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bis zum Jahre 1847 mehrere Bau-Ausführungen als Bauführer
besorgte, so namentlich das obere Nebengebäude der Münze, den
teilweisen Umbau des unteren Nebengebäudes und verschiedene andere
kleinere Bauten. Im September 1846 hatte ich das Unglück, bei
der Dekoration des Münzgebäudes zum Einzug des Kronprinzen
Karl mit seiner Gemahlin, Großfürstin Olga, durch einen Sturz
von einer Leiter einen schwierigen Knöchelbruch des rechten Fußes
zu erleiden, mit dessen Folgen ich heute noch zu kämpfen habe. Im
Jahr 1848 erstand ich die II. Staatsprüfung mit der Note Ha und
wurde im gleichen Jahre als Bauführer auf den vier Landgestüts
höfen Güterstein, St. Johann, Offenhausen und Marbach zur Aus
führung verschiedener Umbauten und Neubauten verwendet.
Infolge der Ereignisse des Jahres 1848 wurde nämlich, einer
Anregung von Seiten der Landstände entsprechend, die Verlegung der
im hiesigen Marstall untergebrachten Landbeschäler auf die Gestütshöfe
zur Ausführung gebracht. Ich wurde nun mit der Ausführung der
betreffenden Arbeiten beauftragt, und besorgte sie in den Jahren
1848/49. Diese Arbeiten erstreckten sich auf alle vier Gestütshöfe
und Sie werden begreifen, daß ich dabei sehr viel zu thun hatte.
Um nicht ein Gefährt für die Reisen nötig zu haben, erhielt ich ein
Reitpferd, und war sonach berittener Bauführer, eine Charge,
die sonst selten vorkommt.
Für die erforderlichen Einrichtungen auf den Gestütshöfen zn
dem gedachten Zwecke wurden keine Neubauten errichtet, die vorhandenen
Gebäude wurden vielmehr, so gut es ging, zu Stallungen für die
Landbeschäler und zu Wohnungen für Knechte und Aufseher umge
baut. Es war etwa für 60 Landbeschäler Unterkunft zu schaffen.
Die Leitung und spezielle Beaufsichtigung aller dieser Bauten,
welche wegen Mangels an Unternehmern zum Teil in eigener Regie
ausgeführt werden mußten, erforderte außergewöhnliche Anstrengung
vom frühen Morgen bis zum späten Abend. Zulagen für auswärtige
Verrichtungen kannte man damals noch nicht.
Im Jahr 1849 wurden diese Arbeiten vollendet. Seit dieser
Zeit steht der Marstall leer, was für Stuttgart sehr zu bedauern ist.
Am 14. Januar 1850 wurde ich aus Anlaß der Aufhebung
der vier Kreisfinanzkammern als Kanzleiassistent bei der Bauabteilung
des Finanzministeriums mit einem Gehalt von 600 fl. angestellt,
welche Abteilung im Jahr 1858 mit der Domänen-Abteilung ver
schmolzen wurde; hier habe ich bis zu meiner Pensionierung am
1. April 1900 Dienste geleistet.
Nachdem die Verlegung der Landbeschäler stattgefunden hatte,
zeigte es sich bald, daß die aus Sparsamkeitsrücksichten getroffenen
Einrichtungen nicht durchweg befriedigten; auch stellten sich weitere
Bedürfnisse ein, und mußte diesen durch entsprechende Neubauten
Rechnung getragen werden, was im wesentlichen in den Jahren
1850/60 geschah. Dabei handelte es sich hauptsächlich um Reit
häuser zur Bewegung der Pferde bei schlechtem Wetter, ferner um
Hengst- und Fohlenstallungen und wegen des großen land
wirtschaftlichen Betriebs um Viehställe, Scheunen und Maga
zins räume zur Aufbewahrung von Früchten u. s. w.
Da Oberbaurat v. Groß im Jahr 1850 pensioniert wurde,
und ich die in den Jahren 1848/49 ausgeführten Bauten fast voll
ständig selbständig zur Zufriedenheit besorgt hatte, so wurde mir von
der K. Landgestütskommission der Auftrag erteilt, für diese Bauten
die Pläne und Ueberschläge zu fertigen und sie zur Ausführung
zu bringen.
Die wichtigeren derselben sind aus den ausgestellten Zeichnungen
zu ersehen; ein Teil davon ist auf den angeschlossenen Figurentafeln
Blatt I und II dargestellt. Ich beginne mit dem auf Blatt I ent
haltenen Bauten auf dem Landgestütshof Güterstein bei Urach.
Güterstein war im Mittelalter ein Karthäuserkloster, das
jedoch im Jahr 1555 eingegangen ist. Bekannt ist die Sage, nach
welcher Herzog Ulrich auf seiner Flucht in dem Kloster Aufnahme
gesucht hat, von dem Prior jedoch abgewiesen worden ist, wofür er
später Vergeltung geübt haben soll. Nach Errichtung des Haupt-
gestüts Marbach an der Lauter wurde in Güterstein ein Fohlenstall
gebaut, welcher zur Unterbringung der in Marbach gezüchteten Hengst
fohlen diente. Nachdem im Jahr 1848/49 die Fohlenställe beseitigt
und an deren Stelle Hengststallungen mit einer kleinen niedrigen
Reitbahn eingerichtet worden waren, zeigte es sich bald, daß zur
Bewegung der Pferde bei ungünstiger Witterung, insbesonders zum
Zureiten und Dressieren derselben, eine größere Reitbahn nicht ent
behrt werden konnte. Es wurde deshalb im Jahr 1855 ein Reithaus
mit einem Aufwand von ca. 12000 fl. — 20500 Ji erbaut, und
zwar mit massiven Umfassungswänden mit Satteldach, steinernen
Giebeln und hölzernen Dachvorsprungen.
Das Gebäude ist außen 35,8 m lang, 18,05 m breit. Die
Reitbahn innen ist im Licht 34,78 m lang, 17,19 m breit und 6 m
hoch. Die Umfassungswände sind nur 50 cm stark aus Tuffsteinen
von Seeburg hergestellt und mit Verstärkungen an den Bindern ver
sehen. Das Innere erhielt eine wagrechte Decke, welche so verlangt
wurde, um auf dem Dachboden Heu und Früchte aufbewahren zu
können. Der Dachstuhl ist als Hängwerk mit drei Hängsäulen ange
ordnet. Er wurde mit der größten Einfachheit und Sorgfalt in allen
Einzelheiten ausgearbeitet, wie Sie zum Teil aus den Durchschnitten
ersehen. Das Dach ist mit gewöhnlichen gebrannten Dachziegeln
gedeckt.
Als später die Hengste im neuen Hengststall in Offenhausen
untergebracht wurden, trug man sich mit dem Gedanken, das Reithaus
dahin zu versetzen. Ehe diese Absicht verwirklicht wurde, ist dasselbe
leider abgebrannt, und zwar, wie es sich herausstellte, durch Selbst
entzündung des Futters unter dem Dach.
Blatt I enthält einen Grundriß, eine Längenansicht, einen
Längenschnitt, eine Giebelansicht und einen Querschnitt dieses Reit
hauses.
Auf dem Gestütshof St. Johann oberhalb Güterstein wurde
im Jahr 1852 ein großes dreistöckiges Magazinsgebäude zur
Aufbewahrung von Körnerfrüchten und zwar aus Sparsamkeitsgründen
in Fachwerk erbaut, in welchem im untern Stock ein Fohlen stall
eingerichtet werden mußte; dieser Stall war ohne innere freistehende
Unterstützungspfosten für die Decke herzustellen, damit die Fohlen sich
ungehindert bewegen können.
Das ganze Gebäude ist 21,9 m lang, 12,3 m breit, der Fohlen
stall in ihm im Licht 18,6 m lang und 11,46 m breit. Die Bau
kosten betrugen nur 5500 fl. oder 9400 JC. Es sind drei überein
anderliegende Fruchtböden verlangt worden, welche alle durch die
schwachen äußeren Fachwände getragen werden mußten. Die Häng
werksanordnung geschah mit 2 Hängsäulen, die Außenwände wurden
an den Bindern mit Doppelpfosten versehen, welche durch zwei Stock
werke hindurchlaufen. Die Aufgabe erforderte große Vorsicht und
Durcharbeitung, war aber gerade deshalb auch sehr interessant.
Da das Gebäude ganz freisteht und in dem hochgelegenen
St. Johann heftige Stürme auftreten, denen dasselbe sehr ausgesetzt
ist, so war zu befürchten, daß bei den einfachen Riegelwänden sich
der Fohlenstall im Winter zu sehr abkühlen werde und seine Ver
wendung als solcher in Frage gestellt sein könnte. Um diesem Uebe--
stande vorzubeugen, wurde der Stall innen auf die ganze Höhe der
Umfassungswände mit gefalzten Brettern verschalt. Da diese Ver
schalung nicht den erforderlichen Schutz gegen die scharfen Winde ge
geben hätte, so habe ich zwischen ihr und den Wänden einen Zwischen
raum von 3—4 cm gelassen und diesen mit feinem trockenem Sande
ausgefüllt. Hiebei mußte dafür gesorgt werden, daß der Sand nicht
auslaufen konnte, und daß beim Entstehen von Setzungen oben am
Anschluß an die Decke noch nachgefüllt werden konnte. Die Unter
lagslatten sind selbstverständlich senkrecht angebracht. Diese sehr
einfache und billige Ausführungsart hat sich vollständig bewährt! es
ist meines Wissens nie über zu große Abkühlung geklagt worden.
Später wurde der Fohlenstall in einen Hengststall verwandelt
und auch als solcher hat er sich bewährt.
An den Fensteröffnungen der Fruchtböden wurden hölzerne
Läden mit beweglichen hölzernen Jalousien und gegen außen Draht
gitter gegen das Eindringen von Vögeln u. s. w. angebracht.
Auf Blatt I sind ein Grundriß, eine Längenansicht, zwei Giebel
ansichten und zwei Querschnitte des Gebäudes ersichtlich.