Full text: Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart (1898-1904)

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Hierauf ergriff der Vereinsvorstand das Wort zu folgender Ansprache 
an den Jubilar: 
„Hochgeehrter Herr Präsident! Nur wenige Tage noch trennen 
Sie vom vollendeten 80. Lebensjahr. Der Verein für Baukunde, 
dem Sie von seinen ersten Anfängen an angehören, und mit dem 
Sie durch das ihm und seinen Bestrebungen entgegengebrachte In 
teresse eng verwachsen sind, der Sie mit Stolz den seinigen nennt, 
durfte sich wohl berufen fühlen, bei diesem Lebensabschnitt unter den 
ersten Sie zu beglückwünschen. Es gereicht dem Verein zu großer 
Freude, daß Sie seiner Einladung gefolgt und heute in seiner Mitte 
erschienen sind. Die große Zahl der heute Versammelten mag Ihnen 
Zeugnis davon ablegen, wie allgemein die Verehrung ist, die die 
Mitglieder Ihnen entgegenbringen. — 
Mit seltener körperlicher Rüstigkeit und geistiger Frische ist e8 
Ihnen vergönnt, auf ein an Erfolgen, aber auch an opferwilliger 
Arbeit reiches Leben zurückzublicken. 
Nach beendeten Studien in Stuttgart und München und ab 
gelegter Staatsdienstprüfung haben Sie Ihre Laufbahn im württem- 
bergischen Staatsdienst im Jahre 1842 zunächst im Hochbauwesen 
angetreten, sind aber nach drei Jahren mit dem Beginn des Eisen 
bahnbaues in unserem Heimatlande zu diesem übergegangen, und 
haben diesem Zweig des Bauwesens mit einer kurzen Unterbrechung 
nahezu 50 Jahre lang Ihre Thätigkeit gewidmet, 20 Jahre als 
Bauamtsvorstand und beinahe 30 Jahre lang als Mitglied des 
Kollegiums der Eisenbahnbaukommission und der Bauabteilung der 
Generaldirektion der Staatseisenbahnen. Nicht weniger als 326 Um, 
nahezu ein Fünftel des Württembergischen Eisenbahnnetzes, sind unter 
Ihrer Leitung als Oberingenieur gebaut worden. 
Im Oktober 1891 wurde Ihrer Wirksamkeit durch Beförderung 
zum Vorstand der Bauabteilung der Generaldirektion der Staats- 
cisenbahnen die verdiente Anerkennung gezollt. Es war diese Er 
nennung nicht nur ein bedeutender Erfolg für Ihre Person, sie war 
zugleich ein Ereignis für die Technikerschaft in Württemberg. War 
es doch nach langem Zwischenraum das erstemal, daß ein Techniker 
wieder diese hervorragende Stellung bekleidete; möge der Weg zu 
derselben immer dem Techniker offen bleiben! 
Preisen schon Ihre Werke selbst Ihre Wirksamkeit, so wurde 
dieselbe auch seitens Sr. Majestät des Königs, der Fürsten unserer 
Nachbarreiche und des Kaisers ausgezeichnet, wie Ihnen denn auch 
bei Ihrem mit 51Dienstjahren erfolgten Uebergang in den Ruhe 
stand der Titel eines Präsidenten verliehen wurde. 
Neben Ihrem eigentlichen Amte haben Sie noch zahlreiche 
Obliegenheiten übernommen; Sie waren Mitglied des Verwaltungs 
rats der Gotthardbahn, Beirat der Forstdirektion und sind heute noch 
Mitglied des Konservatoriums und der Staatssammlung vaterländi 
scher Kunst- und Altertumsdenkmale zur Beratung des Konservators 
in Restaurationssachen. 
Mit besonderer Hingebung haben Sic sich einst einem Lehr 
auftrag über die gesamte Baukunde an der Landesuniversität Tübingen 
gewidmet, für den Sie ein eigenes Hilfsbuch mit zahlreichen Tafeln 
bearbeiteten. 
Auch die seinerzeit viel verbreitete „Anleitung zur Veranschlagung 
von Bauarbeiten, von einem praktischen Architekten" war Ihr Werk. 
Hochgeschätzt zu einer Zeit, wo in dieser Hinsicht die Literatur noch 
sehr arm war. 
Wie schon eingangs erwähnt, gehören Sie unserem Verein seit 
seinen Gründungsjahren an. Zwölf Jahre — von 1873 bis 1885 — 
haben Sie denselben als Vorstand geleitet und diese zwölf Jahre 
sind als eine Periode bedeutenden Aufschwungs den meisten von uns 
noch in lebhaftester Erinnerung. Die Hingebung, mit welcher Sie 
den Vorstandspflichten nachgekommen sind, kann für jeden späteren 
Vorstand vorbildlich sein. Ihre vielen und großen Verdienste um den 
Verein hat er durch Ihre Ernennung zum Ehrenmitglied anerkannt. 
— Die Mitgliederzahl ist in dieser Zeit von 127 auf 267 gestiegen. 
Ihre vielseitige Thätigkeit im Verein schildern zu wollen, 
würde den Umfang einer Ansprache überschreiten, — doch möchte ich 
nicht versäumen, daran zu erinnern, zu welch schönem Feste Sie das 
40 jährige Stiftungsfest zu gestalten verstanden. 
In wiederholten Ausstellungen haben Sie dem weiteren Pu 
blikum einen Einblick in die Thätigkeit des Technikers verschafft, so 
namentlich in derjenigen vom Mai 1877, welche sich an Ihren 
inhaltsreichen und hochinteressanten Vortrag über die Entwicklung 
des Eisenbahnwesens in Württemberg anschloß. 
Die Krone haben Sie Ihrer Vorstandsthätigkeit aufgesetzt mit 
den Vorbereitungen und der Leitung der VI. Generalversammlung 
des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine im August 
1884. Wer mit auswärtigen Kollegen zusammentrifft, wird immer 
bestätigt hören, daß die Stuttgarter Versammlung noch von keiner 
späteren übertroffen worden sei. Wer daran teilgenommen hat, be 
wahrt Ihnen eine dankbare Erinnerung. — 
Und nun noch einige Worte über Ihr erfolgreiches Mitwirken 
bei den Bestrebungen um Besserung der Standesverhältnisse der Tech 
niker. In dieser Hinsicht haben Sie nicht nur als Vereinsmitglied 
Ihre Thätigkeit entfaltet, auch Ihre Eigenschaft als Landtagsabge 
ordneter gab Ihnen Gelegenheit, für Ihre Berufsgenossen zu wirken. 
Die Gleichstellung der Bauinspektoren mit den übrigen Bezirks 
beamten war einst erreicht, leider ist mit dem Beamtengesetz von 1876 
hievon wieder abgebröckelt worden, doch ist zu hoffen, daß mit der 
Zeit das früher Erreichte wieder gewonnen werde. Durch die Schaffung 
der definitiven Stellen für technische Expeditoren wurde einem lange 
gehegten Wunsch des Vereins Rechnung getragen, und bei den Be 
stimmungen über Ausbildungsgang und Prüfungen hat der Verein 
mit seinem Rate mitgewirkt. 
So ist unter Ihrer Mitwirkung und Führung manches erreicht; 
vieles ist noch zu erstreben, und wir dürfen die Hände nicht in den 
Schoß legen. 
So wie Sie die Fahne des ganzen Standes stets hochgehalten 
und für sein Ansehen gewirkt haben, so sind Sie auch in echter Kol 
legialität dem Einzelnen entgegengekommen. DaS soll heute noch ganz 
besonders dankbar anerkannt werden. Darin können wir alle nur 
von Ihnen lernen! 
Meine Herren! Schließen wir den Ausdruck unseres Dankes 
für alles, was Herr Präsident von Schlierholz uns Technikern, 
was er unserem Verein gewesen ist, schließen wir unsere Wünsche 
für sein ferneres Wohlergehen zusammen in den Ruf: 
Präsident von Schlierholz lebe hoch!" 
Hierauf dankte der Jubilar tief gerührt wie folgt: 
„Sehr verehrte Herren Kollegen! Hocherfreut bin ich Ihrer 
liebenswürdigen Einladung zu der Feier meines demnächst mit Gottes 
Gnade zurückgelegten 80. Lebensjahres gefolgt. 
Unser verehrter Herr Vorstand hat in seiner Begrüßung, An 
sprache und Trinkspruch so viel Ehrendes und Ausgezeichnetes über 
meine lange und vielseitige Berufs- und Vereinsthätigkeit erwähnt 
und mir Glückwünsche dargebracht, in die Sie so warm einstimmten. 
Tief ergriffen danke ich herzlichst für all diese Huldigungen in dem 
Bewußtsein, daß bei meinen Leistungen viele meiner Amts- und 
Vereinsgenossen, auch manche unter Ihnen, mitwirkten und teil an 
den mir gewordenen Anerkennungen haben. 
Ich bin stolz darauf, seit dem Bestehen des Vereins, innerhalb 
55 Jahren demselben anzugehören, während welcher Zeit ich die 
Ehre hatte, 8 Jahre als Vizevorstand und 12 Jahre als Vorstand 
bei treuer arbeitsvoller Unterstützung so mancher Mitglieder, zur Voll 
ziehung vieler wichtiger Arbeiten nach Kräften zu arbeiten und jeder 
zeit mitzuwirken, wobei ich auch über das Vereinsleben der württ. 
höheren Bautechniker bei Gelegenheit des 40. Sttftungsfestes 1883 
von 1830 an eine Uebersicht gegeben habe, die der Herr Kollege 
v. Hänel beim 50. Jahresfest 1893 als damaliger Vereinsvorstand 
wiederholte und vervollständigte, was ich für die jüngeren Herren Kol 
legen, als manch Wertvolles enthaltend, nicht unerwähnt lassen möchte. 
Für all meine Vereinsthätigkeit ist mir zu verschiedenen Zeiten 
reiche Anerkennung geworden; beim 40. Stiftungsfeste durch die 
Stiftnng des hier auf dem Tische stehenden Vereinspokales mit einer 
anerkennenden Inschrift, meine damalige 10jährige Vorstandschaft be 
treffend, 1884 bei der unter meinem Präsidium hier abgehaltenen 
VI. Generalversammlung deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine,
	        

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