plätze in dem Anbau immer sehr gesucht, weil man leicht 
Fig. 38. 
Fig. 34.
	        

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