Full text: Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart (1898-1904)

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Die Bauregistratur und Bauratsschreiberei erhält den Geschoß 
teil an der Küferstraße, anschließende Räume an der Eichstraße bis 
zum Mittelbau und zwei Zimmer in diesem; die anstoßenden Räunie 
daselbst sind bestimmt für die Feuerschauer und das Bürgerrechtsbureau 
An der Eichstraße liegen ferner das Verbranchssteueramt, 
Arbeitsräume für die Stadtgeometer und Garderobe zum Festsaal. 
Im dritten Obergeschoß, welcher im Bauteil am Markt 
noch von den mit doppelter Geschoßhöhe projektierten Saalbautcn 
eingenommen wird, befindet sich im Bauteil Hirschstraße und der 
Hälfte des Mittelbaues das Hochbauamt, im Bauteil Küfer- und 
Eichstraße, sowie der anderen Hälfte des Mittelbaues das Tiefbauamt. 
Innerhalb der eisernen Dachkonstruktion werden ebenfalls noch 
Räume zum Aufbewahren von Akten für event. Vergrößerung des 
Verwaltungsbetriebs vorgesehen. 
Hinsichtlich der Konstruktion des Gebäudes ist folgendes zn 
erwähnen: 
Die Fundamentierung wird durchweg in Beton hergestellt; ich 
möchte nicht verfehlen, bei dieser Gelegenheit zu bemerken, daß ent 
gegen der vielfach verbreiteten Ansicht der Baugrund ein durchaus 
vorzüglicher ist, wenigstens bei dem jetzt im Bau begriffenen Teil. 
Aus Gründen der Feuersicherheit wird das ganze Gebäude nur 
in Stein und Eisen konstruiert, die Decken enthalten eiserne ITräger, 
zwischen denen die Kleine'sche Deckenkonstruktion liegt; die Fußböden 
in den Arbeitsräumen werden aus Gipsestrich mit Linoleumdeckung 
hergestellt, Korridore rc erhalten Mettlacher Fliesenbelag. 
Sämtliche Fronten werden in Haustein ausgeführt, als Material 
hierzu wird zum größten Teil der vorzügliche Keupersandstein aus 
den Brüchen des Schönbuchs verwendet. 
Das ganze Gebäude erhält eine mit Ventilation in Verbindung 
stehende Zentralheizungsanlage. Als System ist die Niederdruckdampf 
heizung gewählt, deren vier Kessel durch die Bauweise bedingt, in 
zwei gesonderten Heizräuuien unter dem Mittelbau untergebracht 
werden. Ratskeller und Sitznngsräume, sowie Hausmeisterwohnung 
sind auszuschalten, so daß diese Räume an Sonn- und Festtagen 
von einem Kessel gesondert beheizt werden können. 
Der Ventilationsanlagc wurde ein einmaliger Luftwechsel zu 
Grunde gelegt, für den Fest- und Vorsaal, Trausaal und Kommissions 
sitzungssaal sowohl als für den Ratskeller ist eine mechanische Pnl- 
sionsventilation mit im Winter vorgewärmter Luft beabsichtigt. 
Die Beleuchtung mittelst Elektrizität ist in der Hauptsache in > 
den Arbeitsräumen als Tischbeleuchtnng, in den Festräumen als | 
Deckenbeleuchtung gedacht. Nebenbei wird für besondere Zwecke und 
zur Aushilfe für Gasbeleuchtung Sorge getragen. 
Die Leitungen der Heizungs- und die der elektrischen Beleuch- 
tungs- und Läuteanlage befinden sich immer für zwei Räume ge 
meinschaftlich in isolierten an der Fensterwand in den Trennwänden 
liegenden Doppelkanälcn. Diese sind behufs Kontrolle und Vornahme 
von Reparaturen bei etwa vorkommden Störungen im ganzen Hause 
zugänglich, und ihre Verschlüsse werden organisch der Innenarchitektur 
der Räume angepaßt. 
Neben diesen Schlitzen liegen in den Trennwänden die aus 
innen glasierten Tonzellen bestehenden Entlüftungskanäle. Hierbei 
sind wir von dem bestehenden System der Anlage dieser Ventilations 
röhren in den Mittelwänden abgegangen, welche den Nachteil hat, j 
daß diese durch Deckenlast außerordentlich beanspruchten Wände durch 
die Röhren derart aufgelöst werden, daß eigentlich nur noch einzelne 
Pfeiler stehen bleiben, ganz abgesehen davon, daß bei dieser Methode 
ein Auswechseln der Deckenbalken sich kaum umgehen läßt, was bei 
der architektonischen Ausbildung der Decken unter Benützung der 
Balken störend wirkt. 
Auch die Anlage der Ventilationsröhren in den Trennwänden 
von 38 cm bezw. 2b cm, letztere mit '/, Stein-Vorlage, ist eine kon 
struktiv falsche, da man bei der Notwendigkeit, in jeder Wand Rohre 
zu haben, diese alle auflöst und zwar meistens an der Verbindungs 
stelle mit der Mittelwand in zwei schivache Zungen zu je '/-Stein, 
gerade an dem konstruktiv wichtigsten Punke. Wir wählten daher 
Thonrohre, welche '/»Stein Außenmaß haben und beim Vermauern 
in den Trennwänden, auf einer Seite bündig, diesen wenigstens die ! 
konstruktive Stärke von 1 Stein — 25 cm lassen. Die Mittelwände 
bleiben dadurch ganz frei. 
Der,zweite Teil, die formale Aufgabe des Architekten, besteht, <2\ 
wie schon früher bemerkt, in der Ausschmückung und architektonischen 
Entwicklung des Gebäudes. 
Bei jedem Bauwerk ist unter allen Umständen anzustreben: 
1) durch die Architektur den Zweck, dem das Gebäude dient, auch 
äußerlich zum Ausdruck zu bringen, 
2) in Formen und Verhältnissen das Bauwerk dem Ort bezw. 
dem Bauplatz anzupassen. 
Den Zweck eines Gebäudes im Aeußeren erkennen zu lassen, 
bedarf cs hauptsächlich der Aussprache der bedeutungsvollsten Jnnen- 
räume in der Hauptfassade in deren Größenverhältnissen unter event. 
Hinzufügen traditioneller Attribute. Weit schwieriger ist die An 
passung der Gesamtbaumasse und Einzelformen an den Bauplatz und 
damit die Schaffung einer guten Architektur, eines guten Gesamtbildes. 
Der Mensch ist gewöhnt, unwillkürlich in seinen Schönheits 
und Größenempfindungen bei allen Eindrücken künstlerischer Art als 
Vergleichsmaßstab seine eigene wirkliche und, bei Bildern, scheinbare 
Körpergröße zu Grunde zu legen. Diese Maßstabseinheit und die 
Verhältnisse eines Kunstwerks und seiner Teile zu ihr bilden deshalb 
die Grundlage des Eindruckes des Werkes. 
In der Jnnehaltung, der Schwächung oder Steigerung dieses 
Maßstabes liegt in der Kunst der Eindruck des Natürlichen, Zierlichen 
oder Gewaltigen. 
Sind die Formen und sonstigen Details eines Kunstwerks dem 
absoluten Maßstab des darzustellenden Gegenstandes angepaßt oder- 
kleiner als dieser, so erhält man die Wirkungen des Natürlichen oder 
Zierlichen; sind dieselben größer in ihrem absoluten Maßstab, so tritt 
uns das Gewaltige, Gigantische entgegen. 
Soll nun letztere Wirkung nicht schwerfällig oder übernatürlich 
sein, so ist es unbedingt notwendig, eine Maßstabsvermittlung zwischen 
dem großen absoluten Maßstab, der die Wirkung des Gewaltigen 
hervorruft, und demjenigen des Natürlichen, dem Memcheneinhcits- 
maßstab, zu schaffen. 
Diese Maßstabsvermittelung bilden die Details. In der Natur 
z. B. vermittelt den Eindruck eines gewaltigen Berges sowohl die 
Bewaldung als auch die Färbung und Beleuchtung bis zur Bebauung 
und Belebung mit Mensch und Tier, bei einem Fluß, einem See 
die Wasserbewegung, Spiegelung der Wolken bis zur Belebung mit 
Tieren und Schiffen. 
In der Architektur liegt es bei einem Monumentalbau im 
Charaker desselben, daß die Formen und der eigene Maßstab ganz 
oder teilweise größer genommen werden müssen, entsprechend den er 
forderlichen Größen der im Aeußern zum Ausdruck kommenden 
Jnnenräume als bei einem gewöhnlichen Privaihause. 
Um nun auch hier einen befriedigenden Eindruck des Architektur- 
bildes zu erhalten, muß dieser große Maßstab, diese Vervielfachung 
des Einheitsmaßstabes, eine Vermittelung für das menschliche Ein- 
pfinden erhalten. Diese Vermittelung muß hier eine zweiteilige sein: 
1) eine ästhetische Reduktion der Masscngliederung durch Vorder 
grund und Umgebung; 
2) eine Reduktion des absoluten Maßstabes in sich selbst und 
Vermittelung desselben mit dem Mcnscheneinheitsmaßstab durch 
die Details der Architekmrteile. 
Nur wenn diesen beiden Forderungen Genüge geleistet ist, zeigt das 
Schaubild keine störenden Maßstabs-Disharmonien. 
Die hervorragendsten Baumeister aller Zeiten tvaren sich dessen 
bewußt und haben daher, um ihre Monumentalbauten für das mensch 
liche Auge zu vermittelu, den absoluten Maßstab des Gebäudes in 
richtigen Einklang gebracht zunächst mit dem Maßstab der Umgebung. 
Sie haben mit den Abmessungen der ihren Monumentalgebäuden 
meistens vorgelagerten Plätze die Harmonie des Architekturbildes ab 
gestimmt und mit ihren Details dieselben mit dem Menscheneinheits- 
maßstab zusammengebracht. 
Durch die uns überlieferten Beispiele jener Meister dürfte die 
Richtigkeit meiner Behauptung bewiesen sein, und sollen wir Archi 
tekten daraus folgende Lehre ziehen:
	        

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