Nr. 8
Monatsschrift des Württembg. Vereins für Baukunde in Stuttgart.
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Regierungs-Baumeister Kört e-Berlin beschliesst die Versammlung
dem Antrage gemäss.
Es wird sodann Stellung genommen zu der Krage der
Doktor-Promotion an den Technischen Hochschulen Deutsch
lands. Angeregt wurde diese Angelegenheit durch eine Eingabe
der Studierenden der Technischen Hochschule zu Berlin, welche
in der Wendung, welche diese Frage in Preussen zu nehmen
den Anschein hat, eine Zurücksetzung des Staats-Examens
hinter dem Diplom-Examen erblicken. Auch aus den Kreisen
der älteren Staats-Baubeamten ist die Forderung gestellt worden,
dass das Bauführer-Examen unmittelbar als Vorbedingung für
die Zulassung zur Doktor-Promotion gelten solle. Da auch in
anderen Bundesstaaten diese unbedingte Zulassung nicht aus
gesprochen ist und auserdem die neue Diplom-Prüfungsordnung
bisher noch in keinem Bundesstaate erschienen ist, war es
Sache des Verbandes, seinerseits ebenfalls Stellung zu nehmen.
Seitens des Vorstandes war der Antrag eingebracht, der Verband
solle dahin wirken, dass
1. die Staats-Baubeamten (Bauführer und Baumeister) in
allen Bundesstaaten unter möglichster Vermeidung weiterer
Prüfungen zur Doktor-Promotion zugelassen werden;
2. die neuen Diplomprüfungs-Ordnungen möglichst ein
heitlich für alle Bundesstaaten gefasst werden.
Der Berliner Architekten-Verein hat diesen Antrag dahin
abgeändert, dass in 1. das Wort .möglichst“ gestrichen
und bei 2. zugesetzt wird „unter Ausdehnung auf alle
Abteilungen“. Mit der Streichung wird also unbedingte
Zulassung gefordert, d. h. volle Gleichstellung mit dem Diplom-
Examen, während der Zusatz bezweckt, dass auch für Archi
tekten, da wo bisher für sie keine Diplom-Prüfungen bestehen,
solche eingerichtet werden.
Die Versammlung nimmt den Antrag in der Fassung
des Berliner Vereins zu 1. mit 64 Stimmen bei 21 Stimm
enthaltungen an, während sich keine Stimme dagegen erhebt.
Absatz 2 wird einstimmig angenommen. Eine von Ange
hörigen des höheren Baufaches an den Verband gerichtete
und du ch Herrn Professor Walle vertretene Eingabe zu dieser
Frage wird durch diese Beschlüsse im allseitigen Einver
ständnis als erledigt angesehen. Der Vorstand wird beauftragt,
die Beschlüsse der Abgeordneten-Versammlung in geeigneter
Form den zuständigen Ministerien sowie den Senaten der Tech
nischen Hochschulen mitzuteilen.
Einen längeren Bericht, erstattet Herr Geheimer Baurat
Stübben-Köln zu der ebenfalls vom Verbands-Vorstande an
geregten Frage einer Stellungnahme der Techniker zur „Be
schaffung billiger Wohnungen“. Herr Stübben hat
hierzu eine Reihe von Anregungen gegeben. Es wird beschlossen,
die Einzelvereine zunächst zu Aeusserungen über die einzelnen
Punkte aufzufordern, worauf der Herr Berichterstatter auf der
nächsten Wanderversammlung auf Grund des gesammelten
Materials einen Vortrag halten wird. Die Entscheidung, in
welcher Weise an der Lösung dieser Frage mitgearbeitet werden
soll, wird bis dahin vertagt.
Seitens des Hannover'sehen Vereins sind drei Anträge
eingegangen. Der erste derselben lautet: „Welche Schritte
sind vom Verbände zu thun, um die zur Zeit nach dem Reichs
gesetze vom 30. Juni 1878 (R.-G.-Bl. v. 1878 S. 173 u. v.
1899 S. 689) sich regelnden Gebühren gerichtlicher
Sachverständigen für die Architekten und Ingenieure mit
den heutigen Verhältnissen in Einklang zu bringen.“ Mit diesem
Ans age wird gleichzeitig ein weiter gehender Antrag des
mittelrheinischen Vereins zu Darmstadt verhandelt,
welcher die Herbeiführung der Anerkennung der Gebühren
ordnung für Architekten und Ingenieure durch die Gerichte
anstrebt. Nach ausführlicher Begründung des ersteren Antrages
durch Herrn Baurat U n g e r-Hannover, wobei gleichzeitig auf
dieGefährlichkeit des zweiten Antrages hingewiesen wird, zieht der
Darmstädter Vertreter, Herr Professor von Willmann, diesen
zurück. Es wird im übrigen beschlossen, ein von Herrn
Unger zu entwerfendes Rundschreiben an die Einzelvereine zu
richten, in welchem diese zur Mitteilung ihrer Erfahrungen
bezüglich der von den Gerichten angewendeten sehr ver
schiedenen Praxis aufgefordert werden sollen. Das gesammelte
Material wird dem Verein zu Hannover übergeben werden, der
es übernimmt, der nächsten Abgeordneten-Versammlung hierüber
einen gedruckten Bericht vorzulegen.
Des weiteren hat der Verein zu Hannover die Frage zur
Besprechung gestellt: „Stehen die vom Verbände 1883/85 auf
gesetzten und den Verbandsgenossen zur Benutzung bei den
von ihnen mit den Bauherren abzuschließenden Verträgen
empfohlenen Bestimmungen über die zivilrechtliche
Verantwortlichkeit für Leistungen der Archi
tekten und Ingenieure im Einklang mit den Bestimmungen
des bürgerlichen Gesetzbuches und der heutigen Anschauung
der Techniker?“ Herr Unger beantragt Bearbeitung der Frage
durch drei Verbandsmitglieder unter Zuziehung eines JurFten.
Dieser Ausschuss soll dann über seine Arbeit an den Vorstand
berichten. Es wird dementsprechend beschlossen. Durch Zuruf
werden in diesen Ausschuss gewählt die Herren Unger, Körte
und Baudirektor Zimmermann-Hamburg.
Der dritte Antrag des Vereins zu Hannover betrifft die „N eu-
fassung von Grundzügen für Bauordnungen“. Nach
Erläuterung durch Herrn Unger und einigen Bemerkungen
des Herrn Bauinspektor Olshausen-Hamburg wird be
schlossen, diese Angelegenheit als Verbandsfrage aufzunehmen.
Die Bearbeitung wird dem Hannoverschen und dem Badischen
Verein übertragen.
Der E lsass-Lo thri ngische Verein, vertreten durch
Herrn Dombaumeister Arntz, hat den Antrag eingebracht,
dass der Verband für die Erhaltung des Strassburger
Münsters eintreten möge, dessen baulicher Zustand ein
solcher sei, dass gründliche Abhilfe, zu der die vorhandenen
Mittel nicht entfernt ausreichten, eine überaus dringliche An
gelegenheit sei. Seitens des Vereins zu Magdeburg ist anderer
seits ein allgemeiner Antrag eingegangen, welcher gesetzlichen
Schutz der im Besitze von Behörden und Privaten befindlichen
Baudenkmäler fordert. Beide Anträge werden zusammen
behandelt. Ersterer wird durch Herrn Arntz, letzterer durch
Herrn Stadtbauinspektor und Branddirektor Stolz-Magdeburg
vertreten. Der Antrag des Magdeburger Vereins wird abge
lehnt, da sich mit dieser Frage schon der „Denkmalstag 1 '
beschäftigt, der im September d. J. wieder tagt. Es soll jedoch
dem Denkmalstage durch den Vorstand die volle Zustimmung
des Verbandes zu seinen Bestrebungen ausgesprochen werden.
Herr Arntz gliedert seinen Antrag in zwei Teile. Nach dem
ersten soll eine Reichsorganisation geschaffen werden, welche in
allen Fragen der Erhaltung der Denkmäler zuständig wäre.
Die Versammlung lehnt es mit 71 Stimmen ab, diesen Antrag
zu unterstützen, da derselbe einen Eingriff in die Rechte der
Bundesstaaten bedeuten würde. Dagegen wird der zweite Teil des
Antrages angenommen, nach welchem der Reichstag ersucht
werden soll, ständige Mittel für die Erhaltung von Baudenk
mälern in seinen Haushalt einzustellen, und zwar zunächst für
das Strassburger Münster. Herr Arntz wird schliesslich ersucht,
auf der nächsten Wanderversammlung einen Vortrag über
dieses Bauwerk zu halten.
Ebenso wird seitens der Versammlung davon Abstand ge
nommen, dem vom Magdeburger Verein gewünschten Eintreten
dafür, dass ein Teil der diätarischen Dienstzeit der Regierungs
Baumeister auf das Besoldungs-Dienstalter angerechnet werden
solle, nachzukommen, da diese Materie in anderen Bundes
staaten bereits geregelt, daher nur als eine rein preussische
Angelegenheit anzusehen ist, deren Behandlung im Verbände
unthunlich erscheint.
Nachdem auch noch ein Antrag auf deutsche Schreibweise
des Wortes „Ingenieur“ abgelehnt ist, wird zum Schlüsse mit
allgemeiner Zustimmung angenommen, dass einem aus dem
Berliner Architekten-Verein und der Vereinigung Berliner Archi
tekten bereits gebildeten Ausschüsse für die Ueberwachung
der öffentlichen Wettbewerbe, welche sichzurWahrung
der Interessen der Fachgenossen als unbedingt nötig erwiesen
hat, die Rechte eines Verbands-Ausschusses übertragen werden.
Damit war das reiche Beratungsmaterial erschöpft. Die
Versammlung schloss mit dem Danke, welchen Herr Geheimer
Ober-Baurat Sarrazin für die vortreffliche, unparteiische
und sichere Leitung der Geschäfte durch den Vorsitzenden
Herrn Geheimen Baurat Waldow aussprach, ein Wort, das
lebhaften Widerhall in der Versammlung fand.